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Ukrainische Flüchtlinge registriert

Chef der Rastatter Tafel: „Wir verzeichnen einen starken Rückgang an Spenden“

Der Geschäftsführer Tafel Torsten Weber sieht schwere Zeiten auf Rastatter Tafel zukommen. Die Arbeit der Hilfsorganisation wird immer schwieriger.

Ein Mann am Schreibtisch
Große Herausforderungen: Torsten Weber ist Chef der Rastatter Tafel. Neben einem Rückgang an Spenden machen seiner Einrichtung die steigenden Energiepreise zu schaffen. Foto: Nora Pallek

Die Tafel Rastatt sammelt pro Jahr mit Hilfe von 80 ehrenamtlichen Helfern Tonnen von Lebensmitteln ein, die sonst in der Mülltonne landen würden, und gibt sie zu Minipreisen an Bedürftige.

Doch die Arbeit der Hilfsorganisation in der Stettiner Straße wird immer schwieriger, nicht zuletzt durch den Ukrainekrieg.

Vor welchen Herausforderungen steht die Tafel aktuell? Könnte ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung für mehr Spenden sorgen oder würde dadurch die Logistik überfordert? Über diese und weitere Fragen sprach unsere Mitarbeiterin Nora Pallek mit dem Geschäftsführer der Tafel Rastatt, Torsten Weber.

Wie gut ist aktuell die Versorgung der Rastatter Tafel mit Lebensmitteln?
Weber

Im Moment verzeichnen wir einen starken Rückgang an Spenden. Wir fahren täglich rund 40 Supermärkte und weitere Partner an. Pro Tour haben unsere Fahrer früher immer drei bis vier Paletten mitgebracht, im Moment kriegen wir gerade noch eine zusammen. Rechnet man die Sonderspenden, die wir sporadisch erhalten, hinzu, so haben wir seit Jahresbeginn rund 50 Prozent weniger Ware bekommen als im Vorjahreszeitraum.

In welchen Bereichen ist das Angebot besonders knapp?
Weber

Momentan fehlt es an Obst, Gemüse und Molkereiprodukten. Wir hätten auch gerne mehr lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis, Zucker, H-Milch, Konserven und Öl. Sehr gefragt sind auch Drogerieartikel, Windeln und Waschmittel. Solche Produkte bekommen wir nur vereinzelt.

Wie erklären Sie sich den Rückgang an Spenden?
Weber

Die Läden können dank leistungsfähigerer Warenwirtschaftssysteme besser disponieren. Das kriegen wir zu spüren. Außerdem gibt es immer mehr Händler, die unschönes Obst und Gemüse selbst in Tüten packen und abverkaufen. Das kann ich zwar verstehen, denn es sind gewinnorientierte Unternehmen. Aber das wird uns natürlich hart treffen, vor allem, da sich die Zahl der Bedürftigen kontinuierlich erhöht.

Wie viele Kunden haben Sie aktuell?
Weber

Pro Woche versorgen wir rund 800 Bedürftige und deren Familien – insgesamt rund 2.400 Menschen. Jede Woche stellen wir etwa zehn neue Ausweise aus, die zum Einkauf bei der Tafel berechtigen. Auffällig ist, dass seit Corona zunehmend auch jüngere Menschen zu uns kommen. Und durch die Flüchtlingswelle aus der Ukraine rechnen wir mit einem noch deutlich größeren Zulauf.

Wie macht sich der Ukrainekrieg bei Ihnen bemerkbar?
Weber

Die ersten Tafelausweise an ukrainische Flüchtlinge haben wir bereits ausgegeben. Das manchen wir ganz unbürokratisch. Die Vorlage eines ukrainischen Passes reicht vorläufig aus. Den Krieg spüren wir aber auch an anderer Stelle sehr dramatisch. Unsere Spritkosten haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr fast verdoppelt. Und auch die Energiekosten sind stark gestiegen. Das trifft uns hart, denn wir verbrauchen pro Jahr 70.000 Kilowattstunden Strom, vor allem für unsere Kühlhäuser.

Wie wollen Sie die zusätzlichen Flüchtlinge versorgen, wenn das Angebot knapp ist?
Weber

Ich kann nur an die Lebensmittelmärkte appellieren, die Tafeln weiterhin zu unterstützen. Manchmal sind die Waren, die für uns bestimmt waren, schon weg, wenn wir kommen, weil sie an private Lebensmittelretter abgegeben wurden. Hier sollte ganz klar das Prinzip „Tafel first“ gelten. Wenn bei uns am Ende des Tages noch Ware übrig ist, geben wir sie gerne an private Initiativen weiter.

Bleibt am Ende des Tages denn bei Ihnen noch etwas übrig?
Weber

Es ist schon so, dass nicht alles, was wir bekommen, für uns verwertbar ist. Nicht verkäufliches Grünzeug geben wir an private Bauern für Viehfutter. Und einmal pro Woche kommen auch die Leute von Foodsharing vorbei.

