Wer künftig positiv auf das Coronavirus getestet wird, soll sich nicht mehr in häusliche Absonderung begeben müssen – zumindest, wenn er oder sie in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen oder Schleswig-Holstein zu Hause ist.
Es bedarf aus Sicht dieser Länder einer neuen Phase im Umgang mit der Pandemie. Man befinde sich am Übergang zu einer Endemie. Die Gesundheitsminister dieser Bundesländer haben sich deshalb auf gemeinsame Empfehlungen verständigt, auf deren Basis bei ihnen neue Regelungen in Kraft treten sollen.
Wann tritt die Regelung in Kraft? Wie läuft es bis dahin und was ist mit Pendlern aus der Pfalz, die in Baden-Württemberg arbeiten?
Unser Redaktionsmitglied Sibylle Kranich hat Fragen und Antworten zum Thema zusammengetragen.
Wann tritt die neue Regelung in Kraft?
Als Termin für die Abschaffung der Isolationspflicht in Bayern nannte der dortige Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) den Mittwoch, 16. November. Ob dieses Datum auch für die drei anderen beteiligten Bundesländer gilt, steht noch nicht fest. Die Details würden derzeit ausgearbeitet heißt es aus dem baden-württembergischen Gesundheitsministerium.
Ich bin positiv getestet, habe aber keine Symptome. Darf ich mich ganz frei bewegen?
Nicht ganz. Der Mitteilung aus dem Gesundheitsministerium in Stuttgart zufolge verständigten sich die Länder auf gemeinsame Empfehlungen als Grundlage für ihre neuen Regelungen. Diese sehen etwa vor, dass positiv Getestete außerhalb ihrer eigenen Wohnung eine Maske tragen müssen – außer im Freien, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Darüber hinaus sind Empfehlungen oder Verpflichtungen zu Selbstisolation, Homeoffice, Hygieneregeln und dem Verzicht auf den Besuch öffentlicher Veranstaltungen und der Gastronomie möglich.
Darf ich Angehörige im Krankenhaus oder Pflegeheim besuchen?
Nein. Die Empfehlungen sehen für Besucherinnen und Besucher mit positivem Testergebnis ein Betretungsverbot von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen vor. Auch ein Besuch im Gefängnis, in Obdachlosenheimen oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen ist demnach nicht erlaubt.
Was ist mit Menschen, die in einem Krankenhaus, in einem Heim oder in einer Massenunterkunft arbeiten?
Für sie gilt laut der gemeinsamen Empfehlung der vier Gesundheitsministerien ein Tätigkeits- und Betretungsverbot.
Was gilt für infizierte Heimbewohner, Krankenhauspatienten und Menschen in anderen Unterkünften?
Für Menschen, die betreut, behandelt oder untergebracht sind, könnten besondere Schutzmaßnahmen gelten. Dazu gehört zum Beispiel ein Verbot zur Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen.
Was ist mit Pendlern? Im Elsass und Rheinland-Pfalz bleibt die Isolationspflicht vorerst bestehen. Dürfen die Menschen trotzdem zur Arbeit nach Baden-Württemberg arbeiten? Und vor allem: Was gilt umgekehrt?
Dazu heißt es aus dem Ministerium in Stuttgart: „Das richtet sich nach den Absonderungsregelungen der Länder Rheinland-Pfalz und Elsass, soweit die betroffenen Personen sich dort in Absonderung befinden, können sie nicht nach Baden-Württemberg reisen. Ohnehin sollte man zu Hause bleiben, wenn man krank ist.
Für den Baden-Württemberger, der in ein benachbartes Land fährt, gelten die dortigen Regeln. In Frankreich gilt eine siebentägige Isolationspflicht, in Rheinland-Pfalz gelten die bundesweiten Regeln.
Wie lauten die derzeitigen bundesweiten Regelung zur Isolationspflicht nochmal?
Wer mittels eines durch geschultes Personal vorgenommenen Tests (PCR oder Schnelltest) positiv auf das Virus getestet wurde, muss sich von anderen absondern.
Wie lange?
Die Absonderung endet frühestens fünf Tage nach dem ersten positiven Testergebnis. Es gilt folgende Regel: Eine Person lässt am 1. Januar einen Antigenschnelltest durchführen (Tag 0) und erhält am gleichen Tag ein positives Ergebnis. Die Absonderungspflicht beginnt mit Kenntnisnahme des positiven Ergebnisses (1. Januar). Die Dauer der Isolierung berechnet sich ab dem 1. Januar (Tag 0). Tag 1 ist somit der 2. Januar, Tag 5 der 6. Januar. Ab dem 7. Januar, 0 Uhr, darf die Person, sofern sie keine Krankheitssymptome hat, das Haus wieder verlassen.
Warum haben sich die vier Bundesländer zu diesem Schritt entschieden?
Der für den Herbst erwartete Anstieg der Corona-Fälle ist bislang ausgeblieben. „Wir läuten eine neue Phase im Umgang mit der Pandemie ein“, erklärte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Es sei Zeit, den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Zurückgehende Infektionszahlen, eine wirksame Schutzimpfung, eine Basisimmunität innerhalb der Bevölkerung von mehr als 90 Prozent, in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe, aber inzwischen wirksame antivirale Medikamente rechtfertigen aus Sicht der Länder, diesen Schritt zeitnah zu gehen, heißt es aus Stuttgart.
Wie kam es zu dem Alleingang?
Die vier Bundesländer, die nun gemeinsam die Aufhebung der Isolationspflicht angekündigt haben, hatten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Ende September in einem gemeinsamen Schreiben aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Robert Koch-Institut (RKI) seine Isolationsempfehlungen für Corona-Infizierte ändert. Lauterbach hatte dies damals umgehend zurückgewiesen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte aber bereits darauf hingewiesen, dass die Länder sich über die RKI-Empfehlung hinwegsetzen können.
Wie kommen die Pläne an?
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat das geplante Ende der Isolationspflicht für Corona-Infizierte in mehreren Bundesländern kritisiert. Die Isolationspflicht verhindere die ungehinderte Ausbreitung des Virus, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Das schützt vor Leiden und Sterben“, betonte er. „Darüber hinaus werden infizierte Arbeitnehmer geschützt, einem Beschäftigungsdruck nachzugeben. Diese Fakten wischen Bundesländer vom Tisch, die die Isolationspflicht beerdigen.“ Wenn jetzt in jedem Bundesland in dieser zentralen Frage unterschiedliche Regelungen gelten sollen, ist das aus Bryschs Sicht chaotisch. „Schließlich überqueren allein Millionen Pendler täglich Ländergrenzen. Nicht selten sind das nur wenige Schritte.“
Wird erwartet, dass andere Länder nachziehen?
„Ich gehe fest davon aus, dass viele Länder folgen werden, weil wir ja sehen, dass diese befürchtete Herbstwelle nicht kommt in dieser Form“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU). Er sprach von einer endemischen Phase der Pandemie, verwies auf mehr Wissen im Umgang mit dem Virus und mildere Varianten. „Da geht es natürlich auch darum, dass man nicht mehr pauschale Lösungen propagiert.“ In der Pflege und in Kliniken müsse man das anders bewerten, „aber es sollte der Grundsatz gelten, wer sich krank fühlt, bleibt zu Hause“.