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Bundestagswahl in den sozialen Netzwerken

Bildungsthemen und Tierkreiszeichen: Wie Parteien Jungwähler von sich überzeugen wollen

Die sozialen Netzwerke sind Dreh- und Angelpunkt der Parteien, um junge Wähler von sich zu überzeugen. Die Parteien haben hierbei ganz unterschiedliche Strategien.

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Von unterwegs: Jugendliche, die nicht viel Zeit investieren wollen, ganze Wahlprogramme zu lesen, können sich in den sozialen Netzwerken über die Parteien erkundigen. Foto: lithiumphoto/Adobe Stock

Insgesamt 60,4 Millionen Deutsche sind am Sonntag bei der Bundestagswahl berechtigt, ihre Stimmen abzugeben. Laut dem Statistischen Bundesamt befinden sich darunter 2,8 Millionen Erstwähler. Zwei Millionen von ihnen sind zwischen 18 und 20 Jahre alt. 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 76,2 Prozent. Bei den Erstwählern waren es knapp 70 Prozent.

Genau diese wollen die Parteien nun für sich gewinnen. Auch wenn die 2,8 Millionen Erstwähler lediglich 4,6 Prozent der Wählerschaft ausmachen, ist das Interesse in den Zentralen groß.

Uwe Wagschal, Politikwissenschaftler an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, vergleicht das mit einer Art Langzeitinvestition: „Wenn man Jungwähler für eine Erstwahl überzeugt hat, dann sind diese zukünftig vielleicht auch stärker geneigt, die Partei dauerhaft zu wählen.“

Die Mediennutzung hat sich gegenüber früheren Zeiten massiv verändert.
Uwe Wagschal, Politikwissenschaftler

Die Art, diese Gruppe zielgenau anzusprechen, habe sich jedoch gewandelt. „Die Mediennutzung hat sich gegenüber früheren Zeiten massiv verändert“, sagt Wagschal. Wie sich die Parteien in den sozialen Netzwerken geben, sei entscheidend für die Erreichbarkeit der Erstwähler.

Uwe Wagschal von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Umweltpolitik im Fokus: Uwe Wagschal ist Politikprofessor an der Uni Freiburg. Er kennt die Themen, die besonders junge Wähler interessieren. Foto: Maude Wagschal

Klassische Medien wie das Fernsehen und die Printmedien spielten dabei eine untergeordnete Rolle. „Deshalb sind Social-Media-Aktivitäten heutzutage von ungleich höherer Bedeutung“, so der Forscher. Auf Instagram hat mittlerweile jede Partei einen eigenen Kanal. Kein Wunder: Wer sich schnell von unterwegs informieren will, zückt einfach sein Smartphone.

Auf der Foto-Plattform sehen die Abonnenten portionsweise Bild- und Videobeiträge und lernen, die politischen Positionen zu unterscheiden. Die Wahlprogramme, die teilweise mehrere Hundert Seiten lang sind, werden ihnen so quasi vorgekaut.

Annalena Baerbock kommt besonders bei Jungwählern gut an

Die Spitzenreiter, was die Zahl der Abonnenten angeht, sind die Grünen. Auf Instagram tummeln sich bei ihnen 200.000 Follower. In beinahe jedem zweiten Post ist ein Bild oder Video der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zu sehen. Politikexperte Wagschal erklärt, warum: Die Wahlforschung habe festgestellt, dass die Spitzenkandidaten und die Identifikation mit ihnen mit darüber entscheidet, ob eine Partei Wähler für sich gewinnen kann oder nicht.

„Wir sehen, dass gerade bei Jüngeren Baerbock besonders gut ankommt. Sie schneidet bei Älteren sehr viel schlechter ab“, schildert er. Kandidaten werden immer wichtiger, aber auch Sachthemen spielen eine große Rolle. Themen wie Bildung, Klimawandel und Umweltpolitik stünden bei jungen Wählern ganz hoch im Kurs, meint Uwe Wagschal. Traditionelle Fragestellungen zu Steuern oder der Außenpolitik dagegen eher weniger.

FDP spricht auf Instagram junge Zielgruppe an

Die FDP spielt auf Instagram genau mit diesen Themen. Das stellt auch Wagschal fest: „Wir sehen gerade bei der FDP eine sehr frische, junge Strategie, um Jungwähler zu erreichen.“

Insgesamt haben 130.000 Nutzer den Kanal abonniert. In einem Beitrag geht es um die Herabsenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Ein Nutzer, der angibt, 16 zu sein, schreibt unter den Beitrag: „Also meine Stimme hättet ihr sicher“. Ein anderer Nutzer kommentiert: „Davon halte ich nix.“ Auffällig: Unter beinahe jedem Kommentar steht auch eine Antwort der Partei.

