Die Halle im Rastatter Industriegebiet steht noch zum Großteil leer. Eine erste, kleine Maschine steht am Rande des fußballfeldgroßen Raumes. Der Rest der Produktionsanlage fehlt noch. Ab Herbst sollen hier medizinische Schutzmasken produziert werden: von der einfachen OP-Maske bis zu Modellen mit den hohen Filterstandards FFP2 und FFP3.
Sie werden in Kliniken und Arztpraxen gebraucht, sind aber während der Coronavirus-Pandemie knapp geworden. Denn der weltgrößte Produzent China hatte die Ausfuhr gestoppt.
Wichtiges Bauteil stammt aus Karlsbad
„Den Plan, eine eigene Produktion in Rastatt aufzubauen, hatten wir schon vor der Pandemie“, sagt Markus Suppinger, Vertriebsleiter des mittelständischen Schutzausrüstungs-Spezialisten Dach. „Wir wollten eigentlich schon im April mit der Fertigung starten. Doch wegen der enormen Nachfrage kam es bei den Maschinenbauern, mit denen wir zusammenarbeiten, zu Verzögerungen.“
Die Masken werden vollautomatisch im Ultraschallschweiß-Verfahren hergestellt. Lieferant der Gesamtanlage ist ein Maschinenhersteller aus Nordrhein-Westfalen. Ein wichtiges Bauteil stammt vom Ultraschall-Spezialisten Sonotronic aus Karlsbad, der inzwischen auch eigene Masken-Maschinen im Angebot hat.
Den offiziellen Startschuss plant Dach für Mitte Oktober. Sogar Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhält eine Einladung. Der liegt derweil mit anderen Maskenlieferanten im Clinch. Denn sein Ministerium hat im Frühjahr medizinische Schutzmasken im großen Stil eingekauft, will nun aber nicht jede Rechnung bezahlen. Einige der Betroffenen ziehen vor Gericht. Zu ihnen zählt Joachim Lutz aus Offenburg.
Bundesregierung bemängelt gelieferte Masken
Normalerweise verdient Lutz sein Geld mit Oster- und Weihnachtsdekorationen. Die importiert er aus China und verkauft sie an Handelsketten in Deutschland. Mit Medizinprodukten hatte er vor der Corona-Krise nichts zu tun. Doch als das Gesundheitsministerium dringend Lieferanten suchte und einen großzügigen Abnahmepreis versprach, meldete sich der Offenburger und erhielt einen Zuschlag.
Anfang Mai lieferte er 300.000 Atemschutzmasken für 1,6 Millionen Euro. Das Ministerium behauptet nun allerdings, die Ware sei mangelhaft und will vom Kaufvertrag zurücktreten.
Der Pressesprecher des Gesundheitsministeriums sagt zu dem Fall nichts, nennt aber allgemeine Zahlen: So seien im Rahmen des Beschaffungsverfahrens, an dem auch Importeur Lutz teilgenommen hat, rund 232 Millionen FFP2-Masken und etwa 63 Millionen OP-Masken geliefert worden. Der überwiegende Teil der Lieferanten sei vollständig bezahlt worden, einige nur teilweise. Insgesamt seien demnach bereits 852 Millionen Euro an knapp 300 Unternehmen geflossen. Bei 70 Lieferanten, so das Ministerium, sei man allerdings „vollständig von der Lieferung zurückgetreten“.
Joachim Lutz ist laut eigenen Angaben einer dieser 70 Lieferanten. Er bestreitet, dass seine Masken nicht die geforderten Qualitätskriterien erfüllen und hat Klage am Landgericht Bonn eingereicht.
Selbst Werbeagenturen haben medizinische Schutzmasken angeboten
Bei der Firma Dach wundert man sich über solche Streitfälle nicht. „Der Bund hat in seiner Not alle Unternehmen als Lieferanten zugelassen, unabhängig von ihrer Erfahrung. Da waren selbst Werbeagenturen darunter“, sagt Vertriebsleiter Suppinger. „Als diese fachfremden Firmen gemerkt haben, dass es nicht so einfach ist, die für Medizinprodukte notwendige Zertifizierung zu erhalten, haben sie teilweise bei uns gefragt, ob wir ihnen helfen können.“
Doch das Lager im 2018 eröffneten Firmengebäude in Rastatt war zu dieser Zeit leer. „Alles, was bei uns reinkam, ging sofort wieder raus“, erinnert sich Suppinger. „Das war schon eine verrückte Zeit.“ Inzwischen kommen die Lieferungen aus China wieder regelmäßig an. Die Hochregallager sind gut gefüllt. Und sobald die eigene Produktionsanlage in Betrieb geht, kommt der Nachschub auch auf sehr kurzem Weg.
Wir hoffen, dass die Einkäufer der Kliniken künftig nicht mehr nur auf den Preis achten.Markus Suppinger, Vertriebsleiter Dach Schutzbekleidung
Auf Lieferanten aus China wird Dach dennoch weiterhin angewiesen sein. „Wir versuchen unabhängiger zu werden, aber angesichts des hohen Lohnniveaus in Deutschland und speziell in der Region Rastatt-Bühl können wir nicht ausschließlich auf die eigene Produktion setzen“, sagt Suppinger. Die Masken „Made in Germany“ werden auf jeden Fall teurer als die importierten.
Keine Angst vor der Billigkonkurrenz
Hat das schnell gewachsene Unternehmen, das noch zu 100 Prozent in der Hand der Gründerin und Geschäftsführerin Ming Gutsche ist, nicht Angst, nach der Corona-Pandemie auf den teuren Masken sitzen zu bleiben? „Nein“, sagt Manager Suppinger. „Die nächste Pandemie kommt bestimmt. Außerdem merken Ärzte und Pflegekräfte gerade, welche Nachteile Billigprodukte haben. Solche Masken sind oft unbequemer zu tragen, gehen schneller kaputt oder riechen unangenehm. Wir hoffen, dass die Einkäufer der Kliniken künftig nicht mehr nur auf den Preis achten.“
In manchen Fällen erweisen sich aus China importierte Masken sogar als Gesundheitsrisiko. Mehre Modelle, die angeblich den Schutzstandard FFP2 beziehungsweise dessen chinesisches Pendant KN95 erfüllen sollten, mussten im April wegen mangelhafter Filterwirkung zurückgerufen werden. Das Problem war: Über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) waren bereits zahlreiche dieser Modelle an Arztpraxen verteilt worden.
Die KV Baden-Württemberg schob den Schwarzen Peter nach Berlin. Man sei davon ausgegangen, dass das Bundesgesundheitsministerium die Ware getestet habe, hieß es Ende April in einem Rundschreiben an alle Mitglieder. Diese Panne ist wohl auch eine Erklärung dafür, weshalb es Minister Spahn nun auf Millionen-Klagen von Lieferanten ankommen lässt.