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Endgültiger Umzug nach Hamburg

Kuppenheimer Künstler Paul Sachse: „Wenn meine Kunst keine Diskussion auslöst, hat sie ihr Ziel verfehlt“

Der Betrachter soll Stellung beziehen, das ist das Ziel des Kuppenheimer Künstlers Paul Sachse. Nicht selten provozierte er auch mit seinen Werken. So sorgte einst die „Kuppener Waschschüssel“ für einen regelrechten Eklat.

Paul Sachse im Garten seines Elternhauses in Kuppenheim
Lieblingsort: Die Abende mit seiner Frau im Garten seines Elternhauses in Kuppenheim wird Paul Sachse in Hamburg vermissen. Foto: Hans-Jürgen Collet

Es ist Zeit zu gehen, findet Paul Sachse. Die Umzugskartons in seinem Elternhaus in Kuppenheim sind gepackt, die Immobilie ist verkauft. Vor zwölf Jahren kam er zurück ins Badner Land, um dort seinen Ruhestand zu verbringen. Doch Murg und Rhein sind eben nicht die Elbe und die Frachter nicht so groß wie die Pötte im Hamburger Hafen.

Sein Fischbrötchen könnte Sachse zwar auch beim Zollhaus-Kiosk an der Rheinfähre Neuburgweier essen, aber eben nicht das mit Bismarckhering. Die Nähe des Meeres und die Freiheit der scheinbar unendlichen Weite hat der Künstler in Kuppenheim all die Jahre vermisst.

Stillstand ist nicht sein Ding. Sachse beschreibt sein Leben vielmehr als regelmäßige Wiedergeburt seiner selbst: „Man muss immer wieder nachdenken, was man anders und besser machen kann. Man muss sich immer wieder neu entwickeln.“ Nach seinem Umzug von Kuppenheim nach Hamburg vor knapp 52 Jahren, seiner Rückkehr und nun seinem endgültigen Abschied von der badischen Heimat wird er in Grünendeich im Alten Land, westlich von Hamburg und direkt an der Elbe, zum dritten Mal neugeboren.

Kuppenheimer suchte seine Freiheit in Hamburg

Nach seiner Ausbildung zum Dekorateur in Baden-Baden zog es den heute 71-Jährigen in die Ferne. Als er mit 20 Jahren nach Hamburg kam, erlitt der Kuppenheimer einen regelrechten Kulturschock. „Am Anfang war es ziemlich hart. Ich habe dörflich gedacht und Badisch geschwätzt“, sagt Sachse.

In Hamburg könne er frei sein, dachte sich der junge Mann. „In meinem Heimatdorf ist es mir immer auf den Wecker gegangen, dass mich alle kontrolliert haben.“ Sachse trug geblümte Hosen, schließlich war ja Hippie-Zeit. „Da hieß es natürlich: Ja was sollen die Leute sagen, wenn du mit dem Schlafanzug durch die Gegend läufst?“

In Hamburg konnte er frei sein, sich verrückt anziehen und sich „die Haare bis zum Hintern wachsen lassen“. Interessiert habe das niemanden. Da merkte Sachse, dass die Hamburger Freiheit nichts mit Toleranz zu tun hatte: „Ich war frei, weil ich den Leuten völlig egal war.“

Doch er blieb. Dekorierte die Schaufenster eines noblen Schuhgeschäfts, studierte Sozialpädagogik, arbeitete mit Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten, bildete dann selbst Erzieher aus, unterrichtete schließlich als Kunstlehrer an einem Gymnasium.

Ich war frei, weil ich den Leuten völlig egal war.
Paul Sachse / Künstler aus Kuppenheim

In Hamburg lernte er seine Frau kennen. Dort kam sein Sohn zur Welt und er gründete eine Rockband. Seine Freiheit fand er im Gefühl, jederzeit auf einem der großen Schiffe im Hamburger Hafen den Sorgen des Alltags entfliehen zu können.

Als Pensionär sehnte er sich dann nach Ruhe. Der „quirlige Topf“ Hamburg-Altona ganz in der Nähe der Reeperbahn war dafür nicht mehr der richtige Ort. Nach 40 Jahren war es Zeit zu gehen.

Nach 40 Jahren Rückkehr in die Heimat

Mit 60 Jahren verließ Sachse seine Wahlheimat, kehrte dorthin zurück, wo er herkam. Aus dem Dorf Kuppenheim ist eine Stadt geworden. Auf der Wiese, die sein Elternhaus früher umgab, stehen jetzt Häuser. „Früher hatten alle Leute Landwirtschaft“, erinnert sich Sachse. Heute sind die Höfe zu Wohnhäusern umfunktioniert. Doch auch diesmal blieb Sachse. Zusammen mit seiner Frau renovierte er sein Elternhaus, kümmerte sich um seine Mutter und hatte endlich wieder Zeit, sich der Malerei zu widmen.

Wenn meine Kunst keine Diskussion auslöst, hat sie ihr Ziel verfehlt!
Paul Sachse / Künstler aus Kuppenheim

Manchmal malte er ein Viertel Jahr lang an einem Ölbild. Zwei Bilderbücher, zahlreiche Aktzeichnungen, Porträts, Landschaftsbilder der Rheinauen, religionskritische und politische Bilder entstanden in den vergangenen zwölf Jahren. In der Städtischen Galerie Fruchthalle in Rastatt und in der Pagodenburg waren seine Bilder immer wieder ausgestellt. Heute sagt Sachse: „Mit Kunst kann man ganz selten etwas verändern.“

Die Provokation aber will er nicht missen. Den Betrachter will Sachse zur Stellungnahme zwingen. Der gebürtige Kuppenheimer ist überzeugt: „Wenn meine Kunst keine Diskussion auslöst, hat sie ihr Ziel verfehlt.“ Mit seinem Werk „Kuppener Waschschüssel“, einer Kritik am Kuppenheimer Gemeinderat für dessen Umgang im Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, sorgte Sachse für einen regelrechten Eklat.

Auch das Bild mit dem Titel „Selbstgeburt“, das seine eigene Geburt als erwachsenen Mann zeigt, stieß nicht gerade auf Gegenliebe.

Vor einem Altar mit Stacheldraht und dem Bild eines Leichenhaufens steht eine Waschschüssel mit einem weißen Handtuch.
Eklat: Mit seinem Werk „Kuppener Waschschüssel“ klagte Paul Sachse den Gemeinderat in Kuppenheim an, den im Holocaust ermordeten Juden nicht angemessen zu gedenken. Foto: Paul Sachse / privat

Sachse ist kein Künstler, dessen Bilder in der Wohnstube oder hinter dem Managerschreibtisch hängen. Und doch schafft es hin und wieder ein Bild von ihm an eine Wand. So etwa ein Porträt von Wolfgang Peitz, dem ehemaligen Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, das dieser in der von ihm gegründeten Sibylla-Augusta-Buchhandlung in Rastatt aufhängte. „Das war natürlich toll, dass er sich von mir getroffen fühlte. Da fühlte ich mich geehrt.“

Zusammen mit seiner Frau wird Sachse nun sein „sehr schönes, nachdenkliches, literarisches und künstlerisches Leben“ an der Elbe fortführen. Hamburger Platt hat den badischen Dialekt überlagert. Die Hansestadt ist für ihn zur Herzensheimat geworden. Seine Arbeiten an einem Kinderbuch wird er dort fortsetzen.

Eingesprochen ist es bereits von der bekannten deutschen Filmschauspielerin Hannelore Hoger. Kuppenheim will Sachse aber nicht gänzlich den Rücken kehren. Schon Ende März will er wiederkommen, zur Skatrunde bei Wein und gutem Essen mit Freunden.

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