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Hunderttausende mit Haustieren auf der Flucht

Tierretterin aus Rastatt unterstützt Hilfe im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet

„Manche haben fast nichts mehr außer ihrem Tier“, schildert Tiernotretterin Nicole Dotzauer die schwierige Situation von Ukraine-Flüchtlingen. Der Verein UNA versucht den Menschen sowhl an der polnisch-ukrainischen Grenze als auch nach ihrer Ankunft in Deutschland zu helfen.

Zwei Frauen vor Transporter mit Hund
Mutter und Tochter gemeinsam im Einsatz: Wann immer es geht, begleitet die 14-jährige Melissa ihre Mutter Nicole Dotzauer (von rechts). Foto: Nicole Dotzauer

Als Nicole Dotzauer aus Ottersdorf vor gut einem halben Jahr beim Verein UNA Union für das Leben ihre Ausbildung zur Tiernotretterin begonnen hat, ahnte sie nicht, dass es zu ihren ersten eigenständigen Einsätzen gehören wird, Hunde von ihren Frauchen wegzuholen. Und das, obwohl die nichts lieber täten als sich selbst um ihre Schützlinge zu kümmern. Doch seit Millionen Ukrainer auf der Flucht sind, ist das traurige Wirklichkeit.

Davor gab es schon genug aufregende Einsätze für die Tierretterin Dotzauer, die auch Wildtiere behandelt und transportiert. So wurde sie manchmal von der Polizei zu einem Unfall gerufen, wenn eine Katze beteiligt war. Wann immer es geht, fährt die 14-jährige Tochter Melissa mit, die zusammen mit ihrer Mutter die Ausbildungen machte.

Die neuerlichen Einsätze in der Erstaufnahme für die Geflüchteten aus der Ukraine haben ihren ganz besonderen Schrecken. „Das ist sehr schwer für alle. Manche haben fast nichts mehr außer ihrem Tier. Und dann kommen wir, noch dazu in Uniform, und nehme es ihnen weg“, so Nicole Dotzauer.

Dann versuchten sie, zu erklären, dass in der Erstaufnahme keine Tiere wohnen dürfen. Die Tiere würden aber für sie in einem Tierheim versorgt bis die Ukrainer sie wieder zu sich nehmen könnten. Oft hat das das Tierheim in Daxlanden übernommen, wo es auch Pflegestellen gibt und das nach einer Quarantäne-Zeit für die häufig fehlende Tollwut-Impfung sorgt.

Ukrainer mit hunderttausenden Tieren auf der Flucht

Tränen gab es meist trotzdem. Laut einer Schätzung des ZDF Morgenmagazins führten rund zehn Prozent der Flüchtlinge an der polnisch-ukrainischen Grenze Haustiere mit sich. Uwe Lässig, erster Vorsitzender der UNA und Berufstierretter geht von deutlich weniger aus. Bei Millionen Flüchtlingen wären dennoch Hunderttausende von Hunden, Katzen und Kleintieren mit auf der Flucht.

Verlässliche Zahlen gibt es kaum, stattdessen die wiederkehrende Erkenntnis, dass viele dieser Menschen nicht ohne ihre Tiere gegangen wären. Sie seien doch Familie, so ein Junge, der seine Kaninchen im Gepäck hatte. Dass die Vierbeiner auch den Menschen oft die Weiterreise und Unterbringung erschwerten, nehmen sie in Kauf.

Manche haben fast nichts mehr außer ihrem Tier.
Nicole Dotzauer, Tiernotretterin

Lässig erfuhr von dem Dilemma bereits wenige Tage nach Beginn der Auseinandersetzungen und mobilisierte alle verfügbaren Kräfte. Seit dem 5. März haben er und sein Team schon vier große Konvois ins Kriegsgebiet und nach Polen gebracht, um gemeinsam mit Partnern Tierheime in der Ukraine und in Polen zu erreichen, in denen gerade Tausende von Tieren mit Betreuern teils ohne ausreichende Versorgung ausharren.

Für diesen Freitag ist eine weitere Fahrt mit sechs oder sieben Fahrzeugen geplant. Für die Kosten für Benzin und Verpflegung der Passagiere nutzt die UNA Spendengelder. Seit zwei Wochen sammeln Mitglieder wie Nicole Dotzauer dafür. Dieses Mal werden vor allem Medikamente und Nahrung für Mensch und Tier benötigt.

Am Dienstag und Mittwoch hat sie wieder ehrenamtlich in der Stadtwache in Karlsruhe geholfen, Spenden anzunehmen. Zu Beginn sammelte sie auch privat in Rastatt. Dreimal hatte sie ihr Auto auf dem Weg nach Karlsruhe voll bis unters Dach. „Eigentlich hätte ich dieses Mal in die Ukraine mitfahren sollen“, erklärt die Mutter von drei Kindern. Doch sie war sich nicht sicher, ob sie ertrage, das Leid auch mit eigenen Augen zu sehen: Menschen, die tagelang an der Grenze standen bis zur völligen Erschöpfung, frierend mit ihren Kinder, den Tieren.

Rastatter Tierretter nehmen Menschen und Tiere von der Grenze mit

„Die Tiere dürfen nicht in die Reisebusse rein“, erzählt Dotzauer. Als jemand seinen Hund nicht zurücklassen wollte, sollte dieser ins Gepäckfach. „Bei minus neun Grad hätte er keine Stunde überlebt“, so Lässig. Er und sein Team griffen ein. Allein im Februar wurden bereits rund 1.200 aufgegebene Tiere in Tierheimen entlang der Grenzstrecke aufgenommen. Wenn deren Quarantäne vorüber ist, geht es an die Umverteilung.

Und dann gäbe es eben auch Leute, die einfach nicht einstiegen, wenn ihr Tier nicht mitkönne. Darum hat UNA von Anfang an auch Menschen – und Tiere – mit zurückgenommen. Bei der ersten Fahrt waren es bereit 15 Personen, nun sollten es 25 werden.

Nicole Dotzauer Aufgabe indessen wird es sein, den Ukraine-Helfern der UNA den Rücken freizuhalten. Mit einer Kollegin in Calw wird sie vier Tage lang den Tierrettungsdienst im Kreis Karlsruhe und Rastatt aufrechterhalten und durchgängig in Rufbereitschaft sein über die Leitstelle, bis die Berufstierretter wieder zurück sind. Dotzauer: „Ab Freitag, ach, nee, ab Donnerstag. Die müssen ja auch mal vorher schlafen.“

Spenden-Kontakt



Wer Materielles spenden möchte, findet alle notwendigen Informationen unter Tierrettungsdienst.eu/aktuelles/. Geldspenden sind per Paypal an kontakt@tierrettungsdienst.eu möglich. Außerdem werden über die Ukraine-Sondertelefonnummer (0 17 6) 19 52 95 01 und -07 Angebote für kostenlose Unterkünfte (bundesweit) registriert. Auch Freiwillige, die mitfahren möchten und entsprechend große Fahrzeuge zur Verfügung haben, können sich dort melden.

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