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Kritik an Horrormeldungen

Kinderärzte: Angst der Eltern vor Masken ist unbegründet

Im Internet kursieren Gerüchte über Todesfälle bei Kindern – schuld sollen die Corona-Masken sein. Sprecher der Fachärzte-Verbände mahnen zur Besonnenheit. Sie warnen davor, Kinder in Angst und Panik zu versetzen.

STAMFORD, CONNECTICUT - SEPTEMBER 09: Kindergarteners, including Harper Shea (5), play with blocks on their first day of class on September 9, 2020 in Stamford, Connecticut. For millions of kindergarteners attending in-school classes for the first time, wearing masks and social distancing at school isn't just the new normal; it is the normal. Life in a time of coronavirus will forever be the way they began their scholastic career. Harper attends Rogers International School, a magnet K-8 school, which is part of Stamford Public Schools. The district is using a hybrid model, which includes both in-school classes and distance learning.   John Moore/Getty Images/AFP== FOR NEWSPAPERS, INTERNET, TELCOS & TELEVISION USE ONLY ==
Gefährdet die Maske die Kleinen? Darüber machen sich viele Mütter und Väter Gedanken – unnötigerweise, wie die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin findet. Foto: JOHN MOORE AFP

Manche Mütter und Väter lassen nicht locker. Sie rütteln an der Maskenpflicht für ihre Schulkinder. „Ich habe es satt, mich diesem Wahnsinn unterzuordnen“, macht eine Erziehungsberechtigte ihrem Ärger über die Corona-Vorsichtsmaßnahmen auf der Facebook-Seite von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Luft. „Bei Maske im Unterricht bleiben meine Kinder zu Hause“, verkündet ein Vater. Und zarte Gemüter gruselt es, wenn sie Gerüchte wie dieses in Internetforen lesen: „Es sind Schülerinnen verstorben, ohnmächtig mit der Maske im Schulbus und in der KINA (Kindernotaufnahme Karlsruhe) verstorben.“

Meldungen von jungen Todesopfern

Aktivisten der sogenannten „Querdenken“-Bewegung streuen Meldungen von mehreren ominösen Todesfällen bei Kindern – und halten die Mund-Nasen-Maske „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ für die Ursache. Hintergrund einiger solcher Meldungen dürfte ein ungeklärter, realer Todesfall einer Jugendlichen aus der Pfalz sein.

In Internet-Zirkeln wurde sofort ein Zusammenhang mit der Maskenpflicht im Schulbus hergestellt, nachdem die Schülerin in einer Karlsruher Klinik starb. In Schweinfurt kursierte eine Schreckensmeldung über ein sechsjähriges Masken-Todesopfer. Reine Erfindung, befand die Schweinfurter Polizei in diesem Fall. Die Beamten appellierten an die Bürger: „Schenkt diesen Fakenews bitte keinen Glauben.“

Die Eltern brauchen da keinerlei Angst zu haben.
Ingeborg Krägeloh-Mann, Kinderärztin und Verbandspräsidentin

Doch die Angst vor „CO2-Vergiftungen“ des Nachwuchses schwappt in Wellen durch Elterngruppen. Ingeborg Krägeloh-Mann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) mahnt zur Besonnenheit: „Die Eltern brauchen da keinerlei Angst zu haben“, sagt die langjährige Ärztliche Direktorin und Professorin der Universität Tübingen. Es gebe „keinerlei Hinweise“ auf problematische Kohlendioxid-Konzentrationen unter Alltagsmasken. „Der Gasaustausch ist nicht wesentlich verändert“, sagt die Medizinerin – das hätten selbst anstrengende Sport-Versuche mit Erwachsenen gezeigt.

Ausnahme für Mukoviszidose-Patienten

Krägeloh-Mann lenkt den Blick auf die Zeit vor der Corona-Pandemie und auf schwerkranke kleine Patienten mit geschwächtem Immunsystem. „Diese Kinder tragen ja schon länger Masken, damit sie vor Infektionen geschützt sind – und das sind wirklich anfällige Kinder“, sagt die Pädiatrie-Fachfrau. Auffällige Probleme mit der Mund-Nasen-Maske? Die habe sie bei diesen jungen Patienten nicht erlebt.

Dass Schüler ab Klasse 5 in Baden-Württemberg nun auch während des Unterrichts eine Schutzmaske tragen müssen, hält die Medizinerin für unproblematisch. „Kinder können das“, davon ist sie überzeugt. „Man muss ihnen das nur erklären. Und Lehrer und Eltern haben natürlich auch Vorbildfunktion.“ Selbst bei Grundschülern gebe es prinzipiell keine ärztlichen Bedenken gegen das Maskentragen, zum Beispiel in engen Pausenhöfen. Nur spezielle Risikogruppen mit eingeschränkter Lungenfunktion, wie manche Mukoviszidose-Patienten, würde Krägeloh-Mann von der Maskenpflicht von vorneherein befreien.

Angst alleine kann Atemprobleme verursachen.
Till Reckert, Pädiater und BVKJ-Landessprecher

Bei Berichten über „Kopfweh“ und Atemnot bei maskierten Kindern ist die Medizinerin erst einmal skeptisch. „Das ist, glaube ich, eher eine Frage der Psychologie“, sagt sie. Wenn Eltern das Maskentragen „mit Problembewusstsein aufladen“, übertrage sich das auf die Mädchen und Jungen. „Angst alleine kann Atemprobleme verursachen“, sagt auch Till Reckert, Landessprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).

Bei leichten Einmalmasken und Stoffmasken sieht er „überhaupt kein Problem“ für Kinder. Zugleich verweisen beide Verbandsvertreter aber auf die relativ geringe Gefährdung von Kindern bis etwa zehn Jahren hin: „Gott sei Dank ist das ein Virus, das sehr glimpflich mit den Kindern umgeht.“

„Absurde“ Theorie über Gefahren-Nerv

Der emeritierte Mikrobiologe Sucharit Bhakdi vertritt die Theorie, dass die Corona-Schutzmasken einen Nerv im Gesicht von Kindern reizen könnten – und einen Herzstillstand auslösen könnten. Krägeloh-Mann findet diese Gefahren-Theorie abwegig. „Ich bin Kinderneurologin und kenne mich mit Nerven also aus“, sagt sie. „Ich halte das für absurd.“

Absurd findet auch das Kultusministerium einige Ideen der „Querdenken“-Bewegung, die gegen die Corona-Maßnahmen ankämpft. Hinweise, dass Aktivisten gezielt Schüler zum Masken-Protest auffordern wollen, nehme man durchaus ernst, erklärt Christine Sattler, die Sprecherin Eisenmanns. „Wir nehmen diese zum Anlass, über unsere Kanäle noch einmal grundsätzlich über Gefahren in den sozialen Medien aufzuklären.“ Gleich nach den Herbstferien solle es eine Information für Eltern zum „Umgang mit Verschwörungsmythen“ geben.

Mehr abgemeldete Schüler?

Und wenn Eltern ihre Kinder aus Ärger über die Maske nicht mehr zur Schule schicken? Noch gilt weiterhin die Corona-Sonderregelung: Besorgte Eltern können ihre Kinder formlos vom Präsenzunterricht entschuldigen und ins Homeoffice schicken. Gründe werden nicht durchleuchtet. Aktuell läuft eine neue Abfrage an den Schulen, erklärt Sattler: „Sollte sich der Anteil der Schüler, der zuletzt bei unter einem Prozent lag, zwischenzeitlich deutlich erhöht haben, werden wir das bisherige Vorgehen selbstverständlich überprüfen.

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