Der 16-Jährige Lukas Zoller spricht begeistert von seinem Praktikum bei der Firma Heydt, einem Fachhandel für Eisenwaren in Rastatt. Im Rahmen der Berufsorientierungswoche habe der Neuntklässler wertvolle Erfahrungen im Lager und im Kundenkontakt sammeln können.
Geschäftsführer Joachim Speck ist voll des Lobes für die Kooperation mit dem Sonderpädagogischem Bildungszentrum Augusta-Sibylla-Schule. „Alle Praktikanten, die bisher zu uns kamen, waren motiviert, engagiert und aufgeschlossen“, so Speck, „das ist bemerkenswert, weil diese Jugendlichen mit einem Handicap ins Berufsleben starten.“
Die Firma Heydt müsse sich den wirtschaftlichen Anforderungen stellen und setze auf Spezialisierung. Speck kann sich aber gut vorstellen, in Teilbereichen mit zeitaufwendiger manueller Fertigung geeigneten Schulabgängern der Augusta-Sibylla-Schule eine berufliche Chance zu geben.
Fördergemeinschaft der Schule finanziert Coachin
Ansprechpartnerin für die Berufsvorbereitung, Bewerbung und Praktikum in den Klassen sieben bis neun ist Antje Kirchner. Sie ist ausgebildete Berufseinstiegs- und Bewerbungscoachin, die Arbeitsstelle wird von der Fördergemeinschaft der Schule finanziert. Für Schulleiterin Sylke Mauderer eine logische Konsequenz, nachdem das Land Baden-Württemberg seinen Ausstieg aus der finanziellen Unterstützung zur Berufseinstiegsbegleitung (BerEb) für Jugendliche verkündet hat.
„Unsere Schülerinnen und Schüler brauchen eine zeitintensive und individuelle Betreuung, um ihren Platz im Berufsleben zu finden.“ Bei gleichbleibenden Schülerzahlen und einem schrumpfenden Kollegium keine einfache Aufgabe, so Mauderer, denn es übersteige die Möglichkeiten des Schulunterrichts.
Die pensionierte Lehrerin Kirchner ist seit 1995 Vorsitzende der Fördergemeinschaft. Ihr ist schon seit Langem ein Dorn im Auge, dass die Agentur für Arbeit leistungsschwache Schulabgänger ohne Ausbildungsvertrag oder Arbeitsstelle von einer Maßnahme in die nächste schicke, bis diese demotiviert aufgeben würden. „Das muss nicht sein“, ist Kirchner überzeugt, „da muss es andere Wege geben.“
2021 wurde das Projekt „Stärken und Begleiten“ ins Leben gerufen. Die sozialpädagogischen Fachkräfte Sina Lang und Stephanie Sprenkmann haben zusammen mit Antje Kirchner ein Konzept entwickelt, das Schüler ab der siebten Klasse kontinuierlich begleitet und fit für den Arbeitsmarkt machen will.
Es braucht Mut und Selbstvertrauen, ein Telefonat zu führen.Antje Kirchner, Bewerbungscoachin
Verschiedene Übungseinheiten sollen helfen, die Lernbeeinträchtigungen auszugleichen und berufliche Basiskompetenzen zu erlangen. „Es braucht Mut und Selbstvertrauen, ein Telefonat zu führen, auf fremde Menschen zu zugehen, im Team zu arbeiten und seine eigenen Bedürfnisse äußern zu können.“
Der Übergang von der Schule in eine komplexe Arbeitswelt sei für alle Schulabgänger nicht einfach. Das Team der Fördergemeinschaft sieht seine Arbeit realistisch: Nicht jeder Schüler sei ausbildungsfähig, aber viele haben das Potenzial. „Wir helfen, dass unsere Jugendlichen ihre Stärken erkennen, ohne sich zu überschätzen oder zu unterschätzen“, so Antje Kirchner.
Das Feedback der Betriebe zeigt, dass das Projekt bereits Früchte trägt. Auch Patrick Arena, Inhaber des Restaurants Pinocchio, berichtet positiv über seine Erfahrungen mit Praktikanten der Augusta-Sibylla-Schule. „Die Jugendlichen waren fit und interessiert, bedienten auch an den Tischen.“
Ein Praktikum mündete bereits in eine Festanstellung als Aushilfe. Arena betont die vorbildliche Zusammenarbeit und den intensiven Austausch mit der Schule. Als Ausbilder in der Gastronomie sei er aufgeschlossen, interessierten Schulabgängern eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen.
Firmen stellen sich in der Schule vor
Einmal im Jahr findet in der Schule eine Jobbörse statt. Firmen gehen von Klasse zu Klasse, stellen sich vor und beantworten Fragen. Der Personalmangel auf dem Arbeitsmarkt macht sich bemerkbar. In diesem Jahr kamen Firmen auf die Schule zu, um Auszubildende zu gewinnen.
Es läuft gut. Doch das erfolgversprechende Projekt steht auf der Kippe. Die Finanzierung ist nicht gesichert. Konnten 2022 auf Spenden, Mittel der Fördergemeinschaft, des Europäischen Sozialfonds und des Landkreises zurückgegriffen werden, fehlen für 2023 die Gelder. „20.000 bis 30.000 Euro ist der Bedarf pro Jahr“, rechnet Sybille Kirchner vor.
Agentur für Arbeit lehnt finanzielle Beteiligung ab
Ihr Ziel ist es, das Projekt als dauerhafte Hilfe für die Schüler zu installieren. Aus diesem Grund wurde sie bei der Agentur für Arbeit in Rastatt vorstellig. Doch ihre Anfrage erhielt eine negative Antwort. Die aktuellen Rechtsvorschriften des SGB III ließen eine Beteiligung an der Finanzierung nicht zu.
Für Kirchner kein Grund aufzugeben. Sie hat bereits verschiedene Initiativen gestartet und Kontakt mit den CDU- und SPD-Bundestagsabgeordneten aufgenommen. „Die drohende finanzielle Durststrecke werden wir wohl durchhalten müssen.“