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Schloss Favorite

Sommersaison beginnt

Saisonstart im Schloss Favorite in Rastatt: So schön ist das Lustschloss der Markgräfin

In Schloss Favorite beginnt die Sommersaison. Passend zum schönen Wetter werden wieder Führungen durch das Lustschloss der Markgräfin angeboten. Unser Reporter hat eine Führung begleitet.
5 Minuten
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Wenn das die Markgräfin wüsste! Auf dem Rasen vor ihrem Lustschloss spielt in der Mittagszeit tatsächlich eine Familie Fußball. Keine Frage: Dass das Volk auf diese Weise von ihrem Sommersitz Besitz ergreift, wäre zu Zeiten von Sibylla Augusta von Baden unerwünscht gewesen.

Schloss Favorite
Der Rasen vor Schloss Favorite wird bei herrlichem Frühlingswetter zum Fußballplatz. Foto: Ulrich Coenen

Erst als die Großherzöge 1918 abdanken mussten, wurde das Schloss demokratisiert. Es gehört dem Land Baden-Württemberg und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Im Winter ist das Museum geschlossen und erwacht erst im März wieder zum Leben.

Bitte nichts anfassen!
Fabienne Neumann, Führerin in Schloss Favorite

Wer ins Schloss will, muss an Führungen teilnehmen. Damit die auch stattfinden können, ist der Hausmeister am Sonntag schon früh unterwegs. Während die ersten Spaziergänger ihre Hunde durch den Park Gassi führen, öffnet der Hausmeister die Fensterläden in den Obergeschossen. Kunstlicht gibt es im Schloss nur in wenigen Räumen.

Wenn die Gäste etwas sehen wollen, muss die Sonne hinein strahlen. Auch Fotografen sind schon vor 9 Uhr unterwegs. Die Gartenseite mit der großen Freitreppe hat nämlich nur morgens Licht.

Vom ursprünglichen Barockgarten ist übrigens nichts geblieben. Die Durlacher Linie der Markgrafen hat ihn um 1800 dem Zeitgeschmack entsprechend in einen Landschaftspark umgestaltet.

Hier ist fast alles noch original.
Fabienne Neumann, Führerin in Schloss Favorite

Fabienne Neumann ist auch schon da. Sie gehört seit 2014 zum Team von Staatliche Schlösser und Gärten und bietet neben Favorite auch Führungen in Schloss Rastatt an. „Ich bin gerne in beiden Schlössern unterwegs“, sagt Neumann. „Favorite ist besonders, weil hier fast alles noch original ist. Außerdem ist Favorite ein Frauenschloss.“

Favorite
Enfilade: Korridore waren im Barock unbekannt. Die Räume wurden aneinandergereiht. Foto: Ulrich Coenen

Im Gegensatz zum Residenzschloss in Rastatt hat Markgräfin Sibylla Augusta Favorite erst nach dem Tod ihres Mannes, des berühmten „Türkenlouis“, erbaut. Ihr Hofarchitekt Michael Ludwig Rohrer, den sie in ihrer böhmischen Heimat engagiert hatte, lieferte den Entwurf. Favorite ist Ausdruck der Persönlichkeit der Bauherrin, die das Land für ihren minderjährigen Sohn zwei Jahrzehnte lang sehr erfolgreich regierte.

Schloss Favorite
Prunkschlafzimmer der Markgräfin: Übernachtet hat sie in einem anderen Raum. Hier wurden nur Besucher empfangen. Foto: Ulrich Coenen

Fabienne Neumann ist fasziniert von der Markgräfin, die bereits für Emanzipation stand als dieses Wort im heutigen Sinne noch niemand kannte. Das vermittelt sie auch den Teilnehmern ihrer Führungen.

Ein wenig bedauert sie, dass nur ein Bruchteil der Parkbesucher den Weg ins Schloss findet. „Man kann sich nicht vorstellen, was es innen zu entdecken gibt, wenn man davor steht“, meint sie.

Schloss Favorite
Das Spiegelkabinett im Schloss Favorite hat 313 Spiegel. Foto: Ulrich Coenen

Im Hinblick auf seine Formensprache ist Favorite nämlich sehr konventionell. „Altertümlich“ heißt es in Georg Dehios berühmtem „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“; von einem „behäbigen Äußeren“ ist gar die Rede.

Das wird durch den Grottenputz bestimmt, der ein wenig aussieht wie moderner Waschbeton. Die Kieselsteinoptik wurde im Barock eigentlich nur für Architekturstaffagen in Gärten und für die Innendekoration eingesetzt. Rohrer hat damit alle Fassaden des Schlosses überzogen.

Schauküche: Sie diente nur der Repräsentation. Gekocht wurde in einem anderen Raum.
Schauküche: Sie diente nur der Repräsentation. Gekocht wurde in einem anderen Raum. Führerin Fabienne Neumann erklärt die Ausstattung. Foto: Ulrich Coenen

„Bitte nichts anfassen“, sagt Fabienne Neumann, direkt nachdem sie mit der ersten Gruppe das Schloss betreten hat. Sie hat Angst um die einmalige Ausstattung und warnt die Besucher vor den Gefahren, die einer 300 Jahre alten Seidentapete durch Schweiß an den Fingern droht.

Schloss Favorite
Sala terrana: Der Gartensaal ist bei Führungen ein beliebtes Fotomotiv. Immer wieder werden Handys gezückt. Im Hintergrund Führerin Fabienne Neumann. Foto: Ulrich Coenen

Neumann verdeutlicht, warum Favorite Porzellanschloss genannt wird. 5.000 Kacheln mit rund 4.000 verschiedenen Motiven gibt es, davon alleine 2.500 in der Sala Terrana, dem zentralen Gartensaal. „Achten Sie auf die großartige Akustik“, sagt die Führerin. Im Barock spielten die Musiker auf der Galerie des zweiten Obergeschosses, während die feine Gesellschaft unten feierte.

Gartensaal von Schloss Favorite
Gartensaal von Schloss Favorite: Blick von der Empore Foto: Ulrich Coenen

Die Vorliebe der Markgräfin für Keramik war gewaltig. Erst 1708 gelang es Johann Friedrich Böttger, in Dresden erstmals in Europa Porzellan herzustellen. Vorher musste es teuer aus China importiert werden. „Die Sammlung des Großvaters bildete den Grundstock für die Markgräfin“, berichtet Neumann.

In ihrem Sommerschloss, das tatsächlich nur in den Sommermonaten bewohnt wurde, trug sie chinesisches und europäischen Porzellan zusammen, auch um mit den wertvollen Stücken zu repräsentieren. Die Porzellansammlung ist im zweiten Obergeschoss des Schlosses zu sehen. Dafür gibt es eine spezielle Führung, die immer sonntags um 14 Uhr angeboten wird.

Freitreppe von Schloss Favorite
Die Freitreppe von Schloss Favorite Foto: Ulrich Coenen

Weil die Gäste immer wieder mit dem Smartphone fotografieren, kommt Fabienne Neumann ein wenig aus dem Zeitplan. Statt 50 dauert der Rundgang durchs Schloss fast 60 Minuten. An der Kasse warten bereits die nächsten Gäste.

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