„Logistisch ist es schon eine Herausforderung“, sinniert Wolfgang Reiß über Beschaffung und Bereitstellung der über 4 000 Hähnchen, derentwegen in der Murghalle bald wieder Hochbetrieb herrschen wird. Nicht nur der Warenweg, das ganze Drum und Dran ist ein logistisches Räderwerk, in dem ein Teil ins andere greift.
Das war bereits am vergangenen Samstag zu sehen, als rund ein Dutzend Aktive des Schützen- und Kleintierzuchtvereins (SKV) den Aufbau für das 52. Steinmauerner Hähnchenfest einläuteten, das der Grund aller Anstrengungen ist. Die Veranstaltung beginnt am kommenden Samstag. Sie dauert wie immer drei Tage. Hätte Corona nicht zwei Jahre Unterbrechung verursacht, wäre es das 54. Mal.
Die eingespielte Festlogistik braucht Vorlauf. Im März wurden die Gockel bestellt, berichtete Reiß, der seit 16 Jahren Vorsitzender des SKV ist, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Elsässische Genossenschaft liefert das Geflügel
Lieferant ist seit gut 15 Jahren eine elsässische Genossenschaft aus bäuerlichen Betrieben, die zum Teil auch das Futter erzeugen, mit dem sie ihr Geflügel aufziehen. Einen Tag vor Festbeginn, werden die Hähnchen im Kühltransporter angeliefert.
Für den guten Ruf, den sich der SKV mit seiner Festspezialität erworben hat, hält der Vorsitzende und Cheforganisator drei Güte-Kriterien für ausschlaggebend: „erstens gute Fleischqualität“. Dann brauche man „gutes Gewürz“. Vor allem darin sehen viele Stammgäste das Erfolgsgeheimnis der Hähnchen á la Steinmauern.
Diese Gewürze kommen beim Hähnchenfest in Steinmauern zum Einsatz
Bekannt ist, dass es sich um eine Eigenmischung handelt. Die Ingredienzen wurden bislang wie ein Schatz gehütet. Beim Pressetermin zeigt Reiß Erbarmen und lüftet den Schleier, ein bisschen zumindest. Hauptbestandteil, so erfährt man, ist Salz. Pfeffer komme dazu, außerdem Paprika, scharfer und edelsüßer.
Jetzt den Newsletter für Mittelbaden und die Ortenau abonnieren
Wie geht es weiter mit den heruntergekommenen Hotels an der Schwarzwaldhochstraße? Wie sieht die Zukunft aus für die Mitarbeiter von Daimler und Schaeffler? Und was wird aus dem Traditionslokal in meinem Ort?
Die wichtigsten Infos für Mittelbaden und die Ortenau und exklusive Hintergrundberichte: Das liefert der kostenlose BNN-Newsletter jeden Abend direkt in Ihr Postfach. Jetzt anmelden.
Dann noch „ein paar Kleinigkeiten“ beifügen, fertig ist das Hausgewürz. Was die „Kleinigkeiten“ sind, wird nicht verraten. Ebensowenig werden Gewichtsanteile beziffert. Nur die Gesamtmenge wird mitgeteilt: 70 Kilo Würzung werden fürs Fest gebraucht. Ihre Zusammensetzung habe sich im Laufe der Zeit nur geringfügig geändert.
Heutzutage verwende er „etwas weniger Salz“ als früher, lässt Reiß wissen. Wichtig sei es, das Geflügel mindestens einen Tag vor der Zubereitung zu würzen und zwar gut dosiert von innen. Nebeneffekt der Geschmacksbildung: das Fleisch werde geschmeidig, was man schon beim Aufspießen merke.
Hähnchen drehen sich 75 Minuten bei 320 Grad
Mit Bier einpinseln und außen würzen, das sei passé, erinnert er sich an vergangene Gewohnheiten. Dann komme es noch darauf an, die Hähnchen „lange genug im Grill zu lassen“. In der Murghalle werden zwölf Öfen aufgestellt. In jedem davon können 32 Exemplare aufgespießt werden.
75 Minuten lang drehen sie sich bei 320 Grad gemächlich im Kreis. Richtig getaktet, können, wenn das Räderwerk gut läuft, pro Stunde annähernd 600 halbe Hähnchen serviert werden. Allein in der Grillstraße sind 45 Helfer beschäftigt, verteilt auf drei Schichten täglich.
Insgesamt arbeiten 140 Personen beim Fest mit, jung und alt. Viele davon seien keine SKV-Mitglieder und trotzdem jedes Mal bereit, mitzumachen, hebt Reiß stolz und dankbar hervor.
Der eigentliche Aufbau beginnt diesen Mittwoch. Festbetrieb (mit kleiner Kapelle an zwei Abenden) ist Samstag, Sonntag und Montag jeweils ab 11 Uhr. Gleichzeitig geht der separat platzierte Außer-Haus-Verkauf los, der laut Reiß ungefähr 40 Prozent des Gesamtumsatzes einbringt.
Manche Kunden holen 20 oder 30 Portionen
Es gebe Kunden, die 20 oder gar 30 Portionen abholen, erzählt er beispielsweise von Senioren in einer Nachbargemeinde, denen der Festbesuch zu beschwerlich geworden sei. Stattdessen träfen sie sich daheim in einem Garten zum Hähnchenfest.
Ursprung ist Steinmauerner Hähnchenfestes liegt in Bietigheim
Der Ursprung der SKV-Veranstaltung lag in Bietigheim, taucht der Vorsitzende nebenbei in die Historie. Sein Vater Heinrich Reiß sei von einem Bekannten aus der Hardtgemeinde als Helfer für den Hähnchenstand beim Volksfest gewonnen worden. Das habe bei Reiß senior die Idee reifen lassen, ein Hähnchenfest in seinem Heimatort auf die Beine zu stellen.
Im Juli 1969 ging es beim Schulsportplatz am Kirchweg los, 300 Hähnchen wurden verkauft. Es war eine Ermutigung, die Appetit auf Fortsetzung machte. Beim Bietigheimer Volksfest übrigens werden schon lange keine Gockel mehr kredenzt.