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Absaugen statt totspritzen

Der Eichenprozessionsspinner ist wieder da: Wie man um Karlsruhe gegen ihn vorgehen will

Karlsruhe behandelt 2.700 Eichen – doch die Naturschutzverbände fordern einen maßvollen Biozid-Einsatz gegen Eichenprozessionsspinner.

Präventive Anwendung: Ein Unimog sprüht auf einem Autobahnparkplatz ein Biozid auf Eichen.
Ein Unimog sprüht auf einem Autobahnparkplatz ein Biozid auf Eichen. Foto: Jonas Güttler/dpa

Rund 2.700 Eichen im Karlsruher Stadtgebiet werden in diesen Tagen mit einem Pflanzenschutzmittel auf der Basis von Neemöl behandelt. Damit sollen die Larven des Eichenprozessionsspinners (EPS) präventiv bekämpft werden, erklärt das Gartenbauamt. Viele andere Kommunen setzen ebenfalls auf dieses Mittel. Experten der Naturschutzorganisationen NABU und BUND sehen den Einsatz hingegen skeptisch.

„Mit Beginn des dritten von insgesamt sechs Larvenstadien, in der Regel also ab April/Mai, beginnen die Raupen, mit Widerhaken versehene Brennhaare auszubilden, die ein Nesselgift enthalten“, erklärt das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Nach einem Hautkontakt kann eine allergische Reaktion die Folge sein. „Sie äußert sich durch unangenehmen Juckreiz und Hautentzündungen“, beschreibt das Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg die Folgen. Reizungen der Augen und der Atemwege sind auch möglich.

„Haus-, Nutz- und Wildtiere leiden ebenfalls durch den Kontakt mit den Brennhaaren“, betont das Forschungsinstitut des Bundes. Der forstwirtschaftliche Schaden fällt hingegen nicht so sehr ins Gewicht. Von einmaligem Kahlfraß erholen sich Eichen relativ gut, wiederholter Kahlfraß kann sie aber absterben lassen.

Parkanlagen, Sport- und Spielplätze im Fokus

Um es gar nicht soweit kommen zu lassen, setzen Städte und Gemeinden unter anderem in Parkanlagen, auf Sport- und Spielplätzen, Schulhöfen und entlang von Fahrrad- und Wanderwegen auf vorbeugende Behandlung. „Über ein Standrohr spritzen Fachleute das mit Wasser vermischte, aus den Samen des Neembaums gewonnene Öl vom Fahrzeug aus in die Baumkronen“, beschreibt das Karlsruher Gartenbauamt die Prozedur.

Weiter heißt es: Neemöl sei ein natürliches Öl. „Das Mittel ist für Säugetiere, Vögel und ausgewachsene Insekten unbedenklich, verhindert bei Larven aber das Häuten und Verpuppen und somit den Übergang in das nächste Wachstumsstadium.“ Naturschutzexperten sehen das nicht ganz so entspannt: Neemöl sei ein Biozid und schädige als Fraßgift alle Insekten, die es fressen. „Beim Pestizideinsatz gibt es keine Wirkung ohne Nebenwirkung“, erklärt Verena Riedl vom NABU-Bundesverband in Berlin.

Sie ist dort Referentin für Biodiversität und Ökotoxologie. „Jedes Pestizid, ob es nun chemisch-synthetischer Natur oder natürlicher Herkunft ist, wirkt nicht ausschließlich auf die Ziel-Organismen, sondern hat auch negative Auswirkungen auf andere Organismen.“ Zudem können Boden und Gewässer betroffen sein.

Jedes Pestizid wirkt nicht ausschließlich auf die Ziel-Organismen.
Verena Riedl, NABU-Bundesverband

Almut Sattelberger vom Umweltzentrum Ulm des BUND sieht es genauso. „Neemöl ist problematisch, weil es auch die Entwicklung vieler anderer Insektenlarven verhindert.“ An Eichen leben Tausende Insektenarten. Der BUND fordert, EPS lokal begrenzt und nur dort zu bekämpfen, wo eine gesundheitliche Gefährdung für Menschen oder Haustiere besteht. „Es sollte nur behandelt werden, wo im vergangenen Jahr ein Befall festgestellt wurde“, so Sattelberger weiter.

Vielleicht würde es auch ausreichen, die Bäume zu überprüfen und an kritischen Bereichen wie Kinderspielplätzen, Waldgaststätten die Tiere mechanisch zu entfernen, schlägt der NABU vor. Es gibt Firmen, die sich auf das Absaugen der Larven spezialisiert haben.

Die kommunalen Einsätze wie in Karlsruhe sind vom Pflanzenschutzgesetz gedeckt, betont das Julius-Kühn-Institut. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist das verwendete Mittel für die Ausbringung mit Bodengeräten nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zugelassen – unter Beachtung zahlreicher Auflagen. Dazu zählen ausreichender Abstand zu Gewässern und der Einsatz nur bei windstillen und niederschlagsfreien Wetterlagen.

Natürliche „Feinde“ könnten auch gegen den Eichenprozessionsspinner helfen

Viel besser wäre es, die Larven ihren natürlichen Fressfeinden zu überlassen, schreibt der BUND in einem Positionspapier. Für Blaumeisen, Kohlmeisen und Rotkehlchen sind sie eine Leibspeise. Dazu müssen natürlich die Lebensräume der Vögel geschützt und verbessert werden. Sollten sich die Raupen schon im fortgeschrittenen Stadium befinden, könnte der Kuckuck eine Hilfe sein: Der ist nämlich gegen die Brennhaare unempfindlich.

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