Wie viele Spenden erhalten Sie pro Jahr?
Weber

Vergangenes Jahr haben wir 3.500 Tonnen an Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs eingesammelt. Das entspricht etwa 4.500 Paletten. Davon haben wir circa 2.300 Paletten an andere Tafeln weitergegeben und den Rest an unsere eigenen Kunden verteilt.

Haben Sie noch weitere Spender?
Weber

Ja. Zum einen werden wir von großen Industriefirmen beliefert. Dann gibt es auch regionale Lebensmittelproduzenten wie Bäckereien und Metzgereien, die an uns spenden. Und nicht zu vergessen sind Privatpersonen, die uns gelegentlich lang haltbare Lebensmittel spenden.

Müssen die Spenden besonderen Anforderungen genügen?
Weber

Das Lebensmittelrecht ist da recht streng. Wir dürfen nur Lebensmittel annehmen, die ein Mindesthaltbarkeitsdatum tragen. Auch die Inhaltsstoffe müssen deklariert sein. Das ist für viele Firmen ein Hinderungsgrund, denn sie müssen die Ware extra verpacken und etikettieren. Aber es gibt solche Firmen, die diesen Aufwand für uns betreiben. Es wäre schön, wenn dieses soziale Engagement Schule machen würde.

Unter welchen Voraussetzungen können Restaurants und Privatpersonen Waren an die Tafel spenden?
Weber

Wir nehmen von allen Seiten Spenden an, sofern das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht erreicht und die Ware originalverpackt ist. Eine Ausnahme bildet Kühl- und Tiefkühlware. Hier darf die Kühlkette nicht unterbrochen sein. Das können wir nur bei gewerblichen Lieferanten sicherstellen, wobei ich bei Restaurants hier keine Bedenken hätte. Trockenware ist auch von privater Seite herzlich willkommen.

Klimaaktivisten haben bei Autobahnblockaden für ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung demonstriert. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir lehnt das mit dem Argument ab, das würde zu einer Überforderung der Tafellogistik führen? Was sagen Sie dazu?
Weber

Ich würde so ein Gesetz begrüßen. Wir können gar nicht genug Lebensmittel bekommen. Die Gefahr, dass wir überschwemmt werden, sehe ich nicht. Die meisten Lebensmittelmärkte spenden ja ohnehin schon an uns. Eine Überforderung unserer Logistik schließe ich aus. In den vergangenen Jahren haben wir ein solch gutes Verteilsystem aufgebaut, dass wir zusätzliche Ware problemlos unterbringen könnten. Wir versorgen ja nicht nur Bedürftige in Rastatt, sondern sind auch Logistikzentrum für 35 weitere Tafeln entlang der Rheinschiene, die nicht so gute Transport- und Lagermöglichkeiten haben wie wir. Unser Logistiksystem wurde auf ganz Baden-Württemberg übertragen, wo es inzwischen vier weitere Tafel-Zentralläger wie unseres gibt. Damit sind wir Vorreiter in Deutschland und beraten inzwischen auch andere Bundesländer.

Wenn Herr Özdemir Ihnen gegenübersäße, was würden Sie ihm sagen?
Weber

Ich würde ihm sagen, dass ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung eine gute Sache wäre. Ich würde ihn aber auch eindringlich bitten, die Produkthaftung bei Lebensmittelspenden an gemeinnützige Einrichtungen zu lockern. Natürlich könnten wir auch direkte staatliche Finanzspritzen gebrauchen, insbesondere um unsere Lager- und Logistikkapazitäten auszubauen, aber auch zur Entlastung bei den Fixkosten wie Entsorgung, Strom und Sprit. Wir würden eine solche Unterstützung aber nur annehmen, wenn den Bedürftigen im Gegenzug nicht die Sozialhilfeleistungen gekürzt würden.

Bisher bekommen Sie also gar kein Geld vom Staat?
Weber

Nein. Nur von der Stadt Rastatt erhalten wir pro Jahr 4.000 Euro für die Entsorgung. Die Stadtwerke spenden 1.000 Euro. Dafür sind wir auch sehr dankbar. Bei den derzeitigen Energiepreisen ist das allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wie schaffen Sie es, über die Runden zu kommen?
Weber

Momentan leben wir noch von unseren Reserven, aber wenn es so weitergeht, kommen harte Zeiten auf uns zu. Wir werden bald an unsere Grenzen stoßen. Wir können auch nicht einfach unsere Preise erhöhen, denn unsere Kunden sind bedürftig. Vielleicht müssen wir einen Lkw stilllegen, wenn die Spritpreise auf diesem Niveau bleiben. Es sei denn, wir schaffen es, regelmäßige Spender zu finden, zum Beispiel in Form von Spritpaten. Mit jedem Euro ist geholfen.

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