Die Eskalation aus Kassel erreicht nun auch die Region um Karlsruhe. Nachdem über 20.000 Menschen in Kassel gegen Corona-Auflagen demonstrierten, sind in sozialen Netzwerken Videos aufgetaucht. Darin zu sehen: Die Rangelei um ein Transparent, zwei Tritte, ein Schlag – und Aktivist Marco Kurz. In den sozialen Netzwerken wird der Fall diskutiert. Das Bündnis „Karlsruhe gegen Rechts“ schreibt: „Einer der Straftäter ist der bekannte Rechtsextremist Marco Kurz.“
In der 6.000-Einwohner-Gemeinde Ottersweier (Landkreis Rastatt) organisiert Kurz regelmäßig Demos „Für Freiheit und Selbstbestimmung“. Es geht um Kritik an der Corona-Politik, behördliche Beobachter berichten von einem moderaten Ton. Ein Transparent („Ihr Volksvertreter seid Volksverräter“) zeigte dabei aber schon, dass es auch andere Töne geben kann.
So scheiterte einmal ein von ihm geplantes Projekt, mit 500.000 Demonstranten nach Berlin zu ziehen und die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.
In drei Videos aus Kassel ist Kurz nun inmitten einer Auseinandersetzung zu sehen. Klar erkennbar: Gegendemonstranten mit einem Transparent, sie halten „Querdenker“ auf. Einer entreißt das Transparent, es gibt ein Gerangel. Und Marco Kurz, der den Gegendemonstranten mit zwei Tritten und einem Fotografen mit einem Schlag ins Gesicht nachsetzt.
Es gibt drei Sichtweisen. Das Aktionsbündnis gegen Rechts, das Kurz aus Demos in Ottersweier kennt. Marco Kurz, der gegenüber den BNN seine beiden Tritte und einen Faustschlag bestätigt. Ein Fotograf, der von ihm im Gesicht getroffen wurde.
Marco Kurz: Menschen um ihn waren eine Gefahr
„Wir sind nicht überrascht, dass er gewalttätig wurde“, sagt eine Sprecherin von „Ottersweier gegen Rechts“. „Wir sind nur überrascht, dass er erwischt wurde.“ Bei seinen Demos in Ottersweier zeige sich Kurz provokant, aber nicht gewalttätig. „Vor Ort hätte er das nicht gemacht“, ist sich die Sprecherin sicher. „In Kassel dachte er wohl, er wird nicht erkannt.“
Kurz selbst schildert den Vorfall gegenüber den BNN so: Einer der Gegendemonstranten sei „höchstgradig aggressiv“ gewesen, drum herum hätten einige Pressevertreter gestanden. „Man hat sich fast gefühlt, als würde man auf einer Bühne stehen“, sagt Kurz. „Ich gehe davon aus, dass die Situation gezielt herbeigeführt wurde.“
Ich gehe davon aus, dass die Situation gezielt herbeigeführt wurde.Marco Kurz, Aktivist
Er habe einem Versammlungsteilnehmer im „wilden Gerangel“ helfen wollen. Die beiden Tritte räumt er ein. „Ich war plötzlich inmitten eines wilden Haufens an Menschen, die mehr oder weniger eine Gefahr für mich darstellten.“
Fotograf: Ein Blickkontakt, dann kam die Faust
Er habe dann einen Mann gesehen, der eine Frau angegangen habe. Auch den Faustschlag gibt er zu. „Es war aber nur reflexartig als Schutzhaltung, ich wollte der Frau helfen.“
Die Faust traf den Fotografen Felix Dressler. Eine Gesichtsprellung und ein Schleudertrauma habe er erlitten, berichtet Dressler. Wie mehrere Medienvertreter sei er den Versammlungsteilnehmern gefolgt. Diese hätten sich nach einer Megafon-Ansage in Bewegung gesetzt, wonach auf Abstand und Maske verzichtet werden solle. „Es war abzusehen, dass was passiert“, sagt Dressler.
In dem Moment hatte ich auch schon die Faust im Gesicht.Felix Dressler, Fotograf
Doch er rechnete mit Fotos, nicht mit einem Faustschlag. Kurz habe ihn am Rand des Geschehens entdeckt und sei auf ihn zugestürmt, so der Fotograf. „In dem Moment hatte ich auch schon die Faust im Gesicht.“ Eine Frau habe er gar nicht bedrängen können. „Völlig abwegig. Ich hatte beide Hände an der Kamera und habe fotografiert.“
Beim Polizeipräsidium Nordhessen werden derzeit 49 Strafanzeigen bezüglich der Demonstration in Kassel bearbeitet, teilt Sprecher Matthias Mänz auf BNN-Anfrage mit. Dabei gehe es auch um Körperverletzung. Ob eine Anzeige gegen Marco Kurz vorliegt, könne er aus Datenschutzgründen und wegen der Persönlichkeitsrechte nicht sagen. Die Ermittler würden aber in jedem Fall das eigene Videomaterial sichten, ebenso öffentlich zugängliche Videos in sozialen Netzwerken.
Kurz soll in einem Fall zuvor eine Richterin bedroht haben
Ohnehin muss sich Kurz in einer anderen Sache verantworten. Aus Sicht der Koblenzer Generalstaatsanwaltschaft hat er eine Richterin bedroht, in dem er in einer E-Mail von einem möglichen Wiedersehen bei einem „netten Plausch auf der Terrasse“ schrieb. Die Formulierung bezog sich auf den Mord an Walter Lübcke, stellte Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer fest. Die Staatsanwaltschaft hat Klage erhoben, die Entscheidung über ein Verfahren am Amtsgericht Landau steht noch aus aus.
Bürgermeister Jürgen Pfetzer befürchtet derweil nicht, dass sich die Auseinandersetzungen aus Kassel auf seine Gemeinde Ottersweier auswirken. „Die Schneedemos in Ottersweier, die bislang von Herrn Kurz veranstaltet oder mitveranstaltet wurden, gingen alle sehr friedlich über die Bühne“, berichtet Pfetzer. „Ich habe keinerlei Anhaltspunkte, dass sich dies ändern sollte.“ Dennoch verurteile er die mutmaßlichen Übergriffe in Kassel aufs Schärfste.