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Stadt erfüllt Kriterien nicht

Keine Mietpreisbremse mehr in Rastatt: Drohen jetzt Wucherpreise?

Vermieter genießen in Rastatt seit dem 4. Juni grenzenlose Freiheit. Fünf Jahre lang galt die Mietpreisbremse, die regelte, dass Mieten bei neuen Verträgen maximal zehn Prozent über den ortsüblichen Vergleichswerten liegen durften. Die SPD fürchtet, dass die Preise durch die Decke schießen könnten. Experten sehen die Situation gelassener.

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Begehrtes Gut: Die Nachfrage nach Mietwohnungen in Rastatt ist hoch. Der Wegfall der Mietpreisbremse könnte Bewegung in den Markt bringen. Foto: Hans-Jürgen Collet

Wer in Rastatt eine Immobilie vermietet, kann dafür seit dem 4. Juni so viel Geld verlangen, wie er möchte. Das war in den vergangenen fünf Jahren nicht möglich. Die Mietpreisbremse des Landes verhinderte Mondpreise. Doch die Regierung in Stuttgart hat neue Kriterien für die Bremse erlassen. Rastatt erfüllt davon nicht genug, so dass die Bremse nun gelöst ist. Die SPD schlägt Alarm und warnt, dass nun „Wild-West-Methoden“ auf dem Mietmarkt drohen. Die Stadtverwaltung und Wohnungsmarktexperten fürchten dagegen nicht, dass die Preise nun durch die Decke schießen.

Die Mietpreisbremse gab bislang vor, dass Mieten bei neuen Verträgen maximal zehn Prozent über den ortsüblichen Vergleichswerten liegen durften. Ausnahme galten bei Neubauten und umfassend modernisierten Wohnungen. Die Vergleichswerte lieferte der qualifizierte Mietspiegel, der in seiner aktuellen Form seit 2019 in Kraft ist und unabhängig von der Mietpreisbremse auch nach wie vor gilt.

Mietspiegel regelt nur bestehende Vertagsverhältnisse

Der Spiegel liefert nicht nur einen Überblick über die gängigen Preise, sondern gibt auch einen Deckel für Mieterhöhungen bei laufenden Verträgen vor. Bestandsmieten dürfen innerhalb von drei Jahren um maximal 20 Prozent erhöht werden. Außerdem dürfen Mieter eine Erhöhung ablehnen, wenn sie über der im Spiegel bestimmten ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.

Doch bei Neuvermietungen sind seit Anfang Juni keine Grenzen mehr gesetzt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Fischer sieht deshalb „Gewitterwolken auf dem Mietmarkt aufziehen“. Er fürchtet, Vermieter könnten Notlagen schamlos ausnutzen. Die Mietpreisbremse sei ein „Schutzschirm für die Menschen in Rastatt“ gewesen.

Er warnt, dass sich die Entwicklung langfristig auch negativ auf den Mietspiegel und damit auf bestehende Verträge auswirken könnten. Ein starker Anstieg bei den Preisen für Neuvermietungen werde sich auch auf die ortsüblichen Vergleichswerte auswirken. „Das ist ein Teufelskreis“, sagt Fischer.

So ganz erschlossen hat sich das uns nicht
Heike Dießelberg, Pressesprecherin Stadt Rastatt

Die Stadtverwaltung sieht die Situation dagegen gelassen. Pressesprecherin Heike Dießelberg erklärt: „Wir haben auf die Entscheidung des Landes keinen Einfluss gehabt.“ Als die Mietpreisbremse 2015 eingeführt wurde, habe die Regierung die Stadt im Vorfeld noch in Form von Fragebögen eingebunden. Diesmal habe Stuttgart die Erhebung selbst in die Hand genommen. Vor fünf Jahren sei die Stadt aber überrascht gewesen von der Einschätzung des Landes, dass in Rastatt die Bremse notwendig sei. „So ganz erschlossen hat sich das uns nicht“, sagt Dießelberg.

Auch Hans-Michael Gieske, Leiter des Immobiliencenters der Sparkasse Rastatt-Gernsbach, glaubt nicht, dass es in den kommenden Monaten zu großen Preissprüngen auf dem Rastatter Mietmarkt kommen wird. Die Nachfrage gerade nach Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen sei zwar sehr hoch, er glaubt aber nicht, dass Eigentümer beim Mieterwechsel übertrieben kräftig an der Preisschraube drehen können. Er erwarte wie bislang „moderate Steigungen“.

Wohnungsbaugenossenschaften verweisen auf soziale Verantwortung

Thomas Burkhard, Geschäftsführer der Baugenossenschaft Familienheim sieht dagegen die Gefahr, dass Privatinvestoren den Wegfall der Bremse ausnutzen könnten. Die Nachfrage in Rastatt sei „gewaltig“. Für die Genossenschaft selbst werde sich aber wenig ändern. „Wir haben eine soziale Verantwortung“, sagt Burkhard. Deshalb orientierten sich die Familienheim-Mieten an der unteren Grenze des Mietspiegels.

Ebenso agiert die Baugenossenschaft Gartenstadt. Deren Geschäftsführer Oliver Krause sieht „in Rastatt nicht den Druck wie in Freiburg, Heidelberg oder Karlsruhe.“ Die Durchschnittsmiete liege bei 6,40 Euro pro Quadratmeter – „ein sehr moderates Niveau“. Preise von zwölf oder 14 Euro gäben der Markt nicht her.

SPD vertraut nicht auf Kräfte des Markts und sieht Stadt in der Pflicht

Probleme sieht er trotzdem – und zwar für einen Personenkreis, um den sich auch die SPD sorgt: Menschen, die von einem geringen Einkommen oder staatlichen Hilfen leben müssen. „Im Bereich des Sozialwohnungsbaus haben wir ein Unterangebot.“ Um hier Abhilfe zu schaffen, sieht er die Stadt in der Pflicht.

Auch die SPD will das Feld nicht allein den Kräften des freien Markts überlassen. Sie fordert, dass die Stadt das Thema aufgreift und „ihren Beitrag dazu leistet, dass Normalverdiener sich Wohnen und Leben in Rastatt leisten können“. Dießelberg setzt dagegen: „Wir beteiligen uns daran bereits intensiv.“

Fünf Jahre lang galt in Rastatt die Mietpreisbremse. Jetzt hat sie das Land gelöst. Als die Regierung das Instrument vor fünf Jahren einführte, trat es 68 Städten und Gemeinden in Kraft. Nach der Neuordnung in diesem Jahr sind 31 Kommunen herausgefallen, dafür aber 52 hinzugekommen. Unterm Strich gibt die Mietpreisbremse nun also in einem deutlich größeren Gebiet die Regeln vor – Rastatt gehört aber nicht mehr dazu. Das liegt an den Indikatoren, die das Land zugrunde gelegt hat. Die Mietpreisbremse soll ihre Kraft dort entfalten, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist. Um herauszubekommen, wo das der Fall ist, hat das Land fünf Kriterien angelegt: das Verhältnis von Wohnungsnachfrage zum Wohnungsangebot, die Wohnungsversorgung für Neubürger, das Verhältnis von verfügbarem Nettoeinkommen zur Bruttowarmmiete, die Höhe und Entwicklung der Mieten in den vergangenen Jahren sowie die Differenz zwischen Vergleichsmieten für Bestands- und Neuverträge. Bedarf für die Mietpreisbremse sieht das Land nur in Kommunen, in denen mindestens vier der fünf Faktoren gewisse Schwellenwerte erreichen. Die Stadt Rastatt erreichte nur bei drei Indikatoren die notwendigen Zahlen. Für die Mietpreisbremse ist die Versorgung der Neubürger zu gut und die Differenz zwischen Bestands- und Neumieten zu gering.

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