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Streit um grüne Energie auf Joffre

Nahwärme hat in Rastatt Geschichte

Mit Tippelschritten bewegen sich die Anwohner des Joffre-Areals und die Stadtwerke im Nahwärme-Streit aufeinander zu. Unterdessen bemüht sich der Energieversorger, eine Lanze für das Energiekonzept zu brechen.

Dicke Rohre: Derzeit bauen die Stadtwerke das Nahwärme-Netz in der Plittersdorfer Straße weiter aus. Mittelfristig soll ein ganzer Nahwärmenetz-Ring entstehen.
Dicke Rohre: Derzeit bauen die Stadtwerke das Nahwärme-Netz in der Plittersdorfer Straße weiter aus. Mittelfristig soll ein ganzer Nahwärmenetz-Ring entstehen. Foto: Hans-Jürgen Collet

In den Nahwärme-Streit auf dem Joffre-Areal kommt langsam Bewegung: Nachdem die Stadtwerke den Anwohnern angeboten hatten, die Kosten für die Wartung der Wärmepumpe zu übernehmen, sind jetzt einige Betroffene darauf eingegangen. Darunter auch Familie König, die als Sprecher für die rund 20 unzufriedenen Parteien fungiert und lange zögerte, das Angebot anzunehmen.

olker Bunte, Prokurist der Stadtwerke, war bei der Wartungsaktion dabei, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet. Grundsätzlich sei es angesichts der Sorgen der Familie König ein gutes Zeichen, dass sie die kostenfreie Wartung nun doch gemacht habe. „Von einer inhaltlichen Annäherung zu sprechen, wäre aber weit hergeholt.“

Eine Kommunikation voller Missverständnisse

Was ist das Problem? Familie König und weitere Anwohner der neuen Ludwigvorstadt, wie das Joffre-Gelände inzwischen heißt, klagen über aus ihrer Sicht zu hohe Kosten für die Nahwärme. Da das Gelände nur mit Nahwärme erschlossen ist, fehle ihnen zudem die Möglichkeit, auf günstigere Energieträger umzusteigen.

Außerdem stimmten die Werbeaussagen nicht: Die Nahwärme sei nicht kostengünstig, sondern bedeute für die Familie über die monatliche Wärmerechnung hinaus weitere laufende Kosten für die Wartung und die Übergabestation. Und diese Station sei auch nicht platzsparend, wie von den Stadtwerken beworben.

Aufgrund eines unglücklich formulierten Vertragspassus haben Königs zudem auf eine Solarthermieanlage verzichtet, die sie, wie sich im Nachhinein herausstellte, doch hätten installieren dürfen. Nun rechnet sich diese Investition allerdings nicht mehr.

Wir gehen da an die Grenze des wirtschaftlich Vertretbaren.
Volker Bunte, Prokurist der Stadtwerke

Die Auseinandersetzung zwischen Familie König und den Stadtwerken schwelt schon seit Monaten. Die Stadtwerke hatten bereits eingeräumt, dass der Vertrag „missverständlich formuliert“ gewesen sei. Inzwischen werde ein anderer Vertrag verwendet.

Auch im Streit um die beworbene Wartungsfreiheit ist das Energieunternehmen mittlerweile auf die Anwohner zugegangen und hat kostenfreie Wartungen angeboten. „Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass bei einer Zweitwartung ein ähnliches Angebot gemacht wird“, sagt Bunte.

Ihm und auch Stadtwerke-Chef Olaf Kaspryk sei es wichtig, dass sich die Fronten nicht verhärten. Grundsätzlich sehen sie sich aber in ihrer Strategie bestätigt, die Nahwärme konsequent auszubauen.

Verluste liegen jährlich noch bei mehr als einer halben Million Euro

Vor allem die Bundespolitik, aber auch Land und EU, hätten in den vergangenen Jahren und mit Blick auf die Zukunft die Weichen eindeutig in diese Richtung gestellt. Ab dem Herbst greift etwa das neue Klimaschutzgesetz des Landes, das auch große Kreisstädte und Stadtkreise zu einer kommunalen Wärmeplanung verpflichtet.

