Zum Interview während der Sommerpause des Landtags empfängt Bernd Gögel in seinem Büro in Stuttgart. Als gäbe es keine Corona-Abstandsgebote bietet der AfD-Fraktionschef aus dem Wahlkreis Enz zur Begrüßung einen Handschlag an, reagiert aber entspannt auf die Zurückhaltung des Gastes. „Ganz wie Sie meinen“, sagt der 65-Jährige. Mit unserem Korrespondenten Axel Habermehl sprach Gögel über seine Partei, die Causa Kalbitz und seine Standpunkte.
Herr Gögel, die AfD streitet um die Mitgliedschaft Ihres Brandenburger Pendants Andreas Kalbitz. Wie stehen Sie zu dem Parteiausschluss?
GögelEs gab keinen Ausschluss. Seine Mitgliedschaft wurde annulliert. Das ist ein wichtiger Unterschied. Parteiausschlüsse erfolgen aufgrund grob parteischädigenden Verhaltens und ähnlicher Dinge. Die Annullierung basiert in diesem Fall auf unvollständigen Angaben im Aufnahmeverfahren. Er ist auch nicht mein Pendant, denn er lässt sein Amt vorerst ruhen.
Kalbitz hat eine rechtsextrem geprägte Biografie. Repräsentiert so jemand Ihre Partei adäquat?
GögelIch weiß nicht, ob er eine rechtsextreme Biografie hat. Mir sind Bilder bekannt von der Teilnahme an einem Jugendlager der Heimattreuen Deutschen Jugend. Das war lange vor Gründung der AfD.
Diese Heimattreue Deutsche Jugend ist als rechtsextrem verboten.
GögelJa, inzwischen. Damals war sie es nicht. Aber Kalbitz‘ Aussage auf dem Kyffhäuser-Treffen, dass man auf Gräbern von Menschen tanzen werde, die negativ über die AfD berichten, halte ich für sehr bedenklich und schädlich. Solche Aussagen darf man sich als Politiker nicht erlauben. Das war mehr als daneben. Für mich wäre das ein Grund gewesen, Partei-Ordnungsmaßnahmen einzuleiten. Dann müsste man sich jetzt nicht auf so einen Formfehler bei seiner Aufnahme stützen.
Auch in der Südwest-AfD gibt es rechtsextreme Tendenzen. Ihre Fraktionskollegin Christina Baum taucht mehrfach im Verfassungsschutz-Bericht auf. Fürchten Sie, dass das das bürgerliche Wähler vergrault?
GögelNein, wir haben eine solide Substanz an Wählern. Menschen, die bis heute AfD wählen, kann man so schnell nicht erschrecken. Die sind leidensfähig. Aber manche öffentlichen Aussagen hemmen die Entwicklung der Partei im bürgerlichen Lager. Es gibt Mitglieder, die mit fundamentalen Vorstellungen in Kauf nehmen, dass wir uns in einer Fünf-Prozent-Blase bewegen. So kann man keine politischen Ziele erreichen.
Welcher Rasse fühlen Sie sich zugehörig?
GögelIch fühle mich nicht unbedingt einer Rasse zugehörig. Ich bin, rein äußerlich, erkennbar weiß. Ob das eine Rasse ist, überlasse ich den Wissenschaftlern. Da gibt es einige, die behaupten, es gibt unterschiedliche Rassen, andere sagen, das ist Quatsch.
Ich frage, weil Sie jüngst per Pressemitteilung betont haben: „Der Rassebegriff ist richtig und wichtig.“
GögelWie gesagt: Es gibt anerkannte Wissenschaftler, die das so darstellen. Denen würde ich sicher mal Glauben schenken wollen. Das Ganze hat sich ja über einen langen Zeitraum entwickelt. Die Rassebegriffe haben sich entwickelt. Nur um alles auf den Kopf zu stellen, müssen wir das aus meiner Sicht nicht umwerfen.
Die Wissenschaft ist sich einig, dass es keine Menschenrassen gibt. Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft stellt in der Jenaer Erklärung fest, dass der Begriff keine biologische Grundlage hat.
GögelDas gilt vielleicht für die Wissenschaftler, die Sie anführen. Wir haben aber aufgrund unseres Entstehens, unseres Menschwerdens und dem Zusammenfügen verschiedener Kontinente unterschiedliche Entstehungsgeschichten. Daraus leiten Wissenschaftler ab, dass es unterschiedliche Rassen gibt. Wir haben in dieser Pressemitteilung ja auch einen farbigen Wissenschaftler aus den USA angeführt, der sagt: Selbstverständlich gibt es Rassen.
Die AfD-Landtagsfraktion ist 2016 mit 23 Abgeordneten als größte Oppositionsfraktion gestartet. Nun sind Sie noch 16. Was ist da los?
GögelDa muss man in die Geschichte schauen. Als 2015 Landtagslisten aufgestellt wurden, lagen wir in Umfragen bei 3,5 Prozent und hatten mancherorts Schwierigkeiten, Kandidaten zu finden. Bei der Wahl 2016 gab es dann wegen der Zuwanderungskrise einen großen Erfolg, auch einen Protesterfolg. Wir holten etwa 15 Prozent. So kamen 23 Abgeordnete, die noch nie mit Politik zu tun hatten, erstmals zusammen. Es gab seitdem Lern- und Findungsprozesse, permanente Richtungsauseinandersetzungen und auch Austritte. Die muss man alle einzeln betrachten. Aber diese Findungsprozesse haben andere Parteien genauso mitgemacht. Die Anfangsjahre der Grünen waren auch gekennzeichnet durch intensivste Auseinandersetzungen der Flügel.