Rund 500 Stadtoberhäupter und Ratsmitglieder tagen derzeit in Heidelberg beim Städtetag Baden-Württemberg. Kernthema ist der Klimawandel, „Stadt macht Klima – den Wandel gestalten“ ist das Motto des kommunalen Gipfeltreffens.
Der gastgebende Oberbürgermeister zeigte sich zum Auftakt besonders ambitioniert. Eckart Würzner (parteilos) forderte nicht weniger als einen „Quantensprung beim Weg zur Klimaneutralität“, so berichtet die „dpa“.
Selbstbewusst verwies der OB auf den klimaneutralen Heidelberger Stadtteil „Bahnstadt“. So etwas sollte seiner Meinung nach eigentlich Standard sein, monierte Würzner vor seinen Amtskollegen.
OB-Wahl in Heidelberg im Herbst wirft Schatten voraus
Klimakompetenz dürfte dem OB auch am 6. November nicht schaden. Dann will Würzner von den Heidelbergern in seine dritte Amtszeit gewählt werden. Als Gegenkandidatin hat sich bereits die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zu erkennen gegeben.
Ein aktueller Beschluss seines Gemeinderates sollte dem selbstbewussten OB einen weiteren Trumpf in die Hände spielen: Das Gremium beschloss am Mittwochabend die Einführung eines 3-Euro-Tickets für junge Menschen unter 21 Jahren sowie deutliche Ermäßigungen, etwa 200 Euro auf Senioren-Fahrscheine ab 60 Jahren.
Der Förderschwerpunkt bei der Jugend wurde von der Stadt unter anderem mit einer „intergenerativen Gerechtigkeitslücke“ begründet. Zukünftige Generationen hätten „die Lasten und Auswirkungen heutiger und vergangener Emissionen zu schultern“, so die Beschlussvorlage.
Billig-Tickets für den ÖPNV in Heidelberg kommen schon im September
Die Billig-Tickets sollen schon ab September nach dem Auslaufen des bundesweiten 9-Euro-Tickets zur Verfügung stehen, hieß es. Würzner hatte ursprünglich sogar ein 0-Euro-Ticket angestrebt, konnte dafür aber bei seinen Ratsmitgliedern keine Mehrheit erlangen.
Das Angebot gilt vorerst für ein Jahr. Die jährlichen Kosten werden von der Stadtverwaltung auf 15 Millionen Euro geschätzt. „Durch ein kostenloses beziehungsweise stark vergünstigtes Angebot steigt die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs deutlich und damit auch der Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn“, so der OB. Damit leiste man nicht nur einen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität und zur Mobilitätswende.
Es handele sich auch um eine „soziale Entlastung, die in diesen Zeiten dringend geboten ist“. Nach Angaben der Stadt hatte der OB erstmals im Herbst 2021 vorgeschlagen, nach dem Vorbild von Heidelbergs französischer Partnerstadt Montpellier in mehreren Stufen einen kostenlosen Nahverkehr einzuführen.
Busfahren zum Nulltarif in Walldorf
Vor den Toren Heidelbergs wiederum gibt es eine Stadt, in der es jetzt schon den kostenlosen Nahverkehr gibt. „Busfahren zum Nulltarif gibt es bei uns seit Anfang 2022“, erläutert Armin Rößler von der Stadt Walldorf. Das Angebot gelte nicht nur für Walldorfer Bürger, sondern für alle Fahrgäste innerhalb des Stadtgebietes.
Dazu gehöre auch die Anbindung zum Bahnhof Wiesloch-Walldorf. Grundlage für die Entscheidung sei ein Antrag der SPD-Fraktion gewesen. Nach einer Fahrgast-Analyse soll das Angebot die Stadt lediglich bis zu 70.000 Euro im Jahr kosten, so Stadtsprecher Rößler.
Für Inhaber von Zeitfahrkarten oder Fahrkarten mit anderen Tarifen ergebe sich kein Erstattungsanspruch. Nicht erfasst vom Angebot sind auch „ausbrechende“ und „einbrechende“ Fahrten, das heißt Fahrten vom Stadtgebiet über Walldorf hinaus.
Skepsis im strukturschwachen Pforzheim
Inwieweit Walldorf und Heidelberg als Blaupausen für andere Kommunen im Südwesten dienen können, ist ungewiss. Ein Sprecher von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte auf Anfrage, man begrüße das „kommunale Engagement“ und betonte gleichwohl: „Die entstehenden Kosten hierfür tragen die Kommunen selbst.“
Skeptisch ist der Grünen-Landtagsabgeordnete Felix Herkens aus Pforzheim. „Grundsätzlich sind das natürlich sehr begrüßenswerte Maßnahmen.“ Aber das 9-Euro-Ticket habe gezeigt, dass man nicht nur ein Angebot schaffen dürfe. „Man muss auch die Infrastruktur dazu haben.“ Zudem sei die Finanzierung für viele Kommunen ein Problem. „In Pforzheim können wir uns das absehbar kaum leisten“, so Herkens.
Hinzu komme das Wollen, heißt es aus dem Stadtparlament. Christof Weisenbacher von der Gruppierung „Wir in Pforzheim“ forderte schon mehrfach Entlastungen im Nahverkehr. Doch die Grünen sind dort deutlich schwächer als in Heidelberg. „Bei uns dominieren die Konservativen.“