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Nach Kabinettsbeschluss

Pflicht zum Angebot von Corona-Tests sorgt bei Firmen und Verbänden aus Baden-Württemberg für Unmut

Unternehmen müssen ab kommender Woche ihren Mitarbeitern mindestens einmal die Woche Corona-Tests anbieten. Diese „Testpflicht light“ ruft bei Firmen und Verbänden in Baden-Württemberg Unmut hervor.

Ein Mann träufelt eine Lösung auf eine Testkassette, die von Covid-19 verursachte Antigene nachweisen kann.
Selbsttest für die Beschäftigten: Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern ab kommender Woche ein Testangebot bieten. Das kommt nicht bei allen Arbeitgebern gut an. Foto: Zacharie Scheurer/dpa

Vor zweieinhalb Wochen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in der ARD-Sendung „Anne Will“ für ein verpflichtendes Testen in den Betrieben ausgesprochen. Nach einigem Ringen hat ihr Kabinett diese Woche nun einen Beschluss gefasst.

Unternehmen müssen demnach ab kommender Woche ihren Mitarbeitern einmal die Woche ein Corona-Testangebot machen. In besonders gefährdeten Bereichen sollen es zwei Tests sein.

Streng genommen ist dieser Beschluss eine Art „Testpflicht light“, anders ausgedrückt eine Testangebotspflicht. Für die Mitarbeiter bleibt die Testteilnahme freiwillig.

Unternehmensverbände kritisieren bürokratische Auflagen

Unternehmensverbände laufen dennoch Sturm gegen die neue Verordnung und kritisieren unter anderem die damit verbundenen bürokratischen Auflagen.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat bereits rechtliche Schritte gegen die Auflage angekündigt. In einem Interview bezeichnete Geschäftsführer Markus Jeger die Testpflicht als Politik-Versagen: „Anstatt richtig zu impfen, wird jetzt falsch getestet.“

Auch der Karlsruher IHK-Präsident Grenke fordert in einer Stellungnahme des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) „einen Impf-Turbo“ statt einer Testangebotspflicht.

Umfragen zufolge hätten viele Unternehmen Probleme bei der Testbeschaffung. Außerdem sei die finanzielle Unterstützung durch die Anrechenbarkeit bei der Überbrückungshilfe nicht ausreichend.

Während Grenke in seiner Funktion als BWIHK-Präsident klagt, dass die Angebotspflicht für die Wirtschaft keine Lösung zur effektiven Pandemiebekämpfung sei, liest man auf der Karlsruher IHK-Internetseite: „Schnell- und Selbsttest stellen einen wichtigen Baustein zur Bewältigung der Corona-Pandemie dar.“

Weiter heißt es hier, Unternehmen schützten damit ihre Mitarbeiter vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz und sicherten damit die Betriebsabläufe.

Viele Unternehmen aus Baden testen schon länger

Hört man sich bei Firmen in der Region um, scheinen genau aus diesen Gründen viele von ihnen gar nicht erst auf eine verordnete Testpflicht gewartet zu haben.

Herrmann Ultraschalltechnik in Karlsbad lässt seine Mitarbeiter schon seit März zwei Mal die Woche testen. Mitarbeiter, die in den Betrieb kommen, sollten sich montags und mittwochs oder donnerstags zuhause testen.

Insgesamt 16.500 Selbsttests hat das Unternehmen auf eigene Kosten angeschafft und damit bis zu den Sommerferien vorgesorgt. Schwierigkeiten bei der Beschaffung habe es keine gegeben.

„Jeder Mitarbeiter, der uns dadurch nicht ausfällt, ist weit mehr wert, als die 5,30 Euro, die wir für einen Test bezahlt haben“, ist Firmen-Sprecher Steffen Ullrich von dem Schritt überzeugt.

Getestet wird seit dieser Woche auch bei Physik Instrumente (PI) in Karlsruhe. Das Technologieunternehmen bietet seinen 520 Mitarbeitern die Möglichkeit, sich im Unternehmen zwei Mal wöchentlich durch medizinisches Fachpersonal eines externen Dienstleisters checken zu lassen.

Beim Baden-Badener Maschinenbauer Arku hat man ebenfalls unabhängig von der politischen Diskussion gehandelt. Seit drei Wochen erhalten alle 160 Mitarbeiter am Standort einen Selbsttest pro Woche.

Zuvor wurden Montagearbeiter und Servicetechniker seit Ende Februar durch ein externes Testzentrum versorgt. „Wir denken, für uns wird sich nicht viel ändern“, antwortet Sprecherin Alexandra Schuldt auf die Frage, inwieweit die Verpflichtung zum Testangebot den Ablauf bei Arku beeinflusst.

Ähnliches berichtet Tobias Stierle vom Gartencenter Streb in Pforzheim. Dort gibt es seit zwei Wochen ein Testkonzept für die knapp 100 Mitarbeiter. Zwei Tests pro Woche bekommt jeder, die Ausgabe wird dokumentiert.

Der Betriebsleiter begrüßt die Verbindlichkeit der Testung für Unternehmen, fordert aber mehr Unterstützung für die Betriebe, die pandemiebedingt ums Überleben kämpfen.

Die Politik reagiere wiederholt zu spät, ärgert sich Stierle: „Wir waren bei uns immer schneller als Politik. Sei es beim Thema Masken, beim Ampelkonzept oder eben jetzt bei der Testung.“

Mit der Pflicht unterstellt man den Unternehmen, dass sie keine Verantwortung übernehmen.
Steffen Ullrich, Sprecher von Herrmann Ultraschalltechnik

Bei Herrmann Ultraschalltechnik lehnt man trotz der eigenen umfangreichen Testmaßnahmen eine generelle, staatliche Verpflichtung ab.

Firmen-Sprecher Ullrich befürchtet mehr bürokratischen Aufwand. Und ihn stört: „Mit der Pflicht unterstellt man den Unternehmen, dass sie keine Verantwortung übernehmen.“

Organisation der Corona-Tests für Handwerksbetriebe schwierig

Bedenken gibt es auch im Handwerk mit seinen überwiegend kleinen und mittleren Betrieben. „Die Organisation ist für uns als Betrieb mit mehreren Filialen an drei Standorten schwierig“, fürchtet Konditorei-Juniorchef Sebastian Böckeler den Aufwand und die Kosten einer Angebotspflicht.

Durch die Pandemie kämpfe man ohnehin mit Umsatzeinbußen. Tests zu machen, hält er aber dennoch für sinnvoll. Vermutlich gilt das für einen Großteil der Unternehmen.

Dass staatliche Eingriffe in die unternehmerische Praxis jedoch in der Regel ungern gesehen sind, ist bekannt. Dennoch scheint das Test-Thema wegen seiner gesamtgesellschaftlichen Relevanz brisant. Einige Anfragen dieser Zeitung insbesondere bei größeren Unternehmen aus der Region blieben unbeantwortet.

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