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Landtagswahl

Forscher geben der Sprache in Wahlprogrammen schlechte Noten

Schwer zu erahnen, was eine „Doppelverbeitragung“ ist. Auch die „Aufgabenverteilungswahrnehmung“ ist eher ein Punktetreiber in einem Buchstabenspiel. Aber beide Wörter stammen aus Wahlprogrammen der Parteien. Deren Sprache überzeugt Forscher vor den Wahlen wenig.

Der Medienforscher Frank Brettschneider.
Der Medienforscher Frank Brettschneider. Foto: picture alliance / Marijan Murat/dpa/Archivbild

Wer bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz am 14. März gewählt werden will, muss seine Wähler überzeugen. Parteien listen ihre Vorhaben und Forderungen in Wahlprogrammen auf und werben darin um die Stimmen. Allerdings gelingt es ihnen nach einer neuen Studie vergleichsweise selten, die Wähler in einer leichten Sprache zu überzeugen.

„Einige Programme sind sprachlich nur schwer verständlich“, sagte der Stuttgarter Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Dabei sollten Wahlprogramme eigentlich dazu dienen, Wählerinnen und Wähler zu gewinnen oder zu halten. „Das ist eine verschenkte Chance, die Wählerschaft zu erreichen.“

Vor den Landtagswahlen haben Brettschneider und sein Team die Wahlprogramme der Parteien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf ihre formale Verständlichkeit hin untersucht. Sie nutzen nach eigenen Angaben eine Analyse-Software, um überlange Sätze, Fachbegriffe und zusammengesetzte Wörter zu sichten. So bildeten sie den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“.

Im Schnitt erreichen die Wahlprogramme in Baden-Württemberg 8,5 Punkte auf der Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich). „Damit liegen sie im bundesweiten Vergleich der 16 Bundesländer auf Platz 4“, sagte Brettschneider. In Rheinland-Pfalz liegt der Durchschnitt der Verständlichkeit mit 8,0 Punkten etwas niedriger als in Baden-Württemberg.

Bestwerte im direkten Vergleich erhalte in Baden-Württemberg die SPD mit dem sprachlich verständlichsten Programm, in Rheinland-Pfalz ist es nach Einschätzung Brettschneiders die CDU. Schlusslichter: im Südwesten die FDP, im benachbarten Bundesland die AfD.

Die gute Nachricht: Im Vergleich zu 2016 sei die Verständlichkeit der Wahlprogramme 2021 in beiden Bundesländern gestiegen, meinen die Hohenheimer Wissenschaftler. Dagegen bewegten sich die Wahlprogramme der CDU in Baden-Württemberg und der rheinland-pfälzischen AfD „auf dem Verständlichkeitsniveau einer politikwissenschaftlichen Doktorarbeit“.

Claudia Thoms, Hohenheimer Verständlichkeits-Forscherin, bemängelte unter anderem Fremd- und Fachwörter sowie zusammengesetzte Wörter und Anglizismen. Als Beispiele nannte sie die „Ridepooling-Dienste“, bei der in einigen deutschen Städten auf einer digitalen Plattform Fahrten für mehrere Gäste angeboten werden, die „Brückenprofessuren“, das „Biotop-Altbaum-Totholz-Konzept“, „Strahlformungsantennen“ und „Postwachstumsansätze“.

Unverständlich seien auch der „Diversitycheck“, die „Tenure-Track-Beschäftigungsmodelle“ und die „Beamforming-Antennen“. Die SPD in Baden-Württemberg erläutere Fachbegriffe oft in Form einer Sprechblase. „Das macht die Lektüre auch für Laien einfacher“, hieß es.

Allerdings läsen auch nur sehr wenige Menschen die Wahlprogramme komplett und intensiv durch. Das gilt sogar für Parteimitglieder, will man deren Antworten Glauben schenken: „Fast 50 Prozent der befragten Parteimitglieder gaben an, die Kurzversion ihres Wahlprogramms vollständig gelesen zu haben“, sagte Brettschneider. „Von der Langversion behaupten das nur 16 Prozent.“

Allerdings bleibe der Inhalt natürlich auch bei Wahlprogrammen stets das wichtigste Kriterium: „Unfug wird nicht dadurch richtig, dass er formal verständlich formuliert ist“, sagte er. „Und unverständliche Formulierungen bedeuten nicht, dass der Inhalt falsch ist.“

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