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Supermärkte reagieren

Das Wechselspiel mit der 50: Ausgangssperren könnten sich in diesen Landkreisen kurzfristig ändern

Verwirrung in Orten an Stadt- und Landkreisgrenzen: Wo einerseits Ausgangssperre gilt, fällt sie wenige Kilometer weiter weg. In Gegenden mit Inzidenzwerten nahe der 50 könnten die Sperren sehr wechselhaft auftreten. Politiker vor Ort, die Polizei und Supermärkte erklären, wie sie damit umgehen.

Die Polizei hat in Karlsruhe in Stadt- und Landkreis mit unterschiedlichen Regelungen zur Ausgangssperre zu tun. Es soll aber nicht verstärkt kontrolliert werden, erklärt eine Sprecherin.
Die Polizei hat in Karlsruhe in Stadt- und Landkreis mit unterschiedlichen Regelungen zur Ausgangssperre zu tun. Es soll aber nicht verstärkt kontrolliert werden, erklärt eine Sprecherin. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Denise di Mauro verkauft Backwaren in der ganzen Region. Als Springerin steht sie in Filialen in Karlsbad, im Pfinztal oder auch in Rheinstetten. Die 29-Jährige weiß, wenn Baustellen im Ort zu lange bestehen, wenn die Dorfkneipe für immer schließen muss, wenn der Nachbar nervt.

Gerade steht di Mauro an der Theke einer Bäckerei in Mörsch und wäre lieber nicht diejenige, bei der die Menschen ihre Emotionen lassen. „Die Leute sind total überreizt“, sagt sie. „Beschimpfungen sind an der Tagesordnung.“

Existenzangst, leidige Maskenpflicht, Kontaktarmut – sie verstehe den Unmut. Aber wenn ihr wie zuletzt eine benutzte Maske über die Theke geworfen wird, ist es zuviel. Nun könnten sich noch manche über Ausgangssperren ärgern, die es in Mörsch gibt, aber im nahen Karlsruhe nicht. Di Mauro atmet kräftig durch ihre Maske aus. „Natürlich befürchte ich das.“

Eine Tankstelle in Ettlingen, kurz vor der Autobahn. 500 Meter weiter Richtung A5 liegt Rüppurr. Stadtkreis Karlsruhe, keine Ausgangssperre. Mit Beginn der Tankstelle Richtung Ettlingen, Landkreis Karlsruhe, dagegen schon. Christiane Ihle, 78, ist von Karlsruhe auf dem Weg zu ihrer 95-jährigen Schwester nach Ettlingen und tankt kurz. Natürlich sei es komisch, dass an den beiden Orten unterschiedliche Regeln bestehen, sagt Ihle.

Karlsruhe und Enzkreis nahe am Grenzwert

Lieber wäre es ihr, die Ausgangssperre würde für alle Kreise schon ab einem Inzidenzwert von 35 gelten. „Wir haben jetzt ein Jahr lang durchgehalten“, betont sie. „Ich möchte, dass die Lage stabil bleibt.“ Wenn es wechselhafte Regelungen mit den Ausgangssperren gibt, sei das in Ordnung, fügt ihr Mann hinzu. „Solange es rechtzeitig bekannt gegeben wird.“

Seit Donnerstag müssen Gesundheitsämter entscheiden, ob sie für Stadt- und Landkreise mit einer 7-Tage-Inzidenz höher 50 eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr ausrufen. Der Wert muss an sieben Tagen in Folge über 50 gelegen haben. Wenn das Infektionsgeschehen noch dazu diffus ist und die „wirksame Eindämmung der Verbreitung von Erkrankungen mit dem Coronavirus ansonsten gefährdet ist“, seien die Ämter vor Ort sogar dazu angewiesen, schreibt das Land.

