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Der Einzelhandel fürchtet eine Insolvenzwelle

Landesregierung verbietet Abholangebote im Handel

Der Einzelhandel hat sich sehnlichst Abholangebote für die Kunden gewünscht, damit das Weihnachtsgeschäft in den Innenstädten nicht komplett wegbricht. Aber die Landesregierung schiebt den Geschäften den Riegel vor. Einig sind sich Grüne und CDU dabei nicht.

"Online-Abholung“ bietet dieses Geschäft in Stuttgart.
Das Verbieten des Click&Collect-Service verursacht riesigen wirtschaftlichen Schaden für den Einzelhandel. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die Abholung von Waren bei stationären Einzelhändlern wird in Baden-Württemberg während des harten Corona-Lockdowns von diesem Mittwoch an bis zum 10. Januar mit wenigen Ausnahmen verboten. Die Händler dürfen vorbestellte Artikel aber immerhin selber ausliefern oder ausliefern lassen, wie das grün-schwarze Kabinett am Dienstag in Stuttgart beschloss. Man wolle lange Schlangen vor den Geschäften und damit zusätzliche Kontakte unbedingt vermeiden, sagte ein Sprecher der Landesregierung am Dienstag zu dem Verbot des sogenannten Click&Collect-Service.

Der Handelsverband Baden-Württemberg reagierte erzürnt - und wollte sich zunächst nicht mit dieser Entscheidung abfinden. „Wir brauchen den Click&Collect-Service dringend, das muss nachgearbeitet werden“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes, Sabine Hagmann, der Deutschen Presse-Agentur. Tausende Waren - etwa Bücher - seien bei stationären Händlern zur Abholung vorbestellt worden, und die könnten jetzt nicht an den Mann gebracht werden.

„Es ist unglaublich, dem Mittelstand diese Möglichkeit zu verwehren“, sagte Hagmann. Das allein sorge für einen riesigen wirtschaftlichen Schaden. Die Menschen seien sowieso in den Städten unterwegs, etwa für Besuche in Apotheken oder Lebensmittelmärkten. Es spreche nichts dagegen, dass diese Menschen dann vorbestellte Waren wie Bücher oder Elektronikartikel bei anderen Händlern abholten. Die alternativ von der Regierung ins Gespräch gebrachte Lieferung von Artikeln sei teuer und aufwendig zu organisieren. Von vielen Kunden hätten die Händler oft gar keine Telefonnummern oder Mailadressen.

Im Zuge des Lockdowns müssen die meisten Händler - mit Ausnahme etwa von Lebensmittelgeschäften - schließen. Vor allem das Wirtschaftsministerium hatte sich jedoch für Abholangebote stark gemacht. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) erklärte, es werde immerhin Abholmöglichkeiten für Handwerker und die gewerbliche Wirtschaft geben. Was genau darunter fällt und wie etwa Handwerker Nachweise erbringen sollen, um Ersatzteile für eine Waschmaschine aus dem Baumarkt abholen zu dürfen, sei noch offen, hieß es. Zuvor hatte der SWR über das Click&Collect-Verbot berichtet.

Bei der Kabinettssitzung wurde intensiv um eine Einigung gerungen, die Meinungen von Grünen und CDU gehen da auseinander. Man habe die große Sorge, wie sich der stationäre Einzelhandel weiter entwickle, sagte die Wirtschaftsministerin im Anschluss an die Sitzung in Stuttgart. