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Meinung

von Jens Schmitz

Kretschmann bevorzugt CDU

Die Grünen konnten sich keine Palastrevolte leisten – doch die Hausmacht des Königs bröckelt

Kretschmann wollte weiterhin mit der CDU regieren, doch der Landesvorstand drohte, ihm die Gefolgschaft zu verweigern. Über den steinigen Weg zum „Weiter so.“

Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Mit seinem Wunsch nach Grün-Schwarz stößt Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der eigenen Partei auf erbitterten Widerstand. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Ein glanzvoller Start sieht anders aus. Keine drei Wochen nach seinem triumphalsten Wahlsieg drohten die Grünen am Donnerstag, Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Gefolgschaft zu verweigern.

Anders lässt sich nicht erklären, warum der Zeitplan für die lang erwartete Kür der künftigen Wunschkoalition gesprengt wurde. Sechs Stunden lang stand die Landespartei vor einem politischen Abgrund. Am Ende ließ sich die Verzögerung nicht einmal mit dem Ringen um etwas Neues begründen, das man der Öffentlichkeit als mutig und aufregend hätte präsentieren können.

Stattdessen soll es ein „Weiter so“ mit der CDU geben, einem deutlich geschwächten Partner mit angeschlagenem Spitzenpersonal. Den Auftakt dazu haben die Grünen nun auch noch versemmelt. Es gibt dabei nur Verlierer.

Kretschmanns Wunsch nach Grün-Schwarz stieß auf erbitterten Widerstand

Die Tragweite der Entscheidung erfordere gründliches und sorgfältiges Abwägen, begründeten die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand kurz vor Mittag die Probleme. Tatsächlich hatte das Sondierungsteam um Kretschmann am Mittwoch ausgiebig getagt, um zu einer Empfehlung zu kommen.

Am Donnerstag beriet dann der Landesvorstand mehrere Stunden – zunächst offenbar, ohne der Empfehlung zu folgen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Basis und große Teile der Fraktion lieber in einer Ampel mit SPD und FDP regieren wollten. Kretschmann selbst strebte offenbar die Fortsetzung mit der CDU an – und stieß damit auf erbitterten Widerstand.

Für die Grünen, die eben noch unangreifbar schienen, war das eine höchst kritische Situation. Wie professionell wirkt schon eine Partei, die sich nach beinahe drei Wochen selbst dann nicht für Partner entscheiden kann, wenn keiner Bedingungen stellt? Das einzige echte Kriterium, so war immer zu hören, werde die Verlässlichkeit von CDU einerseits, SPD und FDP andererseits sein.

Die Grünen gefährdeten ihre Professionalität und Verlässlichkeit

Am Donnerstag drohte der strahlende Wahlsieger selbst zum Wackelkandidaten zu werden: Ist ein Ministerpräsident verlässlich, der gegen seinen Willen in eine Ampel gepresst wird? Oder ein Bündnis mit der CDU, das seine Partei gar nicht trägt?

Als die FDP nachmittags eine Pressekonferenz anberaumte, stand kurzfristig sogar die Möglichkeit im Raum, dass die Grünen mit leeren Händen dastehen könnten. Dann nämlich, wenn die Liberalen sich mit der Begründung zurückzögen, nicht zweite Wahl sein zu wollen, und die CDU in der Folge wieder Forderungen stellen könnte, die es der grünen Basis noch schwerer machten, sich für sie zu erwärmen. Doch die Spitzen von FDP und SPD blieben auch am Donnerstag bei ihrem Kuschelkurs. Es hat ihnen nichts genützt.

Die Grünen haben ihren gesamten Wahlkampf unter dem Slogan „Grün wählen für Kretschmann“ bestritten. Eine Palastrevolte konnten sie sich nicht leisten. Für diesmal hat der 72-Jährige sich deshalb durchgesetzt. Doch die Hausmacht des Königs bröckelt noch vor Antritt seiner voraussichtlich letzten Amtszeit.

CDU erfährt eine weitere Demütigung

Die CDU wird das nicht vergessen. Die öffentlich demonstrierte Abneigung der Grünen bedeutet für die ohnehin am Boden liegenden Christdemokraten eine weitere Demütigung, bevor die politische Ehe steht.

Das vertrauensvolle Miteinander, das Kretschmann so wichtig ist, ist durch seine eigenen Leute beschädigt. Die Chance, Aufbruchs-Stimmung angesichts einer Bündnisses zu verbreiten, an das alle Beteiligten glauben, scheint fürs Erste vertan.

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