Der Rastatter Tierarzt Michael Götz ist als Tier- und Artenschutzbeauftragter des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG) einer der profiliertesten Hühnerexperten in Deutschland.
Ulrich Coenen sprach mit ihm über Hühner im eigenen Garten und die Folgen der Massentierhaltung.
Götz erzählt, wie er sich für die Erhaltung bedrohter Rassen einsetzt und warum Nachbarn einen Hahnenschrei am Morgen nicht überbewerten sollten.
Welches Huhn ist optimal für die Haltung und Selbstversorgung im eigenen Garten?
Michael GötzIch empfehle unbedingt Rassehühner. An denen hat der Halter viel mehr Freude. Sie sind vitaler und gesünder und haben eine deutlich höhere Lebenserwartung. Weil sie nur noch in Hobbyzuchten vermehrt werden, sind sie aber nicht immer verfügbar. Der Interessent muss sich also unter Umständen auch einmal einige Monate gedulden. Hybriden gibt es hingegen an jeder Ecke.
Nun bietet die Industrie neben braunen und weißen Hybriden inzwischen auch hübschere Hühner, die die Farben alter Rassen imitieren. Die werden beispielsweise als Blausperber vermarktet. Was spricht gegen eine solche Kaufentscheidung?
GötzNach wie vor werden die männlichen Hybridküken unmittelbar nach dem Schlüpfen vergast. Für jede Hybridhenne, die ein Privatmann oder ein Ökobauer kauft, muss also ein Hahnenküken auf diese Weise sterben. Außerdem hat das Wirtschaftsgeflügel unabhängig vom Farbschlag große gesundheitliche Probleme.
Wie sehen die aus?
GötzDurch die unnatürlich hohe Legeleistung von rund 300 Eiern pro Jahr wird der Körper der Hybridhennen extrem belastet. Die Tiere können über das Futter nicht so viel Calcium aufnehmen, wie sie zur Knochenbildung benötigen. Das führt zur Osteoporose. Fast jede einjährige Hybridhenne hat Knochenbrüche, vor allem im Brustbeinbereich. Außerdem führt die enorme Legeleistung oft zu Eierstockentzündungen und Bauchwassersucht.
Nun legen Hybridhennen aber deutlich mehr Eier als die alten Rassen.
GötzDas sollte für den privaten Halter keine Rolle spielen. Er kann stattdessen eine Henne mehr im Garten halten. Außerdem sind die Legeleistungen einer ganzen Reihe von alten Rassen durchaus beachtlich. Sundheimer und Deutsche Sperber beispielsweise legen bis zu 180 Eier im Jahr. Während das Hybridhuhn nach ein bis zwei Jahren ausgelaugt ist, darf man von den alten Rassen drei bis vier Jahre Eier erwarten.
Bei den Masthybriden werden männliche und weibliche Tiere gemästet. Geht es denen wirklich besser?
GötzDie Masthybriden werden zum Teil bereits nach drei bis vier Wochen geschlachtet. Sie setzen sehr schnell Gewicht an und können in den letzten Tagen ihres kurzen Lebens häufig nicht mehr laufen.
Das Institut für Tierwissenschaften der Universität Bonn arbeitet an einem Forschungsprojekt für ein neues Zweinutzungshuhn, das sowohl Eier als auch Fleisch liefern soll. Das würde die Tötung der männlichen Küken überflüssig machen.
GötzMit den alten Rassen haben wir bereits Zweinutzungshühner. Allerdings muss man einräumen, dass die Legeleistung bei der Zucht in den drei vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt wurde. Jetzt steuert der BDRG gegen und dokumentiert in einem Zuchtbuch die Legeleistung. Unser wissenschaftlicher Geflügelhof in Rommerskirchen führt jedes Jahr Legeleistungsprüfungen durch. Auch auf die Fleischleistung wird vermehrt geachtet.
Können Sie sich eine Renaissance der alten Rassen in der Wirtschaftsgeflügelhaltung vorstellen?
GötzSelbstverständlich! Das baden-württembergische Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz und die Universität Hohenheim verfolgen aktuell ein Projekt, an dem auch ich beteiligt bin. Das Sundheimer Huhn soll als typische baden-württembergische Zweinutzungsrasse für Ökobauern vermehrt werden. Aktuell ist es nicht möglich, hunderte Sundheimer für die Wirtschaftshaltung auf einmal zu erwerben. Das Forschungsprojekt will diese Rasse im Hinblick auf Eier- und Fleischleistung selektieren, um sie dann an Ökobauern abzugeben.
Wer lieber Hühner im eigenen Garten halten möchte, stößt aber oft auf das Unverständnis seiner Nachbarn.
GötzDas ist leider richtig. Aktuell läuft unter Openpetiton im Internet eine Petition an die Kulturminister der Länder, die ortsübliche Emissionen des Landlebens als kulturelles Erbe schützen will. Dazu gehört auch der Hahnenschrei. Für das Quorum sind 50.000 Unterschriften notwendig, bisher haben rund 31.500 Menschen unterschrieben.
Ist Hühnerhaltung im Garten denn verboten?
GötzDer BDRG hat auf eine Anpassung der Baunutzungsverordnung hingewirkt, so dass Kleintierhaltung in reinen Wohngebieten jetzt grundsätzlich erlaubt ist. Früher war das explizit verboten. Uns geht es dabei vor allem um die Erhaltungszucht bedrohter Rassen. Eigentlich sollte der Nachbar gegen einen Hahn und ein Dutzend Hühner im Garten nichts machen können. Leider legen viele Gerichtsurteile die Baunutzungsverordnung sehr eng aus. Manche Städter ziehen aufs Land und erwarten dort Totenstille. Wenn der Hahn kräht, schalten sie gleich einen Anwalt ein