Der kleine Stofflöwe sitzt entspannt am Torpfosten. Zuletzt trug er meist noch seine Atemschutzmaske. Jetzt aber verfolgt er das Treiben auf dem Fußballplatz des FV Muggensturm wieder ganz ohne Gesichtsschutz.
Dabei ist das zum Stammpersonal zählende Maskottchen immer, wenn die „Unzähmbaren Löwen“ ihre Trainingseinheiten absolvieren.
Nach monatelanger coronabedingter Zwangspause herrscht bei der Inklusionsmannschaft des FVM wieder allerbeste Stimmung.
Das Tor treffen wir eher selten, die Latte aber schon öfter einmal.Niklas Bandleon, Teammitglied
„Das Team ist motiviert bis in die Haarspitzen“, sagt Trainer Rolf Jägel, der die Mannschaft schon seit 2009 betreut. Ihren Namen – Unzähmbare Löwen – hatten sich die Spieler einst selbst gewählt, weil ihnen diese Bezeichnung so gut gefiel, die eigentlich der Nationalmannschaft Kameruns zugeschrieben wird.
Fast alle der geistig behinderten Spieler aus der Anfangszeit sind auch heute noch dabei. „Die Altersspanne liegt zwischen 14 und 58 Jahren“, erklärt Jägel.
Er weiß, wie schwierig es für seine Jungs und das einzige Mädchen in der 17 Akteure umfassenden Gruppe war, in der langen Coronapause völlig auf Fußball zu verzichten. „Das hat weh getan“, sagt er.
Per WhatsApp und mit regelmäßigen persönlichen Besuchen habe er in der Zeit stets versucht, Kontakt zu seinen Schützlingen zu halten, die teilweise ihr Wohnheim über längere Zeit hinweg nicht verlassen durften.
„Auch an der Klopapier-Challenge haben wir uns beteiligt, bei der Videoclips gedreht wurden, die das Jonglieren mit einer Klopapierrolle zeigten“, verdeutlicht der Trainer, dass die Mannschaft sich zumindest auch ein wenig mit Online-Alternativen beschäftigen konnte.
Mit der Rückkehr auf den grünen Rasen allerdings ist jedem einzelnen Teammitglied anzusehen, welch ein Glücksgefühl es bedeutet, wieder leibhaftig gegen den Ball treten zu dürfen. Und für Jägel ist klar: „Wir bleiben jetzt dauerhaft draußen auf dem Platz, auch über den Winter, die Jungs sind alle abgehärtet.“ Training ist an jedem Samstagvormittag.
Das Team ist motiviert bis in die Haarspitzen.Rolf Jägel, Trainer
Niklas Bandleon gehört schon seit 2008 mit dazu. Er ist Teamsprecher und froh, einen solch erfahrenen Trainer zu haben: „Es ist toll, dass er sich an jedem Wochenende für uns Zeit nimmt.“ Zugleich verdeutlicht Bandleon, dass bei den „Unzähmbaren Löwen“ der Spaß eine herausragende Bedeutung besitzt: „Das Tor treffen wir eher selten, die Latte aber schon öfter einmal“, sagt er mit einem Schmunzeln.
Nico Degler spielte einst in einer regulären Jugendmannschaft beim FC Phönix Durmersheim, gemeinsam mit Jugendlichen ohne Handicap, ehe er zu den „Löwen“ nach Muggensturm wechselte: „Hier bin ich Stammspieler und es gibt einen tollen Zusammenhalt“, sagt er. Zur Stütze des Inklusionsteams zählt überdies Daniel Horst, immer bestens gelaunt und oft als Linienrichter in den unterklassigen Ligen des Fußballbezirks im Einsatz. Nur: „Über Abseits will ich nicht entscheiden, das überlasse ich immer dem Schiedsrichter“, meint er.
Spiel beim PSK Karlsruhe geplant
Nach der langen Coronapause absolvierte das Inklusionsteam Anfang August wieder einen ersten fußballerischen Vergleich auf dem grünen Rasen: Gegen ein Team der Lebenshilfe aus Pirmasens trennte man sich 3:3 – Unentschieden.
Am 12. September steht ein Spiel zum 125-jährigen Bestehen des PSK Karlsruhe zur Eröffnung des dortigen Kunstrasenplatzes in Aussicht.
Ob gewonnen oder verloren wird, spielt bei den unzähmbaren Löwen freilich keine allzu große Rolle. „Es ist bewundernswert, wie sie ihren Fußball leben, ganz ohne Berührungsängste sind und mit jedem ganz unvoreingenommen Kontakt suchen“, schildert Jägel seine Eindrücke.
Und wie sie beim Training ihren 58-jährigen Torhüter Hermann Winter immer mit einem Lächeln im Gesicht ordentlich beschäftigen, bestätigt Jägels Worte.
Als Fanclub auch beim Eishockey in Hügelsheim und Mannheim im Einsatz
Dass auch Jugendfußballer aus FVM-Teams ohne Handicap zeitweise bei den „Unzähmbaren Löwen“ mittrainieren zeige, wie stark die Mannschaft im Vereinsleben der Muggensturmer Fußballer verankert ist.
Die derzeit laufenden Paralympics sind allerdings kein großes Thema. Nico erinnert sich aber daran, dass sie sich auch mal beim Blindenfußball versucht hätten, eine der Sportarten bei den Paralympics: „Das war schon eine besondere Erfahrung“.
Ansonsten ist die muntere Truppe vielfach auch als Fanclub im Einsatz – nicht nur bei der ersten Mannschaft des FVM, sondern etwa auch bei den Eishockeyspielern der Baden-Rhinos in Hügelsheim oder der Adler Mannheim in der SAP-Arena.
Selbst auf das Trainingsgelände der TSG Hoffenheim wurden sie schon eingeladen. Und: Beim Training der Löwen darf ein Spruch nicht fehlen, den sie längst verinnerlicht haben: „Wir sind ein Team“ schallt es dann wie im Chor – wobei jeder sieht, dass dies keine leeren Worte sind.