Zufriedenheit über die liberalen Wahlergebnisse 2021 und den Einzug in die neue Bundesregierung, Attacken auf die grün geführte Landesregierung mit einem so bezeichneten „autoritär-konservativen Ministerpräsidenten“ Winfried Kretschmann sowie ein Bekenntnis zu den Grundrechten auch in der Pandemie: Beim digital abgehaltenen Landesparteitag der FDP am Mittwoch betonte der Landesvorsitzende Michael Theurer in Fellbach: „Es kommt auch darauf an, dass wir uns nicht in dieser Pandemie einrichten.“
Sie gelte es zu überwinden, ohne die freiheitliche Demokratie zu gefährden. „Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.“ Die vierte Corona-Welle sei eben gebrochen worden auch „ohne Lockdown oder Schulschließungen“.
FDP skeptisch bei allgemeiner Impfpflicht
Theurer verwies darauf, dass die Liberalen eine einrichtungsbezogene Impflicht begrüßten. „Gegen eine allgemeine Impfpflicht gibt es aber auch erhebliche Bedenken. Wir müssen eine offene Debatte führen unter Abwägung aller Argumente.“
Fraktionschef Hans-Ulrich-Rülke geißelte erneut die Corona-Politik der Landesregierung, warf ihr Fehlentscheidungen und dem Ministerpräsidenten einen „autoritären“ Kurs vor. Er erneuerte seine Skepsis gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht. „Politiker sollten erst nachdenken, und dann handeln.“
Rülke betonte: „Wenn mir jemand einen Weg aufzeigt, wie wir mit einer Impfpflicht aus der Pandemie rauskommen, dann bin ich geneigt, darüber nachzudenken.“ Schon das fehlende Impfregister sei aber ein zentrales Problem. Mit deutlicher Mehrheit abgelehnt wurde der Antrag eines Delegierten aus Ravensburg, pro erfolgter Corona-Erstimpfung für einen gewissen Zeitraum eine Prämie von 500 Euro zu zahlen und erst danach , falls erforderlich, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen.
Liberale für „krisenfeste Schulen“
In einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Leitantrag fordert die Landes-FDP „krisenfeste Schulen“. Im Antrag wird eine Bildungsgarantie gefordert, „die sich durch einen zuverlässigen, resilienten und sicheren Präsenzbetrieb in den Schulen auszeichnet“. Die Landesregierung habe den „Ausnahmezustand zum Dauerzustand werden lassen“, heißt es, gekennzeichnet von „eiligen und äußerst kurzfristigen Verordnungen“.
Die Liberalen fordern eine Einstellungsoffensive für Lehrkräfte, ein Assistenzlehrkräfte-Programm, den Ausbau der Studienplätze im Grundschul- und Sonderpädagogikbereich sowie ein Ende der Sommerarbeitslosigkeit für angehende Lehrer.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Timm Kern warf der Landesregierung „eine bedenkliche Schieflage“ der Bildungspolitik vor, verursacht auch durch die „Ursünde der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung“. Ohne Not habe die Landesregierung nun eine Debatte über die Realschule vom Zaun gebrochen.
Kern bekannte sich zum bestehenden gegliederten Schulsystem. In Initiativanträgen forderten die Delegierten unter anderem einen Neustart und stärkere Unterstützung für die Tourismusbranche im Land, einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking sowie die Verringerung der Zahl der Landtagswahlkreise von 70 auf 60.
Rekordstand an FDP-Mitgliedern
Passend zum digitalen Parteitag, bei dem nur der Landesvorstand, die Bezirksvorsitzenden und Medienvertreter in Fellbach in Präsenz zusammenkamen, die Botschaften von der Mitgliederfront: 9.750 Mitglieder hat die FDP aktuell und damit mehr als im bisherigen Rekordjahr 1980. „Seit den letzten Landtagswahlen konnten 1.700 Mitglieder dazugewonnen werden“, freute sich Generalsekretärin Judith Skudelny. Ende 2016 waren es auf einem Tiefststand nur 6.400 Mitglieder.