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„Seid mutig! Macht auf dicke Hose!“

„Ist Ihrer Frau so langweilig, dass sie einen Laden aufmachen muss?“ - Drei Gründerinnen berichten über ihre Erfahrungen

Die Anzahl der weiblichen Unternehmensgründungen bleibt weit hinter der der männlichen zurück? Kein Wunder, eigentlich. Denn viele Faktoren machen es Frauen schwerer. Oder doch nicht? Drei Gründerinnen erzählen von ihren Erfahrungen.

Alwina Droll steht vor der Glastür ihres Ladens „Hasenliebe“. Sie stützt ihre Hände auf ein Schild mit der Aufschrift „geöffnet“ auf.
Es gibt Geschichten, die katapultieren den erstaunten Zuhörer direkt zurück ins tiefste Mittelalter. Alwina Droll hat eine davon zu erzählen. Sie handelt von ihrer Unternehmensgründung. Foto: Sibylle Kranich

Es gibt Geschichten, die katapultieren den erstaunten Zuhörer direkt zurück ins tiefste Mittelalter. Alwina Droll hat eine davon zu erzählen. „Als ich mit 40 bei der Bank war, um einen Existenzgründer-Kredit zu beantragen, hatte ich bereits vorab meinen Businessplan zugeschickt, damit der Banker meine Idee, meine Vorgeschichte, aber vor allem meine Qualifikation kennt, und damit wir sofort in die Tiefe der Verträge einsteigen konnten. Mein Mann war zu meiner seelischen Unterstützung dabei. Wir wurden beide recht freundlich begrüßt und dann kam folgende Aussage: ‘Na Herr Droll, ist ihrer Frau mit 40 und drei Kindern so langweilig, dass sie nun einen Laden aufmachen muss?’“

Solche Geschichten sind kein Einzelfall. Auch das, was Alwina Droll danach erlebte, ist eher typisch. „Im Verlauf des Gesprächs wurde schnell klar, dass der Banker meine Unterlagen nicht einmal angeschaut hatte. Viel interessanter waren die Bilanzen meines Mannes.“

Von 100 Gründern sind nur 16 Frauen

Dass die Zahl der selbstständigen Frauen in Deutschland immer noch weit hinter der der Männer zurückbleibt, ist also eigentlich kein Wunder. „Männer tun sich bei der Unternehmensgründung leichter, weil sie berufsbezogener vernetzt sind“, hat auch Ilona Schiel-Eisen festgestellt.

2007 und mitten in der Finanzkrise machte sich die heute 57-jährige Mutter zweier Söhne selbständig. Zuvor hatte sie jahrelang als Bankbetriebswirtin gearbeitet. Die Finanzierung ihres Start-ups konnte sie also selbst übernehmen. Trotzdem hätte sie sich damals mehr Unterstützung gewünscht. Gerade was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Mit ihrer Firma „ISE-Menschen verbinden“ bietet Ilona Schiel-Eisen Beratung und Begleitung von Organisationen , Teams und Einzelpersonen mit kompetenzaktivierenden Konzepten.

Ilona Schiel-Eisen steht neben einem Flipchart mit einer Mindmap. Sie trägt ein rotes Kleid.
„Männer tun sich bei der Unternehmensgründung leichter, weil sie berufsbezogener vernetzt sind“, hat auch Ilona Schiel-Eisen festgestellt. Foto: Sibylle Kranich

Alwina Droll ist in einem ganz anderen Bereich tätig. Nach langen Jahren als selbstständige Grafikdesignerin erfüllte sie sich einen langgehegten Wunsch. Im Karlsruher Stadtteil Neureut, weit abseits vom Publikumsverkehr einer Einkaufsstraße, eröffnete sie ihr Geschäft.

„Hasenliebe“ heißt der Laden, in dem es exklusive Kinderschuhe und alle möglichen ausgefallenen Geschenke für Kinder und frisch gebackene Eltern gibt. „Ausgerechnet einen Kinderladen! Das braucht doch kein Mensch“, hatte der Finanzierungsberater gestöhnt.

Alle streben nach Unabhängigkeit

Bei allen Fährnissen – was Gründerinnen wie Alwina Droll und Ilona Schiel-Eisen antreibt, ist stärker als alle Bedenken und Furcht. Laut dem Female Founders Monitor 2019 gaben über 80 Prozent aller weiblichen Start-ups als Grund für die Selbständigkeit den Wunsch nach Unabhängigkeit an. „Ich wollte nach meinen Werten und Glaubenssätzen arbeiten“, sagt Ilona Schiel-Eisen.

Auch für Marie Renner, die mit ihrer Digital-Driven GmbH ein Tech-Unternehmen gründete, standen die „Vorteile der Selbständigkeit“ immer im Vordergrund. Nach wenigen Jahren Berufserfahrung gründete sie in Karlsruhe ihre Firma, die als IT-Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen in der immer noch sehr männerdominierten Welt der Informatik tätig ist.

Als größte Herausforderung im Prozess beschreibt die 42-Jährige die Schwierigkeit, „sich jeden Tag aufs Neue treu zu bleiben und den eigenen Weg zu beschreiten.“ Ganz ähnlich empfindet es Alwina Droll: „Ich selbst war das Problem. Ich stand immer wieder kurz davor, den Glauben an mich und mein Können zu verlieren.“

Ums Durchhalten ging es auch bei Ilona Schiel-Eisen. „Ich habe mitten in der Finanzkrise gegründet. Viele meiner Kunden hatten plötzlich kein Geld mehr für mein Angebot.“ Fünf lange Jahre bewies sie Ausdauer, bis Licht am Ende des Tunnels endlich in Sicht kam.

Haben es Männer generell leichter?

Ob Männer als Gründer es generell leichter haben? Die Frage beantworten die drei Gründerinnen sehr unterschiedlich. Marie Renner beispielsweise mag dazu keine pauschale Beurteilung abgeben. „Das kommt bestimmt auf die Branche an.“

Für Ilona Schiel-Eisen spielt das Geschlecht kaum eine Rolle. Sie hält bestimmte Charaktereigenschaften für entscheidend. Alwina Droll dagegen bestätigt ein Gefühl, das viele Frauen haben. „Nach meiner Erfahrung tun sich Männer viel leichter damit, ihre Erfolge auch herauszustellen.“ Bescheidenheit sei in der Geschäftswelt eben keine Zier.

Viele Angebote speziell für Frauen

Um Gründerinnen zu bestärken und zu unterstützen gibt es heutzutage mehr Möglichkeiten denn je. Das Netz ist voller Seiten wie „Deutschestartups.de“, „Gründerinnenzentrale.de“ oder Existenzgruenderinnen.de. Jede Menge Preise wie der „Digital Woman Award“, der „Female-Leadership-Preis“ oder der „Female Founders Cup“ sollen Frauen zur Selbstständigkeit animieren, Podcasts, Videochannel und Selbsthilfebücher ergänzen das Angebot.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass es zu meiner Zeit so viele Förderangebote gab“, sagt Marie Renner. Auch Ilona Schiel-Eisen sieht für Frauen viel mehr Möglichkeiten als früher. Gerade auch weil Familie und Beruf leichter unter einen Hut zu bekommen sind. Dennoch wünscht sich Alwina Droll manchmal den Elan ihrer jungen Jahre zurück. „Mit Überzeugung, Energie und jungem Idealismus ist alles erreichbar.“

Der Rat, den die drei Gründerinnen potenziellen Nachfolgerinnen auf den Weg geben, klingt erstaunlich ähnlich. „Glauben Sie fest an sich und an Ihr Vorhaben und lassen Sie sich von Rückschlägen nicht entmutigen“, meint Marie Renner. „Haben Sie Geduld und Ausdauer. Vernetzen Sie sich“, sagt Ilona Schiel-Eisen.

Alwina Drolls knackiger Ratschlag an ihre Geschlechtsgenossinnen lautet: „Seid mutig und macht auf dicke Hose.“

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