„Die direkte Ansprache und der direkte Dialog mit den Usern sind die beiden Erfolgsrezepte der Freien Demokraten“, teilt der Sprecher der Partei, Johannes Mellein, mit. Neben Instagram hat die Bundespartei Konten auf YouTube und Twitter.

Die Linke moderiert Instagram-Kommentare selten

Ähnlich handhabt das Die Linke. Sie ist auf Twitter, Facebook, YouTube und auch Instagram unterwegs. Auf der Foto-Plattform folgen ihr 115.000 Menschen. Auffällig ist, dass die Partei mit teils provokanten Inhalten Aufmerksamkeit gewinnen möchte.

In einem Beitrag greift sie die Forderung der SPD auf, die Hartz-IV-Regelsätze um drei Euro zu erhöhen und schreibt: „Olaf Scholz lässt die Armen im Regen stehen“. Eine Fotomontage zeigt den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten, der schmunzelnd eine 10-Cent-Münze hochhält.

Unter dem Beitrag stehen weit über 350 Kommentare, nicht nur von Anhängern der Partei, sondern auch von Menschen, die Kritik am Foto üben. Die Linke lässt die Reaktionen der Nutzer unmoderiert im Raum stehen. Auch unter anderen Bildern und Videos finden sich nur vereinzelt Antworten auf die Anmerkungen der Nutzer.

SPD nutzt auch Videoplattform TikTok, um junge Wähler zu erreichen

Neben Instagram gibt es noch weitere Plattformen, auf denen die Parteien Werbung für sich machen. „Ganz junge Wähler sind oft bei TikTok unterwegs“, schildert Wagschaler. Auch die SPD hat einen offiziellen Account auf der Videoplattform mit mehr als 15.000 Abonnenten. „Wir gehen dorthin, wo die jüngere Generation ihre Informationen bekommt“, schreibt SPD-Sprecherin Maja Schubert.

Ganz junge Wähler sind oft bei TikTok unterwegs.
Uwe Wagschal, Politikwissenschaftler

Ihre Partei gibt sich alle Mühe, mit lockeren Inhalten junge Wähler für sich zu gewinnen. So geht es in einem Beitrag um die Frage, was ein Sternzeichen über politische Ziele aussagt. Die Partei hat das Video bereits im August hochgeladen, offenbar in der Hoffnung, durch den Hashtag #Sternzeichen Klicks zu erzielen. Zum Hintergrund: Das Thema Sternzeichen beschäftigt besonders die jüngeren Nutzer auf TikTok schon seit längerer Zeit.

Bei der Bundestagswahl 2017 war die CDU Spitzenreiter unter den 18- bis 24-Jährigen

Auch die CDU will Jungwähler für sich gewinnen. Bei der Bundestagswahl 2017 hat sie 19,9 Prozent der Zweitstimmen in der Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren gewinnen können und lag damit nur knapp vor der SPD (18,4 Prozent). Zum Vergleich: Die Grünen haben vor vier Jahren 14,6 Prozent, die FDP 13,2 Prozent, die AfD 8 Prozent und die Linke 10,5 Prozent ergattert.

„Das Regierungsprogramm der CDU und CSU bietet der jungen Generation die Freiräume, auf die sie für die Gestaltung ihres Lebens einen Anspruch hat“, erklärt Parteisprecherin Lara Urbaniak. Die Union hat Konten auf TikTok und Instagram. Dort spielen Themen wie Klimaschutz genauso eine Rolle wie Digitalisierung und Job- und Ausbildungsperspektiven.

Unter AfD-Beiträgen auf Facebook finden sich oft nur Befürworter

Der Sprecher der AfD, Frank Horns, nennt Facebook die „wichtigste Plattform“ seiner Partei. Dort folgen ihr mehr als 513.000 Menschen. Auf Facebook eckt die AfD an. Ein Post zeigt die drei Kanzlerkandidaten Baerbock, Scholz und Laschet, die über beide Ohren grinsen.

Die Bildaufschrift lautet: „Sie können solch schreckliche Bilder auch nicht mehr sehen? Wählen Sie am 26. September die AfD“. Was auffällt: In den Kommentaren finden sich fast ausschließlich Befürworter und kaum jemand, der gegen den Strich bürstet.

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