Der Genderstern, der Unterstrich, der Doppelpunkt oder das Binnen-I mit der kurzen Sprechpause an der richtigen Stelle, die vielen affektiert vorkommt – das ist ein Aufregerthema.
Das grün-schwarze Versprechen „gleicher Verwirklichungschancen für Frauen und Männer auf allen politischen und beruflichen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen“ schon aus dem Jahr 2016 wartet dagegen, von der Öffentlichkeit wenig beachtet, auf seine Umsetzung.
Der Koalitionsvertrag von 2021 greift das Anliegen immerhin wieder auf: „Wir werden eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie für Baden-Württemberg entwickeln.“ Die Grünen wollen darauf nicht mehr länger warten.
Notwendig sei ein großes Engagement in allen Ministerien, sagt die Landesvorsitzende Lena Schwelling. Und die Grüne Jugend hat auf 23 Seiten konkrete Maßnahmen für alle Ministerien zusammengetragen. Unsere Korrespondentin Brigitte J. Henkel-Waidhofer beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie soll vorgegangen werden?
Es könne nicht sein, finden die beiden Landessprecherinnen des Parteinachwuchses, Sarah Heim und Aya Krkoutli, dass die Grünen am Ende der Legislaturperiode die Politik in Baden-Württemberg 15 Jahre entscheidend mitbestimmt haben und sich trotzdem in Fragen der Gleichstellung strukturell „so wenig getan hat“. In einem ersten Schritt hat die Grüne Jugend einen „Augenöffner“ produziert und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als bekennendem Anhänger des generischen Maskulinums („Liebe Bürger“), mit dem sich auch Frauen angesprochen fühlen sollen, einen gegenderten Koalitionsvertrag übergeben. An nicht weniger als 461 Stellen war ein Stern notwendig, um zu verdeutlichen, dass es unterschiedlichen Geschlechter gibt, mit unterschiedlichen Belangen und Interessen. Um das inhaltlich zu unterfüttern, hat eine elfköpfige Arbeitsgruppe, darunter die beiden Landessprecherinnen, die inzwischen auch von der Mitgliederversammlung verabschiedeten konkreten Vorschläge für jedes einzelne Ressort erarbeitet. Grünen-Landesvorsitzende Lena Schwelling spricht von einem „sehr wichtigen Impuls“, der jetzt aber konsequent weiterverfolgt werden müsse.
Was könnte sofort umgesetzt werden?
Ressortübergreifend verlangt die Grüne Jugend zum Beispiel mehr Pflichtweiterbildungen zur Gleichstellung, zumindest für Führungskräfte. Eine auch öffentlichkeitswirksame Idee, so Heim, wäre sofort zu realisieren und dazu noch kostenlos: Die Ministerien könnten dem Vorbild der Stadt Freiburg folgend die neuen rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um Stellen nur noch in weiblicher Form mit dem Zusatz „(a)“ für „alle“ auszuschreiben, gesucht würden also Sachbearbeiterinnen (a) und alle, also auch Männer, sind mit angesprochen.
Was müssten einzelne Ressorts leisten?
Dutzende Aspekte sind aufgelistet, von der medizinischen Versorgung von Frauen im ländlichen Raum oder von weiblichen Gefangenen bis zum Ausschluss der Teilnahme an Messen oder Veranstaltungen – wie der Expo Dubai –, wenn Machthaber im Veranstalterland Frauenrechte missachten. Vom Innenministerium werden verpflichtende Fortbildungen in der Polizei zur Sensibilisierung und zur Erkennung von Anzeichen für häusliche oder sexualisierte Gewalt verlangt. Oder der vom Ministerium für Wohnen, in der anstehenden Fortschreibung des Landesentwicklungsplans, die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Geschlechter ins Zentrum der Arbeit zu rücken. „Landeseigene Institutionen dürfen keine die Gleichstellung schädigenden Projekte finanzieren“, heißt es unter vielem anderen in den Vorschlägen für das Finanzministerium. „Wer was erreichen will, muss neue Wege gehen“, sagt Aya Krkoutli, „oder auf jeden Fall die alten verlassen“.
Wie geht es weiter?
Schwelling appelliert an alle Ministerien, von sich aus aktiv zu werden, um konkrete Schritte und einen Zeitplan festzulegen. „Wir meinen es mit der Strategie wirklich ernst“, sagt die Landesvorsitzende. Der Koalitionspartner habe dem Vorhaben im Koalitionsvertrag zugestimmt, „und jetzt stehen wir vor einer Mammutaufgabe“. Die Grüne Jugend will mit der Landtagsfraktion über ihr Maßnahmenpaket diskutieren, auch um Informationen darüber in die Wahlkreise zu tragen und dafür zu werben.