
Draußen ist es nasskalt, im Saal des ehemaligen Gästehauses „Kreuz“ warm. Dort sind drei Kabinen mit hohen Trennwänden aufgestellt.
Sie bieten zwei Familien aus der Ukraine und einer Frau aus Georgien Unterschlupf – und ein bisschen Privatsphäre. Die Einrichtung: Betten, Schrank, Tisch, Stühle. In der anderen Hälfte des Raums stehen ein Sofa und ein Tisch mit Sitzgelegenheiten für alle. Die Toiletten sind auf dem Gang.

Eine Frau aus Georgien kommt langsam aus ihrer Kabine und will ihre Wasserflasche in den Gemeinschaftskühlschrank stellen. Sie ist erst vor wenigen Tagen in Kuppenheim angekommen und sieht erschöpft aus. Die Verständigung ist schwierig und erfordert viel Geduld.
Ulrike Antonia Sztatecsny, Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte der Stadt Kuppenheim, nutzt dafür ein Übersetzungsprogramm auf ihrem Handy. Yana kommt hinzu. Auch sie ist ein Neuankömmling. Die 18-Jährige ist mit ihrer Familie aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen und froh, in Deutschland zu sein. Dass sie jetzt in einem Saal in der Anschlussunterbringung der Stadt Kuppenheim wohnen muss, macht ihr nichts aus. „Ich fühle mich sicher hier“, sagt sie dankbar.
Wir haben versucht, das Beste daraus zu machen.Ulrike Antonia Sztatecsny
Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte
„Wir haben versucht, das Beste daraus zu machen“, betont Sztatecsny. „Die Leute haben sich arrangiert.“ Die Situation erinnert ein wenig an 2015, als die große Flüchtlingswelle nach Deutschland schwappte und erstmals im „Kreuz“-Saal Pagodenzelte aufgebaut wurden.
Und doch ist es dieses Mal anders: Kein Vergleich zu der drangvollen Enge, die seinerzeit im Saal herrschte, weil in der Not so vielen Menschen auf einmal Obdach geboten werden musste. Damals war das „Kreuz“ noch vom Landratsamt Rastatt angemietet.
Rund 130 Flüchtlinge lebten im Sommer in der Knöpflestadt. Fünf zusätzliche waren für das vierte Quartal 2023 angekündigt, sechs kamen bereits im August. 17 weitere Geflüchtete sind inzwischen eingetroffen. Sie kommen aus der Ukraine, der Türkei, aus Syrien und Georgien.
Die Stadt Kuppenheim bietet aktuell 143 geflüchteten Menschen aus 15 Nationen Obdach. Diese sind auf vier städtische und zehn private Unterkünfte verteilt. Allein 56 wohnen im „Kreuz“. Das Landratsamt habe schon wieder nach weiteren Aufnahmen angefragt, „doch im Moment können wir nur noch vereinzelt aufnehmen“, sagt Sztatecsny.
Die Lage ist schwierig und herausfordernd, aber immer noch beherrschbar.Karsten Mußler
Bürgermeister
Der „Kreuz“-Saal ist zwar genehmigter Bestandteil des Unterbringungskonzepts der Stadt Kuppenheim. Die Unterbringung dort sei aber nur vorübergehend vorgesehen, erläutert Bürgermeister Karsten Mußler (Freie Wähler). Grund für den Engpass sind Baumaßnahmen in einem Teil des Hauses. Daher stehen momentan acht Plätze nicht zur Verfügung. Mußler: „Die Lage ist schwierig und herausfordernd, aber immer noch beherrschbar.“
Die Betonung liegt dabei auf noch. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen bis Ende März kommenden Jahres 14 Personen neu aufgenommen werden. Aber: Die Entwicklung ist dynamisch, die Zahlen ändern sich schnell. „Es gibt keine Planungssicherheit. Das macht uns das Leben auch so schwer“, sagt Mußler.
Kuppenheim ist kein Einzelfall. Die Aufnahmekapazitäten sind in den meisten Kommunen erschöpft, sagt das Landratsamt Rastatt auf Nachfrage dieser Redaktion. Durch die gute Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Kommunen gelinge es jedoch noch, Unterbringungsplätze zu aktivieren. Allerdings werde es immer schwieriger, diese Aufgabe zu bewältigen.
Integrationsbeauftragte Sztatecsny hofft, dass sich die Situation im „Kreuz“ in nächster Zeit etwas entspannen wird: Geflüchtete aus einer anderen Unterkunft der Stadt haben eine Wohnung gefunden und können somit aus der Anschlussunterbringung ausziehen. Damit werden Plätze frei – für die beiden Familien aus dem Saal.
Außerdem hofft Sztatecsny auch weiterhin auf private Vermieter. In der Vergangenheit hätten Kuppenheimer Bereitschaft gezeigt, Wohnungen vor allem an Ukrainer zu vermieten. „Das hat uns sehr geholfen.“

Bei der Diskussion um die Unterbringungskonzeption hatte die Stadt Kuppenheim in der Vergangenheit auch die Wörtelhalle in Erwägung gezogen. Die Freiwillige Feuerwehr nutzte den einstigen Kulturtempel als Provisorium, bis das Feuerwehrgerätehaus erweitert und saniert war. Im Sommer haben die Floriansjünger die Wörtelhalle wieder geräumt.
Eine Unterbringung von Geflüchteten in der Wörtelhalle ist aufgrund der Sicherheitsvorschriften (Brandschutz unter anderem) nicht möglich, sagt der Bürgermeister. Auch wären Baumaßnahmen erforderlich, die Mußler in einem Bereich von gut 100.000 Euro ansiedelt. Die Stadt habe aber auch noch andere Prioritäten.
Neubau beim Soccer Palace bisher nur eine Überlegung
Alternativ gab es Überlegungen, eventuell auf dem städtischen Grundstück beim Soccer Palace eine Unterbringungsmöglichkeit zu schaffen. Nicht nur Flüchtlinge könnten dort unterkommen, sondern auch Sozialwohnungen geschaffen werden.
Die Stadt Kuppenheim hat hier großen Bedarf. Die städtischen Wohnungen sind laut Mußler ständig belegt. Doch ob, wann und in welcher Form (auch von einer Containerlösung war schon mal die Rede) diese Idee weiterverfolgt wird, ist derzeit völlig unklar. Mußler: „Wir können dazu noch keine endgültige Antwort geben.“
Wörtelhalle in Kuppenheim wird im kommenden Jahr abgerissen
Derweil wird bereits eine andere Maßnahme vorbereitet: Die Wörtelhalle soll abgerissen werden. „Im November/Dezember werden wir voraussichtlich den Abbruch in Auftrag geben“, sagt Mußler.
Der Abbruch soll dann im ersten Quartal 2024 erfolgen. Die mobile Leichtbauhalle bei der Wörtelhalle, die der Feuerwehr im Provisorium als Garage diente, hat die Stadt inzwischen verkauft – für 67.000 Euro nach Baden-Baden.