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Gift für Fische

PFC bedroht das Angler-Idyll in Rastatt und Baden-Baden

Giftiges PFC hat die Seen im Landkreis Rastatt und dem Stadtkreis Baden-Baden erreicht. Wenn Jürgen Waldvogel, Vizepräsident des Landesfischereiverbandes, frischen Fisch essen will, dann angelt er ihn eigentlich selbst. Doch genießen kann er diesen nun nicht mehr.

Fischerdämmerung: Das Gift im Grundwasser bedroht die Anglervereine der Region. Im Sandweierer Kühlsee sind die PFC-Grenzwerte in den Fischen bereits weit überschritten.
Fischerdämmerung: Das Gift im Grundwasser bedroht die Anglervereine der Region. Im Sandweierer Kühlsee sind die PFC-Grenzwerte in den Fischen bereits weit überschritten. Foto: Burgi

Wenn Jürgen Waldvogel frischen Fisch essen will, dann geht er zum Markt. Das wäre nicht weiter verwunderlich, wäre Waldvogel nicht leidenschaftlicher Angler, Vizepräsident des Landesfischereiverbandes und Hausherr im idyllisch gelegenen Clubhaus des Angelsportvereins Sandweier. Und als solcher ist er es seit seiner Kindheit gewohnt, den frischen Fisch selbst aus dem See in die Pfanne zu ziehen.

Dort, am Ufer des Kühlsees hinter der Galopprennbahn von Iffezheim, wollte er jetzt eigentlich seinen eben angetretenen Ruhestand genießen. Doch noch bevor die erste Rentenzahlung auf seinem Konto einging, hat giftiges PFC den Baggersee erreicht und den Traum vom Lebensabend an der Angel zerstört. Statt mit wehrhaften Hechten an biegsamen Ruten, setzt sich der passionierte Fischer jetzt mit Perfluoroctansulfonsäure und Perflouroctansäure auseinander.

Fischbestand ist belastet

„Die Fische, die wir im Kühlsee fangen, sind nicht verkehrsfähig. Die Belastung vor allem durch die Chemikalien PFDA und PFOS sind weit über den von den Behörden festgelegten Grenzwerten.“ Das Gift, das schon seit Jahren den Bauern die Ernte versaut, hat die Angler erreicht. In Sandweier ist der Fischbestand hochbelastet.

Gegessen ist für Jürgen Waldvogel der Ruhestand an der Angel.
Gegessen ist für Jürgen Waldvogel der Ruhestand an der Angel. Foto: Weisenburger

Sechs Gramm bis zum Wochenlimit

Von einem kürzlich gefangenen stattlichen Hecht dürfte Waldvogel gerade mal sechs Gramm essen, bis er sein maximales Wochenlimit erreicht hätte. Im benachbarten Iffezheim hofft man noch, dass die vergiftete Grundwasser-Fahne an den Angelgewässern vorbeizieht. Erwischt hat es den Kaltenbach-See im Rastatter Ried. In den Fischen des vom Angelsportverein Ottersdorf bewirtschafteten Sees wurden die Fluorverbindungen bereits nachgewiesen.

Selbst als Katzenfutter dürfte ich nichts an die Nachbarn geben.

„Wir haben Glück, dass unser Lindensee noch nicht betroffen ist“, sagt der Vorsitzende des ASV Ottersdorf, Marc Rull. Solches Glück ist Waldvogel nicht beschieden. Er darf seit einer Verschärfung der Grenzwerte im vergangenen Juli Fische aus dem Sandweierer Kühlsee noch nicht einmal mehr verschenken. „Selbst als Katzenfutter dürfte ich nichts an die Nachbarn geben.“

PFC bedroht Vereinsnachwuchs

Einige über 70-jährige Senioren im Verein machen sich offenbar keine Sorgen um gesundheitsschädliche Spätfolgen der PFC-Belastung und essen weiter, was ihnen an die Angel geht. Doch für die Zukunft des Vereins könnte der Umweltskandal zum Todesstoß werden. „Wir haben derzeit vier Jugendliche im Verein. Ich kann ja nicht guten Gewissens darum werben, dass junge Menschen zu uns kommen, um in einem hochbelasteten See das Angeln zu lernen“, so Waldvogel.

Wir könnten nach Herzenslust angeln, wenn nur dieses Gift nicht wäre.

Jetzt sitzt er am Ufer seines Anglerparadieses, beobachtet Haubentaucher und Kanadagänse. „Wir haben alles richtig gemacht. Der See ist vorbildlich bewirtschaftet, ein herrlicher See mit vielen Fischen. Wir könnten nach Herzenslust angeln, wenn nur dieses Gift nicht wäre.“ Ob er jemals wieder einen selbst gefangenen Fisch aus dem Kühlsee essen wird? „Ich nehme an, in den nächsten zehn bis 20 Jahren wird das eher schwierig.“

Kommentar
Kommentar Foto: N/A

Petri Dank

Der Mensch ist die Krone der Schöpfung und das Ende der Nahrungskette. Das heißt eigentlich nur, dass er die ganze Suppe, die er sich einbrockt, am Ende auch selbst aufessen muss. Ob die Demokratisierung der Fliegerei, die Industrialisierung der Fleischproduktion oder die Müllentsorgung auf dem Acker – die Natur schreibt vielleicht keine schnelle Rechnung für ihre vordergründig kostenfreie Ausbeutung. Am Ende aber muss doch irgendjemand bluten. Oft zunächst Pflanzen und Tiere, Menschen in ärmeren Weltregionen, Asthmatiker, Senioren, Kinder, Landwirte.

Regionales Schicksal

Im Weltmaßstab ist der mittelbadische PFC-Skandal ein Witz. Und die Angler sind beileibe nicht die am schwersten getroffenen Opfer eines Dramas, das Leichtsinn, Dummheit oder Profitgier über die Region gebracht hat. Aber ihr Schicksal zeigt, dass von den Verbrechen an unserer Welt auch jene nicht verschont bleiben, die eigentlich nur brav und geduldig am Ufer stehen wollen, aufs Wasser schauen und hin und wieder einen Fisch an Land ziehen. Die Suppe, die es hier auszulöffeln gilt, hat jeden Grenzwert überschritten.

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