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Sorgen wegen Seuche

Afrikanische Schweinepest macht Bauern im Südwesten Angst

Der Fund eines einzelnen, an der Afrikanischen Schweinepest verendeten Tiers in Brandenburg hat weitreichende Konsequenzen für alle Schweinehalter- und Züchter in Deutschland. Manche Bauern im Südwesten sehen ihre wirtschaftliche Existenz in Gefahr.

Nach dem Fund eines an der Afrikanischen Schweinepest verendeten Wildschweins in Brandenburg gehen die Experten von weiteren infizierten Tieren aus.
Nach dem Fund eines an der Afrikanischen Schweinepest verendeten Wildschweins in Brandenburg gehen die Experten von weiteren infizierten Tieren aus. Foto: Lino Mirgeler/dpa

Manfred Sommer holt tief Luft und presst ein einziges Wort aus sich heraus: „Katastrophe“. Soeben hat der Besitzer des landwirtschaftlichen Familienbetriebs im Kraichgau den neuesten Preis für Schlachtschweine erfahren. Es gibt nur 1,27 Euro pro Kilogramm, ganze 20 Cent weniger als zuletzt. „Wir bräuchten mindestens 1,60 Euro pro Kilo“, sagt Sommer seufzend.

„Bereits in den vergangenen Monaten war die Produktion nicht rentabel. Und jetzt müssen wir noch mehr Geld drauflegen“, erzählt am Telefon der Züchter aus Dielheim, der auf seinem „Sommerhof“ rund 1.100 Schweine hält. Sommer hat nach eigenen Worten vor drei Jahren seine Ställe umgebaut, um den Tieren mehr Platz bieten zu können.

Bis zum Ende des Jahrzehnts muss er weitere etwa 250.000 Euro in Umbauten investieren. „Wenn jetzt wegen ASP China dicht macht, gehen die Preise noch mehr herunter“, sorgt er sich. „Dann werden wir mittelfristig die Schweinezucht durch den Ackerbau quersubventionieren müssen.“

Wirtschaftliche Existenzen in Gefahr

Zahlreiche andere Bauern in Deutschland dürften diese Befürchtung teilen. Der Fund eines an der Afrikanischen Schweinepest (ASP) verendeten Wildschweins in Brandenburg hat gravierende Konsequenzen für alle Schweinehalter- und Züchter. Es geht um die Sicherheit von Tieren, aber auch um eine Flaute auf einem kriselnden Markt, der seit Beginn der Corona-Pandemie den Produzenten immer geringere Erträge gebracht hat. Auch manche Bauern im Südwesten sehen nun ihre wirtschaftliche Existenz in Gefahr.

Am Donnerstag wurde der erste ASP-Fall in Deutschland bestätigt. Die hochansteckende Tierkrankheit wurde in einem Kadaver nachgewiesen, das in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze im Landkreis Spree-Neiße lag. Im Radius von drei Kilometern um den Fundort wird jetzt ein Elektrozaun aufgestellt, für Jäger und die Schweinehalter im gefährdeten Gebiet gelten strenge Seuchenregeln.

Experten rechnen mit weiteren Infektionen

Dem Bundesagrarministerium sind bislang keine weiteren Fälle bekannt. Dennoch weisen Experten darauf hin, dass Wildschweine in Rotten leben. Sie rechnen deshalb mit weiteren infizierten Tieren in Brandenburg. Somit ist auch ein mögliches Überspringen der Schweinepest auf den Haustierbestand in Deutschland nach aktuellen Einschätzungen mehr als nur eine theoretische Gefahr.

Die große Sorge der Schweinehalter und der Fleischwirtschaft ist, dass die Exporte nach Asien einbrechen würden, weil sich Deutschland nicht länger seuchenfrei nennen kann. Am Donnerstag reagierte bereits Südkorea mit einem Importstopp. Ein Wegbrechen des wichtigen chinesischen Marktes „würde uns sehr, sehr stark treffen“, warnte am Freitag der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied.

Zurzeit kein erhöhtes Risiko im Südwesten

Ein erhöhtes ASP-Einschleppungsrisiko in Baden-Württemberg sieht Landesagrarminister Peter Hauk (CDU) derzeit nicht. Am Freitag mahnte sein Ressort dennoch alle Bauern, die Biosicherheitsmaßnahmen einzuhalten und Erkrankungen wie gehäufte Todesfälle der Tiere mit unklarer Ursache auf mögliche Schweinepest untersuchen zu lassen. Im Südwesten werden derzeit rund 1,74 Millionen Schweine in 5.825 landwirtschaftlichen Betrieben gehalten.

Um die Ausbreitung der Seuche durch kontaminierte Lebensmittel zu verhindern, hält es das Ministerium in Stuttgart für notwendig, die Essensreste in verschließbaren Müllbehältern zu entsorgen. Für Haus- und Wildschweine bestehe ein Verbot der Verfütterung von Küchenabfällen. Reisende werden darum gebeten, keine Lebensmittel tierischen Ursprungs aus dem Ausland mitzubringen.

Züchter haben die Seuche erwartet

„Wir haben immer damit gerechnet. Es war nicht eine Frage, ob die Schweinepest kommt, sondern wo und wie“, sagt Manfred Sommer. Bereits im vergangenen Jahr hat der Kraichauer Züchter seinen Betrieb komplett eingezäunt und einen Strohvorrat für eineinhalb Jahre angelegt. Sommer achtet nach eigenen Worten darauf, dass nur befugte Personen die Ställe betreten und keine fremden Fahrzeuge auf dem „Sommerhof“ parken.

Jetzt kann er nur noch warten und hoffen, dass die Anti-Seuchenmaßnahmen in Brandenburg greifen. „Unsere Nachbarn in Belgien und Tschechien haben damals gut gehandelt, als die Afrikanische Schweinepest ausbrach. Ich bezweifle aber, ob wir das in Deutschland so machen“, sagt der badische Bauer, der auch Zuchteber nach Spanien und Portugal exportiert. „Ich weiß nicht, wie unsere Kunden jetzt auf die Nachricht aus Deutschland reagieren“, sagt er.

Preisabsenkung als „unangemessenes Signal“

Aus der Sicht des Landesbauernverbandes muss die Politik deswegen um Vertrauen in den Importländern werben. „Schweinehalter in ganz Deutschland sind auf ASP gut vorbereitet, das müssen wir jetzt vermitteln“, sagt der Hauptgeschäftsführer Marco Eberle in Stuttgart. Er kritisiert die erneute Absenkung des Preises auf dem deutschen Markt für Schweinefleisch ein „unangemessenes Signal“, das die Bauern unter noch größeren Druck setze. „Die Frustration in den Betrieben ist ohnehin sehr hoch. Wir sind konfrontiert mit hohen Anforderungen an den Tierschutz, und wenn jetzt noch der Preis dauerhaft massiv einbricht, dann gibt es ein echtes Problem.“

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