Seit dem 1. Januar 2019 ist das Martha-Jäger-Haus an der Herrenstraße 40 nicht mehr das Senioren- und Pflegeheim der Stadt Rastatt, sondern eine Pflegeeinrichtung des Klinikums Mittelbaden. Vor zwei Jahren wurde ein Pachtvertrag bis 2024 unterzeichnet. Seit der Betriebsversammlung vor rund drei Wochen rumort es hinter den Kulissen. Belegschaft und Bewohner sind verunsichert. Grund: Nach Informationen dieser Zeitung will sich das Klinikum Mittelbaden im nächsten Jahr aus der Betriebsträgerschaft für die Einrichtung zurückziehen. Aktuell werden dort 115 Senioren von rund 150 Mitarbeiterinnen gepflegt, versorgt und betreut.
Jürgen Jung, scheidender kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Mittelbaden, bestätigte auf Anfrage, dass der Betrieb im Altbau viel schneller eingestellt werden müsse als ursprünglich geplant. Eigentlich sah die Weiterentwicklung des Martha-Jäger-Hauses vor, dass die Einrichtung 2024 baulich in die Zukunft geführt werden soll und bis 2021 Vorschläge zu den notwendigen Maßnahmen unterbreitet werden, wie Jung sagt.
Alternative in der Innenstadt von Rastatt?
Schon 2019 habe sich allerdings im Zuge „eigener Betrachtungen und Kontrollen“ herausgestellt, dass die Baustruktur des städtischen Gebäudes einen „maximalen Sanierungsbedarf“ aufweise. Vor allem der Altbau sei „noch heftiger betroffen als wir erwartet hatten“, eine Sanierung während des laufenden Betriebs sei nicht möglich, betont Jung. „Uns war rasch klar: Man kann hier mit einer Sanierung keinesfalls bis 2024 warten. Wir benötigen ein Rückzugskonzept. Deshalb haben wir mit der Stadt Rastatt vereinbart, dass wir das Haus jetzt Schritt für Schritt leerlaufen lassen und nächstes Jahr eine Alternative anbieten“, berichtet Jung. Die Anzahl der Pflegegäste sei bereits um 41 Personen reduziert worden. Platz sei für 156 Personen.
Im Altbau, „in dem sich gerade in Corona-Zeiten das Abstandhalten als eine besondere Herausforderung erwiesen hat“, sei nur noch der Bereich im Erdgeschoss in Betrieb. Die tägliche Arbeit in dem Senioren- und Pflegeheim konzentriere sich zunehmend auf den Neubau.
Inzwischen laufen Jungs Aussage zufolge bereits Gespräche mit dem Träger des zentral in der Innenstadt gelegenen, künftigen Pflegeheims auf dem Hatz-Areal, die seiner Aussage zufolge schon weit gediehen sind. „Dort stehen 71 Einzelzimmer zur Verfügung. Im Martha-Jäger-Haus werden wir jetzt so lange niemanden mehr aufnehmen, bis genau diese Zahl erreicht ist“, sagt Jung, der das Ende der Betriebsträgerschaft voraussichtlich zur Jahresmitte 2021 gekommen sieht. „Der Vertrag endet, sobald ein sauberer Umzug möglich ist.“
Was macht die Stadt mit dem Martha-Jäger-Haus?
Bleibt noch die Frage, was die Stadt Rastatt mit dem Martha-Jäger-Haus nun anfängt. „Die Stadt prüft das gerade. Der Gemeinderat wird in naher Zukunft darüber entscheiden“, erklärt die städtische Pressesprecherin Heike Dießelberg auf Anfrage dieser Zeitung – und verspricht: „Die Stadt wird dafür Sorge tragen, dass für die Bewohner und die Mitarbeiter gute Lösungen gefunden werden.“
Laut Jürgen Jung hatte die Stadt das Klinikum Mittelbaden Mitte 2018 darum gebeten, die Betriebsträgerschaft zu übernehmen, „weil sie sich nicht mehr in der Lage sah, ein einzelnes Alten- und Pflegeheim zu betreiben“. Dass Sanierungsbedarf bestand, sei beiden Seiten bekannt gewesen, „nur eben nicht in welchem Ausmaß“. Der Pachtvertrag sah laut Dießelberg vor, dass das Klinikum bis Mitte 2021 ein bauliches Konzept für das Gebäude entwickelt, um den Vorgaben der Landesheimbauverordnung zu entsprechen.
Gemäß dieser Verordnung dürfen auch Bestandseinrichtungen ab 2024 nur noch Einzelzimmer anbieten und nicht mehr als 100 Pflegeplätze an einem Standort ausweisen. Das Martha-Jäger-Haus verfügte bis zum Wechsel der Betriebsträgerschaft über 161 Pflegeplätze. Zudem war, wie Dießelberg sagt, aus Sicht der Stadt nicht absehbar, wie sich die künftige Belegung des Hauses entwickeln wird, wenn neue Einrichtungen in Rastatt und in den Umlandgemeinden entstehen.