Gerade erst freuten sich Handel und Kunden über die ersten, sanften Lockerungen, da könnte es auch schon schnell wieder vorbei sein. Der Landkreis Rastatt hat am Mittwochabend die 7-Tage-Inzidenz von 100 überschritten.
Bleibt der Wert in den kommenden drei Tage stabil über dem Grenzwert, folgt die Notbremse. Die Folge wäre eine erneute Verschärfung des Lockdowns. Es droht auch wieder eine nächtliche Ausgangssperre.
„Click&Meet“ heißt das Konzept, mit dem sich die Einzelhändler seit Montag versuchen, wieder ein bisschen freizuschwimmen. Kunden können die Läden nach Voranmeldung betreten. „In Rastatt machen viele Händler mit“, sagt Einzelhandelssprecherin Sabine Karle-Weiler. Auch in ihrer Modeboutique am Marktplatz empfängt sie endlich wieder Besucher.
Zahl der täglichen Neuinfektionen im Landkreis Rastatt auf hohem Niveau
Doch das Glück könnte von kurzer Dauer sein. Die 7-Tage-Inzidenz kennt im Landkreis nur eine Richtung: nach oben. Ende Februar lag sie noch bei unter 60. Vergangenen Freitag, als das Landratsamt zur großen Corona-Jahrespressekonferenz eingeladen hatte, war der Wert schon auf über 80 geklettert.
Am Dienstag vermeldete das Landesgesundheitsamt eine Inzidenz von 94,6, am Mittwochabend schließlich von 101,1.
Stefan Biehl, der zuständige Dezernent des Landratsamts Rastatt, prognostizierte schon am Mittwochvormittag: „Vermutlich reißen wir die 100.“ Zu diesem Zeitpunkt ging er noch davon aus, dass der Wert frühestens am Donnerstag überschritten werden könnte: „Wenn ich mir die Infektionszahlen anschaue, die reinkommen, bewegen wir uns nach wie vor einem hohen Niveau.“ Doch dann ging es noch schneller.
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„Click&Meet“ wäre wieder untersagt
Übersteigt die Inzidenz die 100, müssen die Gesundheitsämter nach Vorgaben der Landesverordnung die Notbremse ziehen. Die Bremsspur ist allerdings vergleichsweise lang. Zunächst muss die Inzidenz drei Tage lang konstant über der Grenze liegen.
Anschließend gibt das Gesundheitsamt bekannt, dass die Verschärfungen am zweiten darauffolgenden Werktag in Kraft treten. Bleibt die Marke von 100 also auch am Donnerstag, Freitag und Samstag überschritten, geht es frühestens am Dienstag zurück in den härteren Lockdown: „Die Läden brauchen ja Puffer“, sagt Biehl.
Die Einzelhändler dürften dann erneut keine Kunden mehr reinlassen. „Click&Meet“ wäre verboten. Stattdessen ginge es zurück zu „Click&Collect“ – also zur Onlinebestellung der Ware mit Abholung vor Ort. Auch härtere Kontaktbeschränkungen im Privatbereich wären die Folge.
Unangetastet blieben die bereits vollzogenen Öffnungen von Kindergärten und Schulen. Wer einen Friseurtermin für die nächsten Tage gebucht hat, muss ebenfalls nicht zittern. Die Salons dürfen geöffnet bleiben.
Letztendlich haben wir es alle selbst in der Hand.Stefan Biehl, Dezernent
Eine konkrete Erklärung, warum die Werte im Landkreis im Vergleich zu Nachbarkreisen deutlich erhöht sind, hat Biehl nicht. In 60 Prozent der Fälle sei der Ursprung der Ansteckung unbekannt. Es handle sich also nach wie vor um ein diffuses Infektionsgeschehen.
Das bedeutet allerdings auch, dass es eine erneute nächtliche Ausgangssperre geben könnte. Das Landratsamt hatte dieses Instrument bereits Ende vergangener Woche ausgepackt. Damals war als Maßgabe dafür neben einem diffusen Infektionsgeschehen noch eine überschrittene Inzidenz von 50 entscheidend.
Kurz darauf trat allerdings eine neue Landesverordnung in Kraft, in der die Grenze auf 100 hochgesetzt wurde. Sollte dieser Wert nun überschritten werden, könnte das Landratsamt es den Menschen erneut untersagen, nach 21 Uhr ohne triftigen Grund das Haus zu verlassen.
Corona-Situation im Stadtkreis Baden-Baden entspannter
„Wir bewerten die Situation jeden Tag aufs Neue“, sagt Biehl. Er ist sich bewusst, dass die Ausgangssperre extrem unpopulär ist.
Kristallisiere sich in den kommenden Tagen ein klarer Hotspot heraus, wie es im Februar nach einer Infektionswelle in der Notbetreuung eines Kindergartens in Bietigheim der Fall war, könne sich die Einschätzung auch wieder ändern. Doch dieser Ermessensspielraum gilt nur für die Ausgangssperre. Die Notbremse ist nicht verhandelbar.
Hoffnungsvoller äußert sich Biehl zur Situation im Stadtkreis Baden-Baden, wo die Inzidenz unter 50 liegt und der Einzelhandel seit Montag geöffnet hat. Angesichts von wenigen Neuinfektionen in der Kurstadt sei er „recht zuversichtlich“, dass sich die Situation dort stabilisiert habe.
Mit Blick auf die angespannte Lage im Landkreis appelliert der Dezernent an die Bevölkerung, sich weiter an die Hygiene- und Abstandsregeln zu halten: „Letztendlich haben wir es alle selbst in der Hand.“