Skip to main content

Baden-Württemberg

Koalitionsverhandlungen starten: CDU kämpft für Familiengeld

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen: Grüne und CDU im Südwesten wollen viel, haben aber nicht viel Geld. Nun beginnt der Verteilungskampf. Die CDU will trotz ihrer Wahlniederlage auch Akzente setzen.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, unterhalten sich.
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, unterhalten sich. Foto: Marijan Murat/dpa

Grüne und CDU im Südwesten starten an diesem Montag in die Endphase der Koalitionsverhandlungen und müssen wegen großer Haushaltslöcher finanzielle Schwerpunkte setzen. Wie die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart am Wochenende aus Verhandlungskreisen erfuhr, haben alle zwölf Arbeitsgruppen ihre Vorschläge abgeliefert.

Die Spitzen der Parteien um Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und CDU-Landeschef Thomas Strobl wollen von diesem Montag bis Samstag ihre Streitpunkte ausräumen und darüber entscheiden, wofür sie das knappe Geld ausgegeben wollen.

Verteilungskampf beginnt

Die beiden Parteien wollen unter anderem schnelles Internet und den öffentlichen Nahverkehr stark ausbauen sowie mehr Polizei- und Lehrerstellen schaffen. Da wegen der Corona-Pandemie die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen eingebrochen sind, müssen Grüne und CDU aber sparen. In den nächsten drei Jahren klaffen jeweils Löcher von etwa vier Milliarden Euro im Etat.

Strobl hatte schon gesagt: „Wir werden ganz sicher an einen Punkt kommen, wo wir Wünschenswertes von Notwendigem unterscheiden müssen.“ Nach ihrer Wahlniederlage muss die CDU in einigen Bereichen Zugeständnisse machen. Sie akzeptierte zum Beispiel das gesamte grüne Sofortprogramm für mehr Klimaschutz.

Digitalisierung: In der Arbeitsgruppe waren sich die Grüne und CDU einig, dass der Breitbandausbau auf dem Land viel schneller vorangehen muss. Die Fachpolitiker sind sich aber bewusst, dass ein flächendeckender Glasfaserausbau teuer wird. Im vergangenen Jahr hat das Land Förderbescheide von 432 Millionen Euro bewilligt. Etwa auf diesem finanziellen Niveau müsste es bleiben, um den eigenen Anspruch gerecht zu werden. Die Arbeitsgruppe einigte sich aber auf die Formulierung, dass Glasfaser dort verlegt werden soll, „wo sie gebraucht wird“.

Familie: Die CDU kämpft dafür, ein Familiengeld einzuführen. Das Familiengeld wäre eine Art zusätzliches Kindergeld, das nur in Baden-Württemberg und unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden soll. Im Gespräch sind demnach zwei Varianten: Es könnten pro Kind bis zum Alter von zwei Jahren jeweils 100 Euro gezahlt werden, dann würde die Leistung insgesamt etwa 200 Millionen Euro kosten.

Eigentlich will die Union die Eltern aber solange unterstützen, bis die Kinder im Vorschulalter sind. Dann würde das Familiengeld mit rund 600 Millionen Euro zu Buche schlagen. Die CDU sieht sich hier unter Druck, weil sie in der Familienpolitik schon Federn lassen musste. In ihrem Wahlprogramm hatte sie versprochen, Baukindergeld zahlen und die Grunderwerbssteuer von 5 auf 3,5 Prozent senken zu wollen. Doch beides kommt nicht.

Bildung: Die Grünen sind gegen ein Familiengeld und plädieren dafür, das Geld lieber dafür auszugeben, die corona-bedingten Lernrückstände von Kinder und Jugendlichen auszugleichen. Hier verständigte sich die Arbeitsgruppe dem Vernehmen nach darauf, ein Sonderprogramm mit einem Volumen von über 100 Millionen Euro aufzulegen. Damit sollen unter anderem pensionierte Lehrkräfte und Lehramtsstudierende für Nachhilfe engagiert werden.

In der Schulpolitik hatten sich Grüne und CDU schon in der Sondierung geeinigt, keine Strukturdebatten zu führen und lieber in Qualität zu investieren. Mehr Qualität heißt oft aber eben auch mehr Lehrkräfte, hier ist von mehrere hundert die Rede. Auch da ist die Frage, wie viel Geld das Land dafür in die Hand nehmen will.

Polizei: Auch bei der Sicherheitspolitik geht es ums Geld. Bei der Polizei will Innenminister Strobl eigentlich keine Abstriche machen. Er dürfte deshalb mit den Vorschlägen der Arbeitsgruppe insgesamt zufrieden sein. Hier einigten sich CDU und Grüne darauf, dass die Einstellungsoffensive weitergehen soll.

Dem Vernehmen nach sollen jährlich 1400 neue Polizisten eingestellt werden. Führende Grüne zweifeln allerdings, ob diese Pläne den Finanzcheck überstehen. Ein anderer CDU-Vorschlag schaffte es nicht in das Papier der Arbeitsgruppe: Das Spezialeinsatzkommando der Polizei soll keinen weiteren Standort bekommen.

Heiß diskutiert wurde zwischen Grünen und CDU die Frage, ab welcher Menge der Besitz von Cannabis strafbar sein sollte. Derzeit liegt die straffreie sogenannte Eigenbedarfsmenge im Südwesten bei bis zu sechs Gramm. Zudem wurde gerungen über die Strafbarkeit von Schwarzfahren und dem sogenannten Containern, also der Mitnahme weggeworfener Waren aus Abfallcontainern. Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss, wie die dpa aus Verhandlungskreisen erfuhr. Künftig soll der Besitz von Cannabis bis zu zehn Gramm nicht strafbar sein. Dafür soll Schwarzfahren und Containern auch weiter geahndet werden.

Nahverkehr: Doch auch die Grünen müssen für kostspielige Projekte eine Gegenfinanzierung vorschlagen. So soll es eine Garantie für den öffentlichen Nahverkehr geben: „Dafür werden alle Orte in Baden-Württemberg von fünf Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein“, heißt es im Sondierungspapier. Kostenpunkt: 600 Millionen Euro.

Darüber hinaus soll es landesweit günstigere Tickets im Nahverkehr geben, um die Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Auf dem Preisschild sollen 500 Millionen Euro stehen. Zwar sollen die Kommunen im Gegenzug eine Nahverkehrsabgabe einführen können, doch ob da genügend Geld reinkommt, selbst bei den Grünen angezweifelt.

nach oben Zurück zum Seitenanfang