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Flugverkehr der Zukunft

Der komplexe Weg zum klimaneutralen Fliegen

Auch in Baden-Württemberg forscht man in Sachen klimaneutrales Fliegen. Doch der Teufel steckt im Detail, und manchmal behindert auch die Bürokratie

Über den Weg zum klimaneutralen Fliegen unterhalten sich Josef Kallo (l), CEO der H2Fly GmbH, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Januar 2023 bei der Vorstellung des Projekts „Hydrogen Aviation Center“. 
Über den Weg zum klimaneutralen Fliegen unterhalten sich Josef Kallo (l), CEO der H2Fly GmbH, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Januar 2023 bei der Vorstellung des Projekts „Hydrogen Aviation Center“.  Foto: Marijan Murat/dpa

Auch Baden-Württemberg soll im Rahmen seiner Möglichkeiten nach dem Willen der Landesregierung einen weniger klimaschädlichen Flugverkehr erreichen.

Neue Kraftstoffe und Technologien

Im Visier ist der Einsatz alternativer Flugkraftstoffe, die Optimierung der Abläufe sowie die Entwicklung neuer effizienterer Technologien und Flugzeugtypen.

Über den Weg dahin und die Erfolgsaussichten gibt es allerdings unterschiedliche Einschätzungen. Unser Korrespondent beantwortet die wichtigsten Fragen. 

Was sind die technologischen Ansätze, die für eine Umstellung verfolgt werden?
Aktuell wird an drei technologischen Ansätzen geforscht: Synthetische Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels/SAF, reFuels), Brennstoffzellenantriebe sowie rein elektrische Luftfahrzeuge. SAF ist ein Oberbegriff für alle nachhaltig produzierten Flugkraftstoffe. Die EU will ab 2025 die Beimischung von SAF stufenweise für herkömmliches Kerosin vorschreiben. Zu SAF zählen Power-to-liquid-Kraftstoffe (PtL)und Biokraftstoffe. Ausgangsmaterialien für Biokraftstoffe können zum Beispiel fetthaltige und cellulosehaltige Pflanzen oder auch Bioreste sein. Für PtL-Kraftstoffe wird aus Wasserstoff und Kohlendioxid ein Synthesegas erstellt. Aus dem Synthesegas, Pflanzen und Bioresten lässt sich dann in verschiedenen Verfahren Kerosin gewinnen. „Es wird sich in einigen Jahren zeigen, welcher Energieträger sich durchsetzt. Das Land fördert hier technologieneutral“, heißt es in einer Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion.
Was genau passiert in dieser Sache in Baden-Württemberg und vor allem am größten Flughafen im Land in Stuttgart?
Nicht nur große Flugzeughersteller wie Airbus, sondern auch das Stuttgarter Start-up H2Fly forschen an Wasserstoffflugzeugen, Kopf ist der Ulmer Professor Josef Kallo. Am 29. September 2016 hatte das Testflugzeug HY4 seinen Erstflug. Es hat einen Elektroantrieb, wird mit Brennstoffzellen und Batterien angetrieben und kann vier Personen mehrere hundert Kilometer weit transportieren. Für größere Flugzeuge müssen vor allem leichtere Brennstoffzellen und Batterien entwickelt werden. Daran wird bei H2Fly im Projekt Exzellenzzentrum für wasserstoffelektrische Luftfahrt am Flughafen Stuttgart gearbeitet.
Wie weit ist das Projekt und wie sieht die Förderung des Landes aus?
Das Land fördert seit 2022 den Aufbau des Exzellenzzentrums unter Leitung von H2FLY mit 5,5 Millionen Euro. Ziel ist es, eine bis zu 40 Sitzplätze fassende Dornier 328 mit wasserstoffelektrischem Antrieb zur Marktreife zu bringen. Am 30. Januar 2023 wurde zusammen mit H2Fly der Projektstart für den Bau eines Hydrogen Aviation Centers bekannt gegeben. Laut Landesregierung soll im zweiten Halbjahr 2024 mit dem Bau des Hangars in Stuttgart begonnen werden. Allerdings ist die Landesregierung überzeugt, dass Luftfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb oder batterieelektrischem Antrieb aus „Gewichtsgründen voraussichtlich zunächst nur für Passagierkapazitäten mit bis zu 40 Sitzplätzen und begrenzte Reichweiten zur Verfügung stehen“, man sehe das Land dabei aber „sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich in einer guten Ausgangsposition“.
Welche Mitspieler gibt es noch neben dem Stuttgarter Flughafen und H2Fly?
Dabei verweist das Land auch auf das Bruchsaler Unternehmen Volocopter und die Aerostack GmbH. Dies ist ein Joint Venture von Airbus und dem schwäbischen Autozulieferer ElringKlinger, um Brennstoffzellen für die Personenluftfahrt zu entwickeln. ElringKlinger soll seine Brennstoffzellentechnologie einbringen. Hinzu kommen Forschungseinrichtungen wie an der Universität Stuttgart und die DLR Institute für Bauweisen und Strukturtechnologie, für Verbrennungstechnik und für technische Thermodynamik, die ebenfalls vom Land gefördert werden. Zudem fördert das Land am DLR-Standort Lampoldshausen das Wasserstoff-Technikum und damit die Produktion von grünem Wasserstoff.
Steht Baden-Württemberg damit gut da oder gibt es auch Kritik?
Der FDP-Verkehrs- und Wirtschaftsexperte Hans Dieter Scheerer beklagt eine „negative Meinungsmache“ gegen das Fliegen. Immer wieder werde dogmatisch beispielsweise ein Verbot von Kurzstreckenflügen gefordert, obwohl diese „fast ausschließlich Zubringer zu langen internationalen Flügen“ seien. Zudem seien die regionalen Flughäfen, wie auch Baden-Baden/Karlsruhe, wichtige Wirtschaftsfaktoren mit unzähligen Arbeitsplätzen für ihre Region. „Im internationalen Vergleich hinken wir deshalb teilweise hinterher – speziell mit Blick auf die USA.“ Dort arbeiten Alaska Airlines und ZeroAvia an der Entwicklung des bisher größten emissionsfreien Flugzeugs der Welt. Ein ausgemustertes Flugzeug des Typs Bombardier Q400 mit 76 Sitzplätzen wird mit einem wasserstoffelektrischen Antriebssystem ausgerüstet. Im Juni 2023 besuchte eine baden-württembergische Regierungsdelegation den Sitz von Alaska Airlines in Seattle und zeigte sich beeindruckt von den Planungen des Unternehmens auf dem Weg zu „zero emission aviation“. „Um solche Innovationen letztendlich auch bei uns zu haben, muss nicht ein Umdenken der Menschen weg vom Fliegen, sondern der Landespolitik weg von einer falschen Anti-Fliegen-Ideologie stattfinden“, ist Scheerer überzeugt.
Wie steht es um die Klimaneutralität des direkten Flughafenbetriebs in Stuttgart?
Stuttgart soll „dauerhaft einer der leistungsstärksten und nachhaltigsten Flughäfen in Europa sein“, so der Anspruch der Landesregierung. Vieles ist in der Tat schon passiert, andere Dinge laufen oder sind in Vorbereitung. Am Flughafen werden die meisten Fahrzeuge bereits vollständig elektrisch betrieben. Eine große Ausnahme sind noch die schweren Tankwagen. Bis 2025 sollen die weitere Elektrifizierung schwerer Fahrzeuge erfolgen sowie der Ausbau der Wärmespeicher und der erneuerbaren Wärmeerzeugung vorangetrieben werden. Bis 2030 soll die Vorfeldflotte (Gepäckschlepper, Passagierbusse oder Pushback-Fahrzeuge) gänzlich klimaneutral betrieben werden. Für entscheidend hält der Flughafen die energetische Sanierung der Betriebsgebäude. Dazu zählen insbesondere die teilweise über dreißig Jahre alten Terminals. Die energetische Sanierung der Terminalgebäude 1 bis 3 soll laut Landesregierung zwischen 2035 und 2040 stattfinden.
Läuft dies am Stuttgarter Flughafen alles reibungslos?
„Bürokratie ist leider, wie mittlerweile in fast allen Bereichen unseres Lebens, eines der größten Probleme und Hindernisse“, ist der FDP-Landtagsabgeordnete Scheerer überzeugt und nennt ein Beispiel: Der Flughafen Stuttgart möchte auf einem Großteil der Grünflächen im Flughafengebiet Photovoltaikanlagen bauen, um so den Strom- und Energiebedarf für seine vollelektrische Fahrzeugflotte und für seine Kunden zu decken. „Diese PV-Anlagen werden aber von der unteren Naturschutzbehörde (Landratsamt Esslingen) nicht genehmigt, weil eventuell Rebhühner auf den Wiesen des Flughafens leben und die Anlagen dann einen größeren Mindestabstand zum Boden brauchen. Das kann aber auch nicht einfach so gebaut werden, da gleichzeitig die Einfallswinkel des Lichts beachtet und ein mögliches Blenden der Piloten ausgeschlossen werden müssen“, sagt Scheerer.
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