Skip to main content

Mehr als verdoppelt

Warnung am Rhein: Tigermücke breitet sich „explosionsartig“ aus

Die Tigermücke breitet sich in der Rheinregion besorgniserregend aus. Es drohen mehr Dengue-Fieber-Erkrankungen. Und manche Tigermücken-Eier überwintern in Privatkellern.

ARCHIV - HANDOUT - Eine weibliche Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts), aufgenommen im Jahr 2002. (zu dpa «Wohl keine massenhafte Ausbreitung der Tigermücke in Karlsruhe» vom 20.09.2017) ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung bei vollständiger Nennung der Quelle: Foto: James Gathany/CDC/Centers for Disease Control and Prevention/dpa Foto: James Gathany/CDC/Centers for Disease Control and Prevention/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Tiger unter den Stechmücken: Ihre schwarz-weiße Musterung bescherte der Asiatischen Tigermücke ihren Namen. Sie kann Tropenkrankheiten übertragen und breitet sich am Oberrhein stark aus. Foto: James Gathany/dpa

Sie kann Tropenkrankheiten wie das Dengue-Fieber übertragen und ist daher weit gefürchteter als die Auwald-Schnake: die Asiatische Tigermücke. Der blutsaugende Eindringling breitet sich in der Oberrheinregion „explosionsartig“ aus, wie es die professionellen Schnakenjäger formulieren.

„Die Zahl der Populationen hat sich mehr als verdoppelt“, sagt Xenia Augsten, Biologin und Sprecherin der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS). „Ende 2021 hatten wir sieben, jetzt sind wir bei 16 betroffenen Mitgliedsgemeinden.“

Hinzu kommen fünf weitere Gemeinden – macht insgesamt 21 Tigermücken-Gebiete. Deshalb wollen die Schnakenjäger in der neuen Saison den Kampf gegen die fremde Stechmückenart deutlich verstärken. Darüber berieten die KABS-Wissenschaftlicher und die Vertreter der Mitgliedsgemeinden auch bei ihrer Jahresversammlung in Rastatt.

In Durmersheim ist das Vorkommen großflächiger.
Xenia Augsten, Biologin der KABS

„Es ist notwendig, dass hier schnell gehandelt wird“, betonte KABS-Präsident Hartwig Rihm. Durmersheim und Bühl gehören zu den KABS-Kommunen, in denen Tigermücken im vergangenen Jahr erstmals nachgewiesen wurden.

„In Bühl zum Beispiel sind nur Vorkommen aus zwei Straßenzügen bekannt, aber in Durmersheim ist das Vorkommen großflächiger – dort schlagen wir vor, auf 75 Hektar zu bekämpfen“, erläutert Augsten. Erstmals nachgewiesen wurden die aggressive Tigermücken 2022 unter anderem auch in Kehl und Schwanau.

Und es gibt wahrscheinlich noch mehr betroffene Städte und Dörfer als die bekannten 21. „Wir gehen schon davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt“, räumt Augsten ein.

Der fremde Blutsauger kann West-Nil-Fieber und Zika-Viren verbreiten

Übertragen können die schwarz-weiß gestreiften Stechmücken gefürchtete Tropenkrankheiten wie das Dengue-Fieber oder das West-Nil-Fieber, ebenso Chikungunya- und Gelbfieber-Viren oder das Zika-Virus, das für Schwangere gefährlich ist.

Frisch geschlüpfte Larven sind hierzulande unbelastet – das Problem geht los, wenn ein „Tiger-Moskito“ später einen Menschen sticht und mit dessen Blut auch den Krankheitserreger einsaugt – und dann beim nächsten Piks weitergibt.

„Das Risiko entsteht durch eine Direktinfektion des Tigermücken-Weibchens bei einem infizierten Menschen, der aus einem Reiseland zurückgekehrt ist“, erklärt Biologin Augsten.

Die Eier der unerwünschten Tigermücke dürften in vielen badischen Kellern überwintern – in Blumenkübeln und Untersetzern. „Die Eier benötigen nur in den ersten Tagen höhere Luftfeuchtigkeit“, sagt Augsten.

„Danach können sie auch monatelang in Trockenheit überdauern.“ Sobald im Frühjahr die Blumentöpfe neu bepflanzt und bewässert werden, entwickle sich der ungeschlüpfte Tigermücken-Nachwuchs weiter.

Anders als die Auwald-Schnaken verbreiten sich die ursprünglich tropischen Insekten vor allem in Wohngebieten. Kleinste Wasseransammlungen in Nischen oder Untertöpfen reichen ihnen aus, um ihre Eier abzulegen. Deshalb raten die Schnakenbekämpfer auch dringend dazu, in Haus und Garten solche Mini-Pfützen auszuschütten und eingelagerte Blumengefäße gründlich zu schrubben.

Die KABS-Profis bekämpfen die Tigermücke mit einer fein zerbröselten Form ihres biologischen Schädlingsbekämpfungsmittels Bti (Bacillus thuringiensis israelensis). Der Eiweiß-Wirkstoff zerstört den Verdauungstrakt der Larven.

In Graben-Neudorf zeigt der Kampf gegen den Eindringling schon Erfolg

Dass Schnakenjäger in ihren Wohnvierteln ausschwärmen, darauf müssen sich mehr Bürger als bisher einstellen – falls die betroffenen Gemeinden sich für die erweiterte Bekämpfung entscheiden. Ende März bis Mitte April beginnt in der Regel die Saison, weil dann die erste Generation der Mücken zu schlüpfen droht.

Der Kampf gegen die Plagegeister sei keineswegs aussichtslos, teilte Dirk Reichle, wissenschaftlicher Direktor der KABS, anlässlich des Jahrestreffens mit: „Positive Nachrichten gibt es etwa aus Graben-Neudorf, hier müssen nur noch acht Hektar der ursprünglichen 85 Hektar behandelt werden, der Rest ist inzwischen Tigermücken-frei.“ In Graben-Neudorf nördlich von Karlsruhe wurde die tropische Stechmücke im Jahr 2019 erstmals nachgewiesen.

Der Klimawandel und die langen heißen Sommer begünstigen die Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke. Andere europäische Länder sind noch stärker betroffen. „In Spanien gibt es schon ganzjährig Tigermücken“, berichtete Augsten.

Dort könnten die erwachsenen Tiere aufgrund der höheren Temperaturen und der längeren Tage überwintern, der Fortpflanzungszyklus wird im Winter nicht so gebremst wie im kälteren Deutschland. Unstrittig ist für die KABS-Experten jedoch, dass sich auch hierzulande die Probleme mit der „extrem aggressiven“ Tigermücke weiter verschärfen werden – und Engpässe bei den Schnakenjägern entstehen können.

„Sollten wir ein heißes, aber regenreiches Jahr haben, dann bekämen wir mit der starken Rheinschnaken-Bekämpfung und der Tigermücken-Bekämpfung gleichzeitig ein Personalproblem“, erklärte KABS-Präsident Rihm, der früher lange Bürgermeister von Au am Rhein war.

Eine Aufstockung sei nötig. Mit dem baden-württembergischen Sozialministerium verhandeln die Stechmücken-Experten deshalb darüber, ob das Land als KABS-Mitglied in einen neuen Bereich „Invasive Stechmücken“ investieren will – und damit auch in neues Personal für die Mückenjagd.

nach oben Zurück zum Seitenanfang