„Und wir haben dafür schon viel gemacht“, freut sich Kaspryk. Die Stadtwerke arbeiteten derzeit an einem Klimaschutzkonzept, das in jene von Stadt und Landkreis eingebettet werden soll. Gleichzeitig entstehe ein Nachhaltigkeitskonzept. „Doch wir bewegen uns hier in einem Dreieck aus Ökologie, Ökonomie und Versorgungssicherheit.“ Sprich: Eine gewisse Wirtschaftlichkeit muss vorhanden sein.

Und die gibt es bei der Nahwärme noch nicht. 2018 hat sie noch einen Verlust von 675.000 Euro eingefahren. Und auch 2019 lag das Minus noch bei rund einer halben Million Euro. „Wir gehen da an die Grenze des wirtschaftlich Vertretbaren“, sagt Prokurist Bunte. Theoretisch könnte der Ausbau der Nahwärme jederzeit gestoppt werden.

Dann würde sich das Nahwärmenetz innerhalb von ein bis zwei Jahren rechnen. Doch das Interesse an der grünen Energieform sei groß: Pflegeheime wollen an das Netz angeschlossen werden, ebenso sollen das Hatz- und das Franz-Areal mit Nahwärme versorgt werden, es laufen Gespräch mit dem Land, um das Schloss anzuschließen und der Landkreis will mittelfristig all seine Schulen und Verwaltungsgebäude mit Nahwärme versorgen. „Wir gehen immer in ein Risiko rein, doch wir investieren nicht nur in die Umwelt, sondern auch für die Stadt und die Bürger.“

Anders als Großstädte kann Rastatt nicht auf vorhandene Abwärme zurückgreifen

Schon in den 90er-Jahren haben die Stadtwerke in ein erstes Nahwärmenetz investiert. Es versorgte den Verwaltungssitz und das Schwimmbad sowie einige naheliegende Wohnblöcke. Danach war wegen der hohen Investitionskosten für die notwendigen Leitungen und die Blockheizkraftwerke lange Zeit Ruhe. Anders als viele große Städte kann Rastatt nicht auf vorhandene Industrieabwärme zurückgreifen.

„Da haben wir nur sehr wenig gefunden“, so Kaspryk. „Daher haben wir uns selber auf den Weg gemacht und investiert.“ Mit den entsprechenden Gesetzen, wie beispielsweise dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes, das 2009 in Kraft trat, war die Marschrichtung klar. Das vorhandene Netz rund um die Stadtwerke wurde ausgedehnt. Und als Joffre erschlossen werden sollte, fiel die Entscheidung für Nahwärme und gegen Gas.

Nur mit einer Wärmewende können wir dem Klimawandel begegnen.
Olaf Kaspryk, Geschäftsführer der Stadtwerke

Während der Erschließung lief dann einiges anders als geplant. „Doch das war außerhalb unserer Einflusses“, so Kaspryk. Als endlich klar war, dass mehr kleine Wohneinheiten entstehen und dafür große wegfallen, sei es für ein Umschwenken auf eine andere Versorgung zu spät gewesen. Das war nicht „ganz perfekt“, räumt er ein. Für die Erschließung des ehemaligen Sparkassenakademie-Areals habe man daraus gelernt.

Mittelfristig soll ein großer Nahwärme-Ring entstehen, der es auch für Hauseigentümer interessant macht, über einen Anschluss nachzudenken, wenn sowieso ein neuer Heizkessel gekauft werden müsste. Solche Hausanschlüsse kostengünstig verkaufen zu können, sei die Herausforderung für die Zukunft. Doch die lohne sich, ist Kaspryk überzeugt: „Nur mit einer Wärmewende können wir dem Klimawandel begegnen.“

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