Die Ausgangssperre ist generell befristet und wird aufgehoben, wenn die 7-Tage-Inzidenz an drei Tagen in Folge unter 50 liegt. Daher gibt es in den Städten Baden-Baden und Karlsruhe oder in den Landkreisen Enzkreis und Rastatt derzeit keine Möglichkeit für eine Ausgangssperre. Gerade Karlsruhe (45,8) und der Enzkreis (46,6) liegen aber nahe am Grenzwert, die Lage kann sich schnell ändern.

Über Wert 50 bedeutet immer Ausgangssperre? „Kann keinen Automatismus geben“

Derzeit gelten unterschiedliche Regelungen, auch wenn den Stadt- und Landkreis Karlsruhe teils nur wenige Meter trennen. „Ich könnte verstehen, wenn es hier zu Nachfragen kommt“, sagt der Karlsruher Bürgermeister Albert Käuflein. „Es ist aber richtig, dass man Gebiete mit unterschiedlichen Inzidenzwerten auch verschieden behandelt.“ Die Befürchtung, dass es in Kreisen mit Werten nahe der 50 ein Hin und Her gibt, sei nicht völlig von der Hand zu weisen. „Hier müssen wir einfach abwarten, wie sich die Regelung in der Praxis auswirkt.“

Im Landkreis Karlsruhe mit einer 7-Tage-Inzidenz von zuletzt 71,9 sieht Landrat Christoph Schnaudigel alle Kriterien für eine Ausgangssperre gegeben. Die Quelle jeder vierten Infektion sei unbekannt. Diffuse Lage also. Rutscht der Landkreis unter 50 und dann wieder drüber, ist aber nicht automatisch eine erneute Ausgangssperre zu erwarten, betont Landratsamt-Sprecher Matthias Krüger: „Da kann es keinen Automatismus geben. Dafür muss man das Infektionsgeschehen analysieren und bewerten.“ Ein bloßes Überschreiten des Wertes 50 „kann alleine sicher nicht ausreichen“.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Jung kritisiert das Vorgehen des Landkreises als „unverhältnismäßig, regional unlogisch und fragwürdig“. Die Ausgangssperren seien in Baden-Württemberg für einen Inzidenzwert über 200 gedacht gewesen. „Verwaltungshandeln muss für die Menschen nachvollziehbar und logisch sein“, betont der Liberale aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Land.

Ortenaukreis verzichtet bewusst auf Ausgangssperre

Im Ortenaukreis hat man sich anders als im Landkreis Karlsruhe entschieden, trotz eines Inzidenzwertes von zuletzt 60,3. Einen Tag lang habe er mit Juristen und Experten aus dem Gesundheitsamt gesprochen, betont Landrat Frank Scherer. Entscheidung: keine Ausgangssperre. „Das ist pure Rechtsanwendung“, sagt Scherer. Es gebe im Ortenaukreis weder ein diffuses Infektionsgeschehen, noch gefährde die wegfallende Ausgangssperre die Eindämmung des Virus.

Im Gesundheitsamt habe man überdurchschnittlich viele Mitarbeiter für die Kontaktverfolgung. „Bei uns gibt es keine nicht erklärbaren Infektionsketten“, sagt Scherer.

„Solange wir diesen guten Überblick behalten, ist bei uns eine Ausgangssperre auch über einem Wert von 50 nicht nötig.“ Zudem habe man andere sehr wirksame Maßnahmen. Bei künftigen Lockerungen wünsche er sich aber generell, sofern rechtlich möglich, landesweit einheitliche Maßnahmen.

Auch im Enzkreis müssen die Bürger beachten: Im Landkreis gilt keine Ausgangssperre, die 7-Tage-Inzidenz lag hier zuletzt bei 46,6. Bürger aus den umliegenden Enzkreis-Gemeinden, die in der Stadt Pforzheim abends einkaufen, müssen diese aber vor 21 Uhr verlassen.

Pforzheim weist in der Pandemie landesweit mit die höchsten Werte auf, lag zuletzt bei 71,5. Hier gilt eine Ausgangssperre, auch wenn Oberbürgermeister Peter Boch diese nicht für ein sonderlich wirksames Mittel hält. Er sieht sie eher als Signal, dass auch in den Faschingsferien Vorsicht geboten ist, wie er zuletzt erklärte.

Supermärkte wollen teilweise wieder länger öffnen

Auch im Landkreis Calw (91,1) gilt die Ausgangssperre. Landrat Helmut Riegger hatte dazu erklärt: „Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, zumal der Landkreis Calw andere strukturelle Gegebenheiten hat als urbane Räume.“ Die Fallzahlen seien aber nach wie vor zu hoch, um von einer Entspannung sprechen zu können.

Wie knapp es sein kann, wie schnell es gehen kann, zeigte sich am Freitagabend in Rastatt. Da erreichte der Landkreis den Wert von 50,1. „Sollte der Wert trotzdem für mehrere Tage überschritten werden, wird unser Gesundheitsamt genau klären, ob es sich um ein diffuses Infektionsgeschehen handelt oder ob es klar abgrenzbare Hotspots gibt“, sagt Landrat Toni Huber. „Erst dann werden wir entscheiden, ob eine Ausgangsbeschränkung erforderlich ist.“

Wo keine Ausgangssperre gilt, können die Supermärkte auch wieder länger als 20 oder 21 Uhr öffnen. Davon machen die Rewe-Märkte Gebraucht, wie eine Sprecherin auf Anfrage bestätigt: „Dort, wo keine Ausgangsbeschränkung ausgesprochen wurde, werden unsere Märkte wieder regulär geöffnet haben. In der Regel also bis 22 Uhr, an wenigen Standorten bis 24 Uhr.“

Auch ein Real-Sprecher sagt: „Wo möglich, sind unsere Märkte wieder bis 21 Uhr respektive 22 Uhr geöffnet. Wir richten uns bei der Gestaltung der Öffnungszeiten unserer Märkte in Baden-Württemberg nach den jeweiligen aktuell gültigen Vorgaben der Landkreise, beziehungsweise der Städte.“

Polizei zur neuen Regelung: „Weiter mit Augenmaß“

Edeka-Südwest-Sprecher Florian Heitzmann teilt mit: „Die von uns in Eigenregie betriebenen Märkte in Baden-Württemberg schließen bis auf Weiteres um 21 Uhr.“ Doch die Mehrzahl der Edeka-Märkte werde von selbstständigen Kaufleuten betrieben, diese bestimmen die Öffnungszeiten für ihre Filiale. Auch die Scheck-In-Center öffnen wieder, wo es möglich ist, bis 22 Uhr, heißt es auf Anfrage.

Problematisch wird es etwa für Bürger, die später am Abend in einem Landkreis ohne Ausgangssperre einkaufen und nach Hause in einen Landkreis mit Ausgangssperre fahren.

Wer sich zwischen 21 und 5 Uhr trotz der Ausgangssperre ohne triftigen Grund außerhalb der Wohnung oder Unterkunft aufhält, kann mit einem Bußgeld zwischen 50 und 500 Euro bestraft werden. Das Land Baden-Württemberg schlägt einen Regelsatz von 75 Euro vor.

Die Polizei Karlsruhe hat im Stadtkreis mit Menschen zu tun, die sich derzeit auch am späten Abend in der Öffentlichkeit bewegen dürfen. Im Landkreis Karlsruhe aber gilt ab 21 Uhr die Ausgangssperre. „Die Beamten kontrollieren weiter mit Augenmaß“, sagt eine Sprecherin. Die Zahl der Kontrollstellen werde nicht erhöht. „Das läuft weiter im Rahmen der routinemäßigen Kontrollen.“

Wenn ein Autofahrer nach dem Einkauf in der Stadt wenige Minuten nach 21 Uhr noch im Landkreis einfahre, werde nicht viel passieren. „Die Grenzen von Stadt- und Landkreis sind ja auch fließend. Aber wenn jemand massiv gegen die Regeln verstößt oder offensichtlich lügt und unfreundlich ist, ist das eine andere Geschichte.“

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