Die Frau will anonym bleiben. Dabei gehört sie eigentlich zu den Personen, die derzeit als Helden des Corona-Alltags gefeiert werden. Doch Andrea L. (Name von der Redaktion geändert) empfindet ihren Alltag als wenig ruhmvoll. Sie arbeitet als Reinigungskraft in einem Pflegeheim des Klinikums Mittelbaden.
Andrea L. berichtet von ohnehin schwierigen Bedingungen, die durch das Coronavirus noch deutlich verschärft würden: „Täglich vollbringen wir Höchstleistungen und stoßen an unsere Grenzen.“ Die Klinikleitung betont, dass im Kampf gegen Corona alle Mitarbeiter wichtig seien.
Oft finden nur Sichtreinigungen stattAndrea L., Reinigungskraft in einem Pflegeheim des Klinikums Mittelbaden
Im Gespräch mit dieser Redaktion sieht es L. an der Zeit, „auf die aktuellen Zustände aufmerksam zu machen“. Das Personal sei in den vergangenen Jahren zunehmend abgebaut worden. Als Folge herrsche großer Zeitdruck, der zulasten der Reinigung gehe. „Oft finden nur Sichtreinigungen statt und die massiven Vorgaben drängen uns leider immer mehr dazu, die Hygienemaßstäbe vernachlässigen zu müssen“, sagt L. Die Zuständigkeitsbereiche für den Einzelnen seien zu groß: „Fakt ist: Die Arbeit ist nicht zu schaffen.“
Gebäudereiniger sind seit 2005 bei Tochterunternehmen beschäftigt
Jürgen Jung, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Mittelbaden, widerspricht dieser Darstellung. Er ist auch Chef der Service GmbH, die 2005 gegründet wurde. Bei dem Tochterunternehmen des Klinikums sind rund 350 Beschäftigte angestellt, darunter die Gebäudereiniger. Zuvor waren externe Dienstleister dafür zuständig, in den Kliniken und Pflegeheimen zu reinigen. Bei der Service GmbH werde jede Minute dokumentiert, sagt Jung. Er ist sich sicher: „Die Umfänge sind machbar.“
Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick
Allerdings könne es in der aktuellen Situation zu Engpässen kommen. Wenn Arbeitskräfte ausfielen, weil sie in Quarantäne müssten, sei es schwierig, tagesaktuell Ersatz bereitzustellen. Dadurch sei die Arbeitsbelastung „für viele größer“. Jung ist es wichtig, dass sich niemand ausgegrenzt fühlt.
Bonuszahlungen auch für Reinigungskräfte
Deshalb habe sich das Klinikum entschlossen, die angekündigten Corona-Bonuszahlungen nicht auf das medizinische Personal zu beschränken. Die Mitarbeiter erhalten im März, April und Mai je nach Umfang der Beschäftigung Sonderzahlungen von insgesamt bis zu 1.500 Euro – so auch die Reinigungskräfte.
Wir sind Co-PflegerAndrea L., Reinigungskraft
Andrea L. kann das nicht besänftigen. Seit Jahren würden sie und ihre Kollegen in den Pflegeheimen in der Lohngruppe 1 des Tarifvertrags der Gebäudereinigung arbeiten – für 10,80 Euro brutto pro Stunde. Dabei gehe die Arbeit weit über das Putzen hinaus. Sie helfe bei der Essensausgabe und sei Ansprechpartner für die Patienten. „Wir sind Co-Pfleger“, sagt L.
Die Sonderzahlung empfinde sie nicht als Bonus, sondern als Erschwerniszuschlag für die aktuellen Bedingungen. „Wir arbeiten mit Masken und vermehrt mit hoch konzentrierten Desinfektionsmitteln, die unsere Gesundheit zusätzlich gefährden“, sagt sie.
Für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, sei schwierig. Zuständig für die Gebäudereiniger ist die Gewerkschaft IG Bau, die meisten Klinikum-Mitarbeiter würden aber durch Verdi vertreten. Corinna Huschwar, zuständige Gewerkschaftssekretärin der IG-Bau-Bezirke Nord- und Südbaden, ist sich dieses Problems bewusst. „Die Leute fühlen sich nicht aufgehoben“, sagt sie.
Nicht nur eine Frage des Geldes
Der Tarifvertrag für die Gebäudereiniger sei aber nicht so schlecht. Die Bezahlung liege immerhin „ein bisschen“ über dem gesetzlichen Mindestlohn von 9,35 Euro. Jung verweist außerdem auf Zuschläge, wenn die Beschäftigten in Corona-Bereichen arbeiteten.
Für Andrea L. ist es allerdings nicht nur ein Frage des Geldes. Während Ärzten und Pflegekräften derzeit großer Dank entgegenschlage, werde das Reinigungspersonal öffentlich kaum wahrgenommen: „Dabei müssen wir den Kopf hinhalten.“