Ein eher trockenes Frühjahr hat die Vermehrung von Insekten sichtbar befördert. Gefühlt gibt es aktuell gerade einen Boom bei Käfern, Faltern und anderen Kleininsekten. Auch Fachleute machen diese Beobachtung – erkennen dabei aber weiterhin keine Trendumkehr des seit 30 bis 40 Jahren massiv anhaltenden Insektensterbens.
Das wird besonders von der Intensivlandwirtschaft, monotonen Steingärten und allgemein „ausgeräumten Landschaften“ ausgelöst. Herumschwirrende Insekten werden, wenn überhaupt, vom Menschen meist emotional wahrgenommen – als lästig und schädlich, und damit negativ, oder aber positiv, als ästhetisch reizvoll und „fleißig“.
Je nachdem, ob es sich um Mücken handelt – oder bunte Schmetterlinge und Bienen. Insekten haben dabei wichtige Schlüsselfunktionen in Ökosystemen. Sie sind unverzichtbar für menschliches Leben. Eine Zunahme, gerade im Frühjahr, erscheint als ein positives Signal. Zumindest auf den ersten Blick.
Mücken-Schwärme und tote Insekten an Autoscheiben verstärken die Wahrnehmung
Ob kleine Mücken-Schwärme beim Spaziergang am Rheinufer – oder Autoscheiben, die bei Fahrten über Land wieder häufiger verklebt sind von kollidierenden Kleintieren: es scheint, als ob es wieder mehr Insekten gibt. „Die Landschaft ist derzeit wesentlich grüner und blütenreicher als in einigen Vorjahren“, so ist die Erfahrung von Hartmut Weinrebe, Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands in Karlsruhe.
„Verkehrstote“ nennt er die kollidierenden Kleintiere auf den Straßen. Es sind dabei auch zahlreiche Käfer oder Schmetterlinge, die an der Windschutzscheibe oder dem Kühlergrill von Autos „plattgedrückt“ werden. Früher war das die Regel – zuletzt sah man es weniger häufig. Von einem „normalen, schön kühlen Frühling“, spricht dagegen Robert Trusch, der Experte im Fachbereich Entomologie (Insektenkunde) am Naturkundemuseum Karlsruhe.
Eine derzeit subjektive wahrgenommene Häufung von Insekten führt er vorwiegend zurück auf die Witterung in diesem Frühjahr. Das kühle Wetter noch im April habe zu einer verzögerten Entwicklung geführt, und so würden nun „mehr Arten auf einen Schlag kommen“. Die Vorfrühlingsarten würden sich „zusammendrängen mit den späteren Frühsommerarten“, verdeutlicht Trusch. Er hatte – zusammen mit Experten der LUBW (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) mit Sitz in Karlsruhe – erst vergangenen Oktober eine umfangreiche Studie zum besorgniserregenden Rückgang der Nachtfalter vorgelegt.
Wahrnehmung bedeutet nicht, dass Insektensterben gestoppt ist
Und: Experten wie er sehen weiterhin keine Trendwende. Auch Lilith Stelzner, Referentin für Naturschutzfragen beim BUND-Landesverband in Stuttgart, verweist darauf, dass noch 2021 vorgelegte Studien „einen weiteren massiven Rückgang der Insektenpopulationen“ zeigen würden. Wobei sie einräumt, dass es auch regionale Unterschiede gebe. In den Zeiträumen von 30 bis 40 Jahren sei „ein Rückgang von 80 Prozent Biomasse bei den Insekten“ zu beklagen.
Sie nennt als einen wichtigen Nachweis die „Krefelder Studie“ – erstellt 2017 von ehrenamtlichen Insektenkundlern des Entomologenvereins Krefeld. Auch die Artenzahl sei im gleichen Zeitraum um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen. Bei der LUBW verweist man auf die Monate Juni und Juli, als die Zeiträume „mit der größten Biomasse an Insekten“. Diese könne sich aufgrund verschiedener Faktoren kurzzeitig augenscheinlich „explosionsartig“ entwickeln.
Es gibt verschiedene Gründe für den Rückgang der Insekten
Mit Faktoren wie beispielsweise den jährlichen oder periodischen Entwicklungsphasen von Insekten, aber auch der Wetterlagen. Sowohl BUND-Expertin Stelzner, als auch eine LUBW-Sprecherin nennen die „Verarmung von Lebensräumen“, sowie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die allgemeine Lichtverschmutzung und den Klimawandel als Ursachen für den Schwund der Insekten-Population.
„Derzeit regional unterschiedliche Häufungen von Insekten haben nichts mit einer generellen Trendumkehr zu tun“, ist sich der Karlsruher Entomologe Robert Trusch sicher. Es sei, sagt er, sowohl in der Landwirtschaft, wo es immer weniger Ackerrandstreifen gebe – als auch allgemein bei der Nutzung der Landschaft „immer noch alles viel zu ordentlich“.
Und Lilith Stelzner weiß zudem aus Erfahrung, dass es – bei Anlage neuer Blühwiesen – drei bis fünf Jahre dauern kann, bis etwa Wildbienen die Lebensräume wieder neu besiedeln.