In der Messe Karlsruhe werden auf dem Boden Aluminiumprofile ausgelegt, die die Grundrisse von künftigen Sprechzimmern markieren sollen. Die Stromanschlüsse sind fertig, erste Schilder angeklebt. Ein Gabelstapler bringt Baumaterial, in einer Ecke setzen Arbeiter eine lange Trennwand zusammen. Noch vor 24 Stunden stand in der Messehalle 2 gar nichts.
Nachdem der Corona-Stab der Stadt Karlsruhe am Dienstag grünes Licht für die Pläne des Zentralen Corona-Impfzentrums (ZIZ) gegeben hat, brach auf dem Messegelände in Rheinstetten das Baufieber aus.
Gleichzeitiger Einsatz von bis zu 20 Ärzteteams geplant
Die Zeit drängt. Auch wenn noch kein Vakzin in der EU zugelassen und ausgeliefert ist, soll das erste Impfzentrum der Region am kommenden Dienstag für den Start des großen Impfbetriebs bereit sein. Und es gibt eine Überraschung: Statt der ursprünglich anvisierten Größe von 3.000 Quadratmetern, wie im Ulmer Testmodell, wird die Karlsruher Einrichtung mit ihrem besonderen Konzept viermal so groß sein.
Vorausgesetzt, es gibt genügend Personal, könnte sie bald mit dem gleichzeitigen Einsatz von bis zu 20 Impfteams und einer ausgeklügelten Besucherführung auf 12.500 Quadratmeter Fläche zu den leistungsfähigsten ZIZ im Südwesten gehören.
Wir laufen auf allerhöchsten Hochtouren.Britta Wirtz, Geschäftsführerin Messe Karlsruhe
Nicht ohne Stolz schaut sich Britta Wirtz in dem geschäftigen Treiben in der großen Halle um, die sich jede Minute neu verwandelt. „Wir laufen auf allerhöchsten Hochtouren. Das ist ein ganz schöner Kraftakt“, sagt die Messechefin beim Ortstermin mit den BNN.
„Als Messe sind wir normalerweise nur Vermieter, doch jetzt befassen wir uns auf einmal mit hygienischem Design, Abstandsflächen und Laufwegen zwischen dem Lager und den Praxen. Es ist ein Lernprozess. Für solch ein großes Impfzentrum gibt es keine Blaupause, und man muss vieles neu konzipieren.“
Gemeinsam mit der Stadt und dem Landkreis hatte die Messe etwa ein halbes Dutzend Modelle für das ZIZ erarbeitet und sich am Ende für die „flexible Variante“ entschieden. Die Grundidee ist, einen Besucherstau zu vermeiden, indem man die Impfpersonen nicht in eine Richtung gehen lässt, sondern zentral verteilt.
Impfpersonal gesucht
Die Kassenärztliche Vereinigung hat einen Bewerbungsaufruf für Ärzte und medizinische Fachpersonal gestartet und sucht bereits für die Impfzentren Mitarbeiter.
„Der Charme dabei ist“, erklärt Britta Wirtz, „dass jeder Kabinenplatz, der frei wird, sofort nachbesetzt werden kann. Das bringt Komfort, Sicherheit und einen hohen Durchsatz.“
„Plausibilitätsprüfung“ für alle Besucher
Die Messe macht das Zentrum für Besucher vom Osteingang (Parkplatz P3) zugänglich. Das Parken wird im Impfbetrieb kostenlos sein, möglicherweise wird es auch einen Shuttle-Dienst geben. Nach einer „Plausibilitätsprüfung“ der Impfberechtigung werden die Besucher in einen Wartebereich in der Hallenmitte geleitet, wo sie einen „Aufklärungsbogen“ ausfüllen müssen.
Hier soll auch ein Video zur Corona-Impfung gezeigt werden. Danach geht es in eine der 20 „Arztpraxen“: So nennt die Messe die Einheiten jeweils aus einem Bereich für eine Sprechstundenhilfe und drei Sprechzimmern, jedes möbliert mit Stuhl, Tisch und Liege.
Hier findet die letzte Beratung und anschließend die Impfung durch Ärzte statt. Anschließend müssen sich die Besucher in einen separaten „Beobachtungsraum“ mit etwa 100 Stühlen begeben, wo sie unter Aufsicht 30 Minuten verbringen und bei etwaigen Nebenwirkungen schnelle Hilfe bekommen.
Der Impfstoff soll in einem geheimen Lagerraum aufbewahrt werden
„Aus hygienischen Gründen müssen wir auf Vorhänge und Türklinken verzichten. Deswegen werden die Arztpraxen im Zentrum so aufgebaut, dass man nirgendwo Blickachsen hat und damit die Privatsphäre der Menschen gut geschützt ist“, erklärt die Messechefin.
Eine weitere Herausforderung ist die Kühlung. Mindestens einer der zwei aussichtsreichen Impfstoffkandidaten – das Biontech-Vakzin – muss bei etwa Minus 60 Grad gelagert werden. Die Messe erhält dafür vom Land einen „Ultra Deep Freezer“, der nicht weit von Halle 2 in einem geheimen Lagerraum stehen soll.
Wir gehen davon aus, dass der Impfbetrieb sicher und konfliktfrei sein wird.Britta Wirtz, Messe Karlsruhe
Aus Sicherheitsgründen gibt Wirtz keine Details über den bewachten Ort und die übrigen Sicherheitsmaßnahmen preis. Sie lässt jedoch durchblicken, dass bei Bedarf eine permanente Polizeipräsenz auf dem Messegelände möglich wäre. Zum Beispiel für den Fall, dass militante Impfgegner Protestaktionen veranstalten.
„Wir gehen aber davon aus, dass der Impfbetrieb sicher und konfliktfrei sein wird“, sagt sie hoffnungsvoll. „Denn die Impfung ist ja freiwillig, und zu uns werden diejenigen kommen, die diesen Schutz haben möchten.“
Größte Hürde ist das noch fehlende Personal
Nach den Vorgaben des Landes sollen die Zentralen Impfzentren bis zu 120 Impfungen pro Stunde bewältigen. Die Geschäftsführerin der Messe hält es jedoch für möglich, dass man in Rheinstetten sogar auf eine höhere Zahl kommt. „Die größte Hürde ist jetzt die Beschaffung des Personals. Es ist wichtig, dass sich viele Menschen mit medizinischem Sachverstand melden, damit wir bald starten können“, sagt Wirtz.
Nach der Fertigstellung Mitte Dezember ist in Halle 2 zunächst ein Testbetrieb geplant. Er wird beginnen, sobald klar ist, welche Impfstoffe nach Karlsruhe kommen – und welche Anforderungen jeweils damit verbunden sein werden. Britta Wirtz freut sich schon jetzt darauf, mit ihrem Unternehmen einen spürbaren Beitrag zum Kampf gegen die Corona-Pandemie leisten zu können.
„Es ist schön, dass wir jetzt unsere Kompetenz einbringen können. So geben wir der Gesellschaft auch gerne etwas zurück“, sagt die Messechefin.
Aufbau der Impfzentren des Landkreises Karlsruhe startet vor Weihnachten
Neben dem Zentralen Impfzentrum entstehen im Stadt- und Landkreis Karlsruhe drei Kreisimpfzentren: In der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe, im ehemaligen Praktiker-Markt in Bruchsal-Heidelsheim und in der E.G.O.-Halle 4 in Sulzfeld sollen von 15. Januar an täglich 800 Menschen geimpft werden.
Der Aufbau der Kreisimpfzentren, den in Heidelsheim und Sulzfeld der Landkreis organisiert, soll vor Weihnachten beginnen. „Anfang Januar stehen die Impfzentren“, zeigt sich Landrat Christoph Schnaudigel zuversichtlich.
Wir sind froh, dass die Entscheidung nicht erst kurz vor Weihnachten gefällt wurde.Sébastien Oser, Leiter des Corona-Krisenstabs in Rastatt
Mit Bühl und Baden-Baden wird es in Mittelbaden gleich zwei Kreisimpfzentren geben. Während das Land in der Kurstadt auf eine eigene Immobilie zurückgreift und das Kurhaus zum Impfzentrum macht, wird in Bühl die Schwarzwaldhalle genutzt. „Wir sind froh, dass die Entscheidung nicht erst kurz vor Weihnachten gefällt wurde, wie es erst angekündigt war“, sagt der Leiter des Corona-Krisenstabs im Landratsamt Rastatt, Sébastien Oser.
Auch so sei ein solches Großvorhaben „ambitioniert“. Sowohl im Landkreis als auch in der Stadt Baden-Baden sind Task Forces gebildet worden, die den Aufbau der beiden Impfzentren koordinieren.