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Analyse von Wetterdaten

Kommt Sankt Martin auf dem Schlitten geritten? Das ist dran an Bauernregeln in der Region

Seit Jahrhunderten werden Bauernregeln von Generation zu Generation überliefert. Doch wie steht es um den Wahrheitsgehalt der Weisheiten? Eine Datenanalyse.

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Einer alten Bauernregel zufolge kommt Sankt Martin gern „auf dem Schlitten geritten“. Doch wie realistisch ist ein weißer Martinstag in der Region? Foto: Adobe Stock

Sie sind in einer Zeit entstanden, als die Meteorologie noch in den Kinderschuhen steckte: Bauernregeln. Die oft in Reimform gehaltenen Weisheiten stellen angebliche Zusammenhänge zwischen Wetterbeobachtungen her. Doch treffen diese überhaupt zu?

Die BNN haben Daten von Wetterstationen aus der Region ausgewertet und mit einigen Bauernregeln, die demnächst wichtig werden, gegenübergestellt.

„Sankt Martin kommt nach alten Sitten gern auf dem Schlitten angeritten“ – so besagt es eine alte Bauernregel für den Martinstag am 11. November. Doch zumindest zwischen Waghäusel, Pforzheim und Achern würde Sankt Martin damit nicht voran kommen. Denn an 14 der 15 Wetterstationen wurde am Martinstag überhaupt keine Schneedecke aufgezeichnet. Das war auch schon vor Jahrzehnten so.

Schnee an Sankt Martin nur am Ruhestein

Schnee am 11. November gab es demnach nur an der mehr als 900 Meter hoch gelegenen Wetterstation am Ruhestein zwischen Seebach und Baiersbronn. Zuletzt reichten dort vor fünf Jahren 20 Zentimeter Schnee für eine Schlittenfahrt am Martinstag.

Einigermaßen sicher trifft die Bauernregel in Baden-Württemberg nur auf dem Feldberg zu: Dort gab es in den vergangenen 30 Jahren immerhin 15 Mal die Gelegenheit, an Sankt Martin mit dem Schlitten zu fahren.

Einen ersten vagen Ausblick auf das Wetter rund um die Weihnachtstage bietet einer weiteren alten Bauernregel zufolge der Barbaratag am 4. Dezember. An diesem Tag wird der Heiligen Barbara gedacht. „Geht Barbara im Klee, kommt’s Christkind im Schnee“ lautet die überlieferte Weisheit. Heißt: Ist es am 4. Dezember noch grün, soll an Weihnachten Schnee liegen.

Die Analyse der Daten von 15 Wetterstationen zwischen Waghäusel, Pforzheim und Achern zeigt: Zuletzt gab es im vergangenen Jahr in Baden-Baden-Geroldsau, Marxzell-Schielberg, Pforzheim-Ispringen und Straubenhardt-Schwann Schnee an mindestens einem der drei Weihnachtstage, wenn dort am 4. Dezember noch kein Schnee lag.

In den meisten Orten aber muss man deutlich länger zurück blicken: Weitgehend flächendeckend fielen ein grüner Barbaratag und weiße Weihnachten zuletzt im Jahr 2001 zusammen. An der Rheinstettener Wetterstation war das sogar seit 1970 nicht mehr der Fall - allerdings wurden dort auch zwischen 1985 und 2007 keine Daten aufgezeichnet.

Bauernregeln im Dezember: Wie verlässlich sind sie?

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein schneeloser Barbaratag und weiße Weihnachten in einem Jahr zusammenfallen, ist in den meisten Orten der Region gering. So war das in Gaggenau in weniger als jedem achten gemessenen Jahr der Fall – ganze fünf Mal in 43 Jahren. Ähnlich selten fielen ein grüner Barbaratag und Weiße Weihnachten in Graben-Neudorf, Waghäusel-Kirrlach oder Königsbach-Stein zusammen.

Immerhin in jedem vierten Winter waren ein schneeloser Barbaratag und weiße Weihnachten in Marxzell-Schielbach zu beobachten – Spitzenreiter in der Region.

Zwischen der Witterung Anfang Dezember und der Wetterlage zu Weihnachten stellen gleich mehrere Bauernregeln eine Zusammenhang her. Aber gibt es wirklich einen Zusammenhang zwischen den Wetterverhältnissen am 4. Dezember und an den Weihnachtstagen?

Aus Sicht von Harald Maier, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst, gibt es dafür keine Belege. „Relativ häufig kommt es kurz vor oder zu Weihnachten zu einem Warmlufteinbruch, dem Weihnachtstauwetter. Allerdings besteht hierbei eben keine Verknüpfung zum Wetter Anfang Dezember“, teilte Maier auf Anfrage mit.

Langfristige Vorhersagen mit Bauernregeln oft unzutreffend

Generell seien Bauernregeln, die langfristige Prognosen abgeben, schwierig. „Dazu muss man die Verteilung der Hoch- und Tiefdrucksysteme, deren Verstärkungs- und Abschwächungstendenzen und Verlagerungsgeschwindigkeit kennen“, erklärt Maier. Doch das war vor Jahrhunderten kaum der Fall.

Verlässlicher seien dagegen Bauernregeln, die sich auf den nächsten oder höchstens übernächsten Tag beziehen. So folgt etwa relativ oft ein sonniger Tag, wenn der Himmel am Abend zuvor rot gefärbt war – was sich in dem Reim „Abendrot, schön Wetterbot“ niederschlägt.

Die Verlässlichkeit von Bauernregeln wird zudem von kalendarischen Verschiebungen im Lauf der Jahrhunderte sowie lokalen klimatischen Bedingungen stark beeinflusst. „Bauernregeln sind grundsätzlich nur für das Gebiet gültig, für das sie ,gefunden’ wurden“, erläutert Maier.

So fällt beispielsweise am Oberrhein der erste Schnee im Schnitt rund vier bis fünf Wochen später als auf der Schwäbischen Alb oder in Oberschwaben. Auch die Zahl der Schneetage ist rund um Karlsruhe deutlich niedriger als in anderen Regionen Baden-Württembergs.

Die Folge: In den meisten Jahren gibt es weder am Barbaratag noch zu Weihnachten Schnee.

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