Das Bundessozialgericht (BSG) hat Anfang November eine Entscheidung zum Kurzarbeitergeld getroffen, die Auswirkungen auf alle in Deutschland arbeitenden französischen Grenzgänger haben könnte.
Das Gericht verwarf die bisherige Praxis der Bundesagentur für Arbeit bei der Berechnung der Lohnersatzleistung und kippte damit die Benachteiligung der Grenzpendler. Bislang setzt die Agentur bei der Ermittlung des Kurzarbeitergeldes bei Grenzgängern einen fiktiven Lohnsteuerabzug an.
Bundessozialgericht kippt Benachteiligung der Grenzpendler
Wie viele Beschäftigte im Bereich der Agentur für Arbeit Karlsruhe/Rastatt davon betroffen sind, lässt sich nach Auskunft von Pressesprecher Benjamin Gondro nicht sagen. „Uns liegt dazu keine statistische Auswertung vor, weil wir die Ersatzleistung ja nicht den Arbeitnehmern, sondern den Arbeitgebern auszahlen.“
Bodo Seiler, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Gaggenau, schätzt, dass der Kreis der Betroffenen in der Region rund 1.000 Beschäftigte umfasst. Gemeint sind all jene Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten und in Frankreich wohnen. Seit der Pandemie und der Zunahme von Kurzarbeit mussten sie Abzüge für eine fiktive deutsche Lohnsteuer akzeptieren und ihr Kurzarbeitergeld in Frankreich versteuern.
1.000 Beschäftigte sind in der Region laut IG Metall betroffen
Anders als im deutschen Steuerrecht ist das Kurzarbeitergeld nach französischem Steuerrecht nicht steuerfrei, sondern lohnsteuerpflichtig. Weil Grenzgänger ihre in Deutschland nettoberechnete Ersatzleistung in Frankreich nochmal versteuern, spricht Bodo Seiler von einer faktischen Doppelbesteuerung. „Und so sieht das wohl auch das Bundessozialgericht“, so Seiler.
Im Klartext heißt das: Bei in Frankreich lebenden Beschäftigten, die Kurzarbeitergeld aus Deutschland beziehen, verbleibt wegen der Besteuerung in Frankreich ein deutlich geringerer Leistungsbetrag als bei ihren Kollegen, die in Deutschland wohnen. „Der Abzug für Grenzpendler ist nicht begründet und unfair“, betonen betroffene Mitarbeiter aus dem Rastatter Mercedes-Benz-Werk.
„Wir hatten uns schon vor jeder neuen Ankündigung von Kurzarbeit gefürchtet“, erklären die Pendler. Sie verweisen auf die starken Einbußen, die sie aufgrund der aktuellen Regelung hatten. Viele hoffen jetzt auf „Rückerstattungen – wenigstens für 2021“, wie sie sagen.
Der Abzug für Grenzpendler ist nicht begründet und unfair.Mitarbeiter Mercedes-Benz Rastatt
Bodo Seiler berichtet, dass aktuell noch vieles unklar sei. „Bisher gibt es zum BSG-Urteil nämlich nur einen Terminbericht“, sagt der Gewerkschafter. „Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vollständig vor. Bis eine abschließende und damit rechtssichere Beurteilung möglich ist, dauert es noch eine Weile.“
Doch das Urteil lasse auf ein Ende der faktischen Doppelbesteuerung hoffen, fügt der Zweite IG Metall-Bevollmächtigte hinzu. Er weist dabei auf ein Rechtsgutachten hin, das die Gewerkschaft in Auftrag gegeben hatte. Das sei zum gleichen Schluss gekommen wie das BSG, so Seiler.
Das Bemühen um eine Lösung mit der französischen Staatsregierung blieb ohne Erfolg.Bodo Seiler, IG Metall Gaggenau
Schon vor mehr als einem Jahr hätten sich die IG Metall und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) daher an die Ministerien für Finanzen und für Arbeit und Soziales gewandt. „Sie haben sich um eine Lösung mit der französischen Staatsregierung bemüht – aber leider ohne Erfolg“.
Sobald es Neuigkeiten gibt und rechtssichere Aussagen getroffen werden können, würden die betroffenen Mitarbeiter umfassend informiert, versprach Seiler. Die IG Metall stehe derzeit in einem intensiven Austausch mit der Agentur für Arbeit, dem Arbeitgeberverband und Juristen.
Bis Mitte Dezember soll klar sein, wie es weitergeht
„Über die Verwaltungsausschüsse versuchen wir gerade, die Agentur für Arbeit zur Änderung ihrer Auszahlungspraxis zu bewegen“, berichtet der Gewerkschafter. „Mitte Dezember können wir weiteres dazu sagen. Bis dahin werden wir voraussichtlich wissen, wie es weitergeht und was zu tun ist.“
Im Rastatter Finanzamt sieht man die Sache gelassen. „Mit uns direkt hat das nichts zu tun. Das ist eine rein rechtliche Angelegenheit, bei der es um die Bemessung des Kurzarbeitergeldes geht – und damit um die Frage, wie viel Geld den Grenzgängern letztlich zusteht“, heißt es aus dem Finanzamt, Sachgebiet Umsatz- und Lohnsteuer.