Skip to main content

Ehrenamt

Helfer-vor-Ort-Gruppe in Muggensturm: Louis Maier war in einer Woche bei drei Geburten dabei

Sie eilen zum Unglücksort, meist bevor der Rettungsdienst des DRK eintrifft. Die „Helfer vor Ort“ in Muggensturm haben immer mehr Einsätze. Dafür gibt es Gründe.

Rettungssanitäter mit Notfallkoffer und Auto
Immer gut vorbereitet: Louis Maier leitet die „Helfer-vor-Ort-Gruppe“, die auf ehrenamtlicher Basis bei vielen Einsätzen eine wichtige Funktion in der Rettungskette einnehmen. Foto: Hans-Jürgen Collet

Schreckensbilder wechseln sich ab mit Momenten der Freude und des Glücks. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Louis Maier.

Sein schönster Moment? Da braucht er nicht lange zu überlegen: „Während der Flüchtlingskrise habe ich in Muggensturm innerhalb von einer Woche drei Kinder zur Welt gebracht“, sagt er. Auf der anderen Seite ist er aber auch immer wieder mit grausigen Bildern von schlimmen Unfällen oder Selbstmorden konfrontiert.

Wichtige Funktion in der Rettungskette

Maier ist nicht nur neuer Bereitschaftsleiter des DRK-Kreisverbandes Rastatt, sondern leitet beim DRK-Ortsverein in Muggensturm auch die Gruppe der „Helfer vor Ort (HvO)“. Seit 2009 gibt es dieses Team, das auf ehrenamtlicher Basis den Rettungsdienst des DRK unterstützt. „Wir sind eine der ältesten Gruppen dieser Art im Landkreis“, so Maier.

Sie rücken immer dann aus, wenn gerade kein Fahrzeug des Rettungsdienstes verfügbar oder der Einsatzort durch die Helfer schneller erreichbar ist. Mithin übernehmen sie eine wichtige Funktion in der Rettungskette.

Innerhalb von fünf Minuten können wir in Muggensturm an jedem Ort sein.
Louis Maier , Leiter der HvO-Gruppe

„Innerhalb von fünf Minuten können wir in Muggensturm an jedem Ort sein“, betont Maier, während der Rettungswagen aus Rastatt doch einige Minuten länger unterwegs sei. Die Alarmierung erfolge dabei immer parallel. „Und wir bleiben am Einsatzort, bis der Rettungswagen da ist“, versichert Maier.

Hauptberuflich ist der 28-Jährige Krankenpfleger im Bereich der Intensivmedizin und Anästhesie – bestens geeignet also für den HvO-Einsatz. Aber zu den acht ehrenamtlichen Kräften im Muggensturmer HvO-Team zählen unter anderem auch ein Mitarbeiter der Stadtwerke, des Hauptzollamtes, eine Kinderärztin oder ein Steinmetz. „Sie alle haben die nötige Qualifikation und Sanitätsausbildung“, sagt Maier.

An seinen ersten Einsatz in der Gruppe kann er sich noch bestens erinnern. „Es war ein Überfall auf den Netto-Markt in Muggensturm. Die Kassiererin hatte dabei einen Schock erlitten und sie musste betreut werden.“

Seit Gründung der Gruppe wurden die ehrenamtlichen Helfer zu insgesamt 1.668 Einsätzen vorwiegend in Muggensturm gerufen. Aber auch in den umliegenden Gemeinden sind sie mitunter vor Ort, wenn sie benötigt werden.

Zahl der Einsätze ist deutlich gestiegen

Nach Maiers Einschätzung leisten die Gruppenmitglieder rund 7.000 bis 8.000 Einsatzstunden pro Jahr. Etwa 16 Stunden pro Tag stünden die Helfer vor Ort parat, am Wochenende meist rund um die Uhr in wechselnden Schichten.

Dabei betont Maier, dass diese Art von ehrenamtlichem Engagement nicht unbedingt mit anderen Aufgaben im Ehrenamt vergleichbar ist: „Wir sind ja kein Musikverein, sondern bei uns geht es um Menschenleben.“

Die Zahl der Einsätze im Jahr habe sich zuletzt etwa verdoppelt. Die Tendenz sei weiter steigend. Und warum? „Das hängt mit der demographischen Entwicklung zusammen, unsere Patienten sind im Schnitt 80 Jahre alt“, erklärt Maier.

Aber nicht nur das. Die Hemmschwelle, den Rettungsdienst zu rufen, sei deutlich gesunken: „Das passiert schon, wenn jemand nur Husten oder Schnupfen hat.“ Dennoch müsse vor Ort überprüft werden, wie die Situation ist.

16 Reanimationen im vergangenen Jahr in Muggensturm

Die Ausstattung des fünf Jahre alten Einsatzfahrzeuges der HvO-Gruppe sei dabei durchaus mit dem Inneren eines modernen Rettungswagens vergleichbar, sagt Maier. Die Kosten für Material, Sprit und den Strom der Geräte würden vorwiegend durch Unterstützung der Gemeinde und durch Spenden aufgebracht.

„Je schwerer eine Verletzung, umso teurer wird es“, weiß Maier. Dabei erwähnt er auch die 16 Reanimationen, die im vergangenen Jahr in Muggensturm vorgenommen wurden: „Eine HvO-Gruppe ist teuer, deshalb leistet sie sich auch nicht jeder Ortsverein.“

Die Gruppe hat oft schon Leben gerettet
Johannes Kopp (Bürgermeister)

Maier, der nicht nur seine Arbeit mit höchster Leidenschaft ausübt, beklagt indessen auch den wachsenden Aufwand durch bürokratische Vorgaben, etwa mit detaillierten Dokumentationen, Prüfungen, Qualitätskontrollen und der Sicherung sensibler Daten.

Dazu zählt etwa auch die Beschaffung von digitalen Meldeempfängern, da die bisherigen Geräte aufgrund der zukünftigen verschlüsselten Alarmierung durch die Integrierte Leitstelle Mittelbaden nicht mehr einsatzfähig sind.

Rund 7.500 Euro hatte der Gemeinderat dafür jüngst bewilligt. Bürgermeister Johannes Kopp (SPD) sagt: „Das ist eine äußerst wichtige Gruppe, die oft schon Leben gerettet hat, weil sie so schnell am Ort des Geschehens sein kann und die Helfer alle gut ausgebildet sind.“ Gleichwohl, so Kopp, sei auch zu hoffen, „dass sie nie gebraucht werden“.

Neue ehrenamtliche Kräfte sind willkommen

Dass im Übrigen der Respekt vor Rettungskräften generell schwindet, kann Maier bestätigen: Auch er habe schon körperliche Attacken erlebt.

Dennoch sei die Situation in Muggensturm längst nicht vergleichbar mit den Erfahrungen, die andernorts in eher anonymer Umgebung gemacht werden: „In Muggensturm kennt man sich eben.“

Neue ehrenamtliche Kräfte, die sich der HvO-Gruppe anschließen wollen, seien sehr willkommen, versichert Maier. Und er lässt keinen Zweifel: „Wir sorgen für eine komplette Ausbildung und begleiten jeden vor und nach einem Einsatz, so dass sich nie jemand alleine fühlen muss.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang