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Generallandesarchiv

Karlsruhe präsentiert größte Extremismus-Sammlung Deutschlands

Anton Maegerle wird als „wichtigster Nazi-Jäger dieses Landes” bezeichnet. Zum Ende seiner Karriere schenkt er dem Generallandesarchiv seine Extremismus-Sammlung. Aus dem Material aus mehreren Jahrzehnten entsteht in Karlsruhe eine Dokumentationsstelle des Landes.

Die ersten Dokumente: Teile der Sammlung sind bereits im Generallandesarchiv angekommen. Die Verantwortlichen des Archivs, Wolfgang Zimmermann (links) und Gerald Maier, sowie Wissenschaftsministerin Theresia Bauer nehmen Zeitschriften entgegen.
Die ersten Dokumente: Teile der Sammlung sind bereits im Generallandesarchiv angekommen. Die Verantwortlichen des Archivs, Wolfgang Zimmermann (links) und Gerald Maier, sowie Wissenschaftsministerin Theresia Bauer nehmen Zeitschriften entgegen. Foto: Uli Deck

Auf einem Tisch im Generallandesarchiv liegt „Zuerst!“, ein durch und durch deutsches Magazin für deutsche Interessen. Die Titelgeschichte lautet „Afrika im Anmarsch“, in der Unterzeile ist von „umvolken“ die Rede. Im Karlsruher Generallandesarchiv werden bald noch mehr rechsextreme Magazine landen. Hier entsteht eine neue Dokumentationsstelle für Extremismus.

Eine solche gibt es auch in Thüringen oder Niedersachsen – aber die Stelle in Karlsruhe wird die bundesweit bedeutendste, da waren sich Archivleitung und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) bei der Vorstellung am Mittwoch einig. „Das wird die Top-Adresse werden”, betonte Bauer.

Das baden-württembergische Selbstbewusstsein hat einen Grund: Anton Maegerle. Der preisgekrönte Journalist wurde schon als „wichtigster Nazi-Jäger dieses Landes” beschrieben. Seit den frühen Achtzigerjahren sammelt der Mann Material und publiziert unter dem Namen Maegerle. Zum Ende seiner Karriere schenkt er es dem Generallandesarchiv.

„Wir haben das Juwel”, sagt Archivleiter Wolfgang Zimmermann. „Wir bauen auf eine Sammlung auf, die ihresgleichen sucht.” Es geht um 2.500 Ordner, 200 Regalmeter und um umfangreiches Datenmaterial. „Jeder Bürger darf in den Archiven alles einsehen. Das können wir bei Maegerle natürlich nicht machen”, sagt Zimmermann. Experten müssen prüfen, welche sensiblen persönlichen Daten schützenswert sind.

Es handle sich um die größte Sammlung in Deutschland in diesem Bereich, sie beinhalte unter anderem Zeitschriften und Dokumente aus dem linken und rechten Spektrum. Nach wochenlangen Verhandlungen ist klar, dass diese geschenkt und im kommenden Jahr an das Generallandesarchiv übergehen sollen. Maegele soll die Arbeiten in den kommenden Jahren fachlich begleiten.

Es gibt leider mehr als genug und auch aktuelle Anlässe.
Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin

Zusammen mit dem bisherigen Archivmaterial sollen sie für Aufklärung sorgen. „Es gibt leider mehr als genug und auch aktuelle Anlässe”, betonte Wissenschaftsministerin Bauer. „Es ist absolut dringlich, dass unsere Demokratie da den Blick schärft. Je mehr wir wissen, desto eher können wir Gegenstrategien für Extremismus entwickeln.”

230.000 Euro stellt das Land für die kommenden beiden Jahre zur Verfügung. Die Verantwortlichen wollen die Maegerle-Sammlung erst einmal im eigenen Haus aufarbeiten und werden dabei auf weitere wissenschaftliche Mitarbeiter zurückgreifen. Auch die Sicherheit bei einer solchen Sammlung müsse erhöht werden, wie Zimmermann erklärte. Es wird leichte bauliche Anpassungen geben. „Dieses Archiv stellt uns vor eine andere Herausforderung als ein Adelsarchiv aus dem 17. Jahrhundert.”

Teilnehmer eines Aufmarsches von Rechtsextremen am 03.06.2017 durch Durlach. Die rechtsextreme Kleinstpartei Die Rechte hat zum «Tag der deutschen Zukunft» aufgerufen.
Teilnehmer eines Aufmarsches von Rechtsextremen am 03.06.2017 durch Durlach. Die rechtsextreme Kleinstpartei Die Rechte hat zum «Tag der deutschen Zukunft» aufgerufen. Foto: Uli Deck/dpa

Das Material solle auch nicht als Lesezirkel für rechte Kreise dienen. „Die Unterlagen würden das hergeben.”

Initiative kam aus dem Landtag

Auch die AfD wurde nicht namentlich, dafür im Hintergrund genannt. Schüler könnten durch die Sammlung originale Dokumente mit der NS-Geschichte vergleichen, sagte Zimmermann. „Dann können sie sehr wohl beurteilen, was Realität ist - und wissen, dass es keinen Vogelschiss in der deutschen Geschichte gibt.”

Die Initiative für eine solche Dokumentationsstelle kommt aus dem Landtag und dessen NSU-Untersuchungsausschusses. „Das kam aus der Mitte des Landtags und wurde von den vier demokratischen Parteien gemeinsam getragen”, betonte Bauer. Auch das darf man als Wink auf die fünfte Partei, die AfD, verstehen.

Doch die Verantwortlichen betonen, dass sie sich nach der umfangreichen Bearbeitung der Maegerle-Sammlung auch um linksextremistische Dokumentationen kümmern möchten. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass es nur in eine Richtung geht”, sagte Gerald Maier, Präsident des Generallandesarchivs.

Zwei Standorte in der engeren Auswahl

Zwei Standorte waren laut Ministerin Bauer in der engeren Auswahl, am Ende setzte sich Karlsruhe durch. Für Maier ist es genau der richtige Ort. In totalitären System würden Archive Dokumente aufbewahren, um sie gegen die Bürger einzusetzen. „Wir bewahren sie für die Bürger auf”, betonte Maier. Als Residenz des Rechts „ist Karlsruhe ein hervorragender Ort” für die Dokumentationsstelle, wie Bauer sagte.

Wie die Sammlung in die Öffentlichkeit gebracht und erweitert werden kann, wird Thema bei zwei Fachtagungen im November und im Januar sein.

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