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Protokoll aus dem Krankenhaus

Kranken­pflegerin berichtet anonym: „Wir werden zu wenig von allem haben“

Bislang liegen erst wenige Corona-Patienten in den baden-württembergischen Krankenhäusern. Doch Pfleger und Ärzte bereiten sich vor. Eine Krankenpflegerin erzählt anonym von der „Ruhe vor dem Sturm“.

Eine Intensivpflegerin bedient vor einem leeren Intensivbett einen angeschlossenen Monitor
Intensivstationen im ganzen Land bereiten sich auf eine wachsende Zahl an Corona-Patienten vor (Symbolbild). Foto: Imago Images

„Ich bin Intensivschwester und arbeite seit 15 Jahren hier.

Kinder sind weniger betroffen, daher ist bei uns momentan noch tote Hose.

Aber die Klinik versendet jeden Tag Nachrichten an die Mitarbeiter, wie viele Corona-Kranke wir haben und wie viele davon beatmet werden oder auf der Normalstation Sauerstoff brauchen.

Momentan sollen wir die Intensivstationen runterfahren, also Betten freihalten. Das ist nicht ganz machbar, weil Infektzeit ist. Dementsprechend haben wir Patienten auf der Intensivstation liegen, die nicht nach Hause können. Auch in der Kinderklinik sollen wir Betten freihalten, weil sie davon ausgehen, dass Corona-Patienten hier aufgenommen werden, wenn die Erwachsenen-Intensiv zugelaufen ist.

Das andere Szenario ist, dass unser Personal rübergehen muss auf die Intensivstation der Erwachsenen, um dort zu helfen. Ich bin natürlich nicht dafür ausgelegt, Erwachsene zu betreuen. Das sind Menschen mit 80, 90 Kilo, da brauche ich drei Mann, um die Patienten zu lagern. Das ist nicht wie bei einem Kind, wo ich das alleine stemmen kann.

Wenn es knallt, wird es nicht anders gehen.
Intensivschwester

Angst habe ich nicht, aber einen gewissen Respekt. Wenn ich auf einer Erwachsenenstation aushelfen muss, wo ich nicht weiß, wo die Dinge stehen und ich die Kollegen nicht kenne, da ist schon eine Hemmung da. Aber wenn es knallt, wird es nicht anders gehen.

Momentan ist es sehr ruhig und wir sind, was Überstunden angeht, nicht sehr belastet. Wir warten. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Das ist ein komisches Gefühl. Aber im Vergleich zu dem, was in den Medien stattfindet, fühlt man sich fast sicher, wenn man auf die Arbeit kommt und es so ruhig ist. Man ist zuhause viel panischer.

Coronavirus macht Kollegen mit Kindern Probleme

Glücklicherweise habe ich keine Kinder. Die Kolleginnen, die Kinder haben, müssen schauen, wie sie ihre Dienste noch hinkriegen. Da kriege ich mit, dass viele Probleme haben. Denn es kommt wenig Hilfe von der Stationsleitung: Die Mitarbeiter müssen es privat lösen, zum Beispiel mit Kollegen tauschen und gucken, wie sie klarkommen.

Mich betrifft die Kontaktsperre wie jeden anderen auch, weil ich mein Sozialumfeld und meine Familie nicht mehr sehen kann. Meine Familie hat Angst, dass ich an vorderster Front stehe und da eine Ansteckung mitbringen könnte.

Man muss vorsichtig sein, dass man nicht unbegründet in Panik gerät:
Intensivschwester

Diese Angst habe ich selber nicht, aber man achtet sehr auf sich. Man ist sehr hellhörig, was die Symptome angeht: Habe ich heute Halsschmerzen? Geht es mir wirklich gut? Das ist psychisch getriggert. Weil andere Angst haben, gucke ich mehr nach mir. Das geht auch Kollegen und Ärzten so, dass sie sehr hellhörig auf ihre eigene Gesundheit achten. Man muss vorsichtig sein, dass man sich nichts einbildet, sich nicht wahnsinnig macht und nicht unbegründet in Panik gerät.

Desinfektionsmittel haben wir genug, wir sollen die Behälter nicht mehr wegschmeißen, weil die in unseren internen Apotheken aufgefüllt werden. Allerdings werden die Mittel eingesperrt, weil schon welche verschwunden sind. Kolleginnen von mir haben fremde Menschen auf der Station erwischt, die Atemschutzmasken klauen wollten.

Wenn wirklich Patienten kommen, werden wir zu wenig von allem haben.
Intensivschwester

Was wir zu wenig haben, sind Schutzbrillen, Mundschutz und Kittel. Wenn wirklich Patienten kommen, werden wir zu wenig von allem haben. Es soll jetzt wiederverwendbarer Mundschutz geliefert werden. Ich habe keine Vorstellung, wie das aussehen soll und ob das wirklich so gut ist. Ist das aus Stoff? Bringt das überhaupt was? Ist das hygienisch überhaupt korrekt? Aber das wird kommen, weil der Mangel einfach da ist.

In der Ausbildung lernt man nicht, mit einer Pandemie umzugehen. Das stand auch nicht in der Stellenausschreibung (lacht). Aber wir haben natürlich immer mit Viren zu tun und mit resistenten Keimen, vor denen wir uns schützen müssen. Wir beherrschen den Umgang, allerdings nicht bei so einem Fall wie Corona. Der kleinste Handgriff, der nicht korrekt ist, kann schon dazu führen, dass ich das Virus übertrage.

Von einem Dankeschön kann ich mir nichts kaufen.
Intensivschwester

Letztendlich danken uns alle so schön, wie toll wir unseren Beruf machen, und dass wir die Besten seien. Der Beruf ist oftmals unterschätzt, da kommt in keinster Weise eine Entlohnung. Von einem Dankeschön kann ich mir nichts kaufen.

Es ist schön und gut, dass mir alle danken, aber wir sind jetzt auf uns allein gestellt. Ich habe mehr Druck, schnell gesund zu werden, sollte ich jetzt krank werden. Denn ich muss schnell wieder bereit sein. Das gilt ja nicht nur für den Corona-Fall, das ist immer so.

Ich habe jetzt erfahren, dass ich Kontaktperson bin von jemandem, der positiv auf Corona getestet wurde. Trotzdem werde ich nicht unter Quarantäne gestellt, sondern muss normal weiterarbeiten auf der Station. Der Unterschied ist, dass ich jetzt einen Mundschutz tragen muss, zehn Stunden lang im Nachtdienst. So einen Mundschutz so lange zu tragen, da trocknet alles aus.

Covid-19-Tests gibt es auch in Kliniken nicht für alle

Aber die Klinik kann es sich nicht leisten, alle Kontaktpersonen unter Quarantäne zu stellen – obwohl es momentan so ruhig ist. Getestet wird man nur, wenn man Symptome hat. Ich könnte positiv sein, ohne es zu merken, und es an Patienten oder Kollegen übertragen.

Coronavirus

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Mit unserer Berichterstattung möchten wir dazu beitragen, dass Menschen in der Region sich auf dem aktuellsten Stand halten können, um die richtigen Entscheidungen für ihren Alltag und ihre Gesundheit zu treffen.

Was ich auch nicht verstehen kann: Natürlich hilft man seinen Nachbarn, also Franzosen und Italienern. Aber wir legen uns grade hier die Plätze voll und wissen überhaupt nicht, was auf uns zukommt. Weil die Spitze des Eisbergs noch nicht erreicht ist, wir sind erst im Anflug nach oben. Hilfe ja, aber so ein beatmeter Patient mit Corona, das ist eine lange Geschichte, um den wieder gesund zu kriegen.

Und das Risiko, dass die Kontaktpersonen das auch wieder übertragen, ist ja auch viel höher. Wir warten alle auf den großen Knall. Mal schauen, wie die Lage dann ist.“

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