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Flusspegel im August „dramatisch“ niedrig

Hitzesommer 2022 heizt Sorge um Trinkwasserversorgung an

Von einer Ausnahmesituation will er bei der Dürre und Hitze des Sommers 2022 gar nicht mehr sprechen: Ulrich Maurer, Chef des Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), stimmt die Menschen auf neue gefürchtete Wetter-Rekorde ein.

Ein Thermometer zeigt am 19.06.2013 in Stuttgart (Baden-Württemberg) 36 Grad Celsius an. Foto: Franziska Kraufmann/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Das neue Normal: Temperaturen über 30 Grad verdienen in Baden-Württemberg künftig nicht mehr die Bezeichnung „extrem“. Foto: Franziska Kraufmann

Es ist ein gefürchteter Rekord, auf den Baden-Württemberg zusteuert. Dieser Hitzesommer könnte alles Dagewesene übertreffen.

„Er hat das Potenzial, die Rekordjahre 2003 und 2018 abzulösen und zum heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen zu werden“, erklärt Ulrich Maurer, Präsident der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), als er die ausgewerteten Daten am Dienstag bei einer Pressekonferenz vorstellt. Auch weiter sinkende Grundwasser-Vorräte sagt er voraus.

Schon 23 Hitzetage jenseits der 30-Grad-Marke

Bereits 23 Hitzetage hat das hauseigene Kompetenz-Zentrum Klimawandel registriert – das sind Tage, an denen das Thermometer über die 30 Grad-Marke steigt. Zum Vergleich: Über 27 solcher Hitzetage stöhnten die Menschen im Rekordsommer 2003.

Dass diese Zahl in dieser Saison noch übertroffen wird, hält Maurer für durchaus realistisch: Der Sommer sei ja noch nicht zu Ende. Von einer „Ausnahmesituation“ möchte der neue Chef der Karlsruher Behörde gar nicht mehr sprechen. „Unsere Klimamodelle zeigen uns schon lange, dass wir künftig häufiger solche Sommer erleben werden.“

Der Klimawandel ist da. Zu leugnen macht ohnehin keinen Sinn.
Ulrich Maurer, Präsident der LUBW

Ausgetrocknete Bachläufe, brennende Wälder und ausgedörrte Felder zeugen unübersehbar von der aktuellen Dürre. Die harten Zahlen untermauern, wie regenarm der Sommer 2022 ist.

Knapp 170 Millimeter Niederschläge fielen von Juni bis August im baden-württembergischen Durchschnitt. Ähnlich wenig Regen fiel in den Problemsommern 2003 und 2018 (174 und 164 Millimeter). „Der Klimawandel ist da“, sagt Maurer. „Zu leugnen macht ohnehin keinen Sinn.“

Rheinpegel Maxau auf Tiefstand seit 40 Jahren

Das Wort „dramatisch“ entschlüpft dem Chef der Umweltbehörde, als er über die Situation in den Flüssen spricht. 80 Prozent der Wasserpegel seien Anfang August unter die Durchschnittswerte gesunken.

Auch am Rhein bei Karlsruhe gibt es Rekordverdächtiges: „Der Pegel Maxau war Mitte August niedriger als in den letzten 40 Jahren“, berichtet Maurer.

Neben Hochwasser-Vorhersagezentrale entsteht ein Niedrigwasser-Informationszentrum

In der Vergangenheit war die Bevölkerung in der Rheinebene vor allem auf Schreckensmeldungen vom Hochwasser fixiert. Nun etabliert sich auch das Angstszenario Trockenheit – und die LUBW will darauf systematisch reagieren. Ergänzend zur Hochwasser-Vorhersagezentrale werde sein Haus auch ein Niedrigwasser-Informationszentrum aufbauen, erklärt Maurer.

Die Erde am Rheinufer ist durch die Hitze aufgeplatzt. Immer häufiger herrscht auch in Deutschland eine solche Trockenheit, dass Flüssen das Wasser fehlt und Pflanzen auf den Äckern darben.
Bald ein gewohnter Anblick: Die aufgeplatzte Bodenschicht am Rheinufer schockiert viele Menschen im Hitzesommer 2022. Sie werden sich an mehr Dürreperioden gewöhnen müssen, wie Prognosen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zeigen. Foto: Federico Gambarini/dpa

Der Rheinpegel wird von der Abwärtsentwicklung im Bodensee in Mitleidenschaft gezogen. Bei Konstanz wurde am 17. und 18. August dieses Jahres der niedrigste sommerliche Wasserstand jemals gemessen: 304 Zentimeter. Der See-Pegel lag damit rund 90 Zentimeter niedriger als zu dieser Jahreszeit üblich.

Auch für die Trinkwasserversorgung vieler Gemeinden hat das badisch-schwäbische „Meer“ eine zentrale Bedeutung. Allerdings gibt LUBW-Experte Harald Hetzenauer in dieser Hinsicht Entwarnung. „Insgesamt hat die Bodensee-Wasserversorgung aufs Jahr bezogen 50 bis 60 Prozent der erlaubten Wassermenge gefördert“, sagt er. Man sei also „im grünen Bereich“. Die Lage am See sei nicht dramatisch und der Pegel schon wieder um mehr als 20 Zentimeter gestiegen.

Prognose: Grundwasser-Pegel sinken weiter

Allerdings werden rund 70 Prozent des Trinkwassers für die Baden-Württemberger aus dem Grundwasser hochgepumpt – und hier prophezeit Maurer weiter sinkende Pegel. „Das System ist sehr, sehr träge“, betont er.

„Die Konsequenzen von 2022 werden wir erst noch sehen.“ Im vergangenen Jahr habe das Land zwar glücklicherweise viel Regen abbekommen, doch die Dürre von 2018 sei in puncto Grundwasser „noch nicht ganz vergessen“.

Sogar in den Winterhalbjahren der vergangenen 20 Jahre habe der Südwesten häufig ein Niederschlagsdefizit erlebt – obwohl die Klimamodelle ja zu den Dürre-Sommern auch deutlich nassere Winter vorhersagen.

Umweltministerium: Konflikte um Wasser werden sich verschärfen

Angesichts sinkender Grundwasser-Vorräte stellt sich die Frage: Wie kann die Trinkwasser-Versorgung auch nach vielen staubtrockenen Sommern gesichert werden – und wie kann man harte Verteilungskämpfe um das begehrte Nass verhindern? Antworten darauf will das Stuttgarter Umweltministerium liefern.

Viele Regionen Europas sind seit Anfang des Jahres von einer schweren Dürre betroffen.
Viele Regionen Europas sind seit Anfang des Jahres von einer schweren Dürre betroffen. Foto: Uncredited/AP/dpa

Es arbeitet an einer „Wassermangel-Strategie.“ Schon aktuell müssen rund 20 Kommunen in Baden-Württemberg den Wasserverbrauch einschränken.

„Klar ist: Zukünftig werden wir mehr Wasser in Dürrezeiten zum Beispiel zur Trinkwasserversorgung in Ballungsräumen oder in der Land- und Forstwirtschaft benötigen“, erklärt Bettina Jehne, die Sprecherin von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) auf Anfrage. „Nutzungskonflikte werden sich verschärfen.“

Das ausgetrocknete Flussbett der Dreisam bei Teningen.
Das ausgetrocknete Flussbett der Dreisam bei Teningen. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/Archivbild

Dass gelegentlich Tankwagen vorfahren, um Trinkwasser zu liefern, darauf müssen sich voraussichtlich mehr Menschen einstellen. Hochkomplex ist die Frage der fairen Verteilung von rarem Wasser.

„Man kann dann ja nicht einfach sagen: Die Landwirtschaft kriegt etwas, die Industrie nicht“, sagt Jehne. Auf Gemeinde-Ebene allein werde die Wasserversorgung in künftigen Dürrezeiten jedenfalls nicht mehr funktionieren. Deshalb trage das Land nun systematisch Daten zusammen und überarbeite ihr Messnetz – mit Hilfe der LUBW.

Riesige Zisternen allein sind auch keine kluge Lösung

Wer kann noch Wasser abgeben? Wer braucht dringend welches? Kann man neue Quellen erschließen? Wie steuert man die Starkregen-Mengen – und wie viel Regenwasser darf wo längere Zeit gespeichert werden?

Solche heiklen Fragen sollen künftig im Zusammenspiel geklärt werden. Wenn nun zahllose Grundbesitzer einfach riesige Zisternen anlegten, um Regenwasser zu speichern, wäre das auch keine Lösung, betont Walkers Sprecherin: Dann könnten Bäche und Flüsse noch tiefer fallen.

Zuerst den Pool wegpacken, danach den Rasensprenger?

Die Verbraucher sollten sich laut LUBW-Präsident Maurer darauf einstellen, nicht nur Gas, sondern auch Wasser zu sparen. „Alle Maßnahmen helfen“, sagt er.

„Sehr viele bewässern schon ihre Gärten nicht mehr.“ Worauf Privatleute wohl als erstes verzichten müssen, wenn Sommer wie 2022 zur Normalität werden? „Wahrscheinlich werden die gefüllten Swimmingpools als erstes abzustellen sein“, sagt die Sprecherin der Umweltminsterin, „als zweites die Rasenbewässerung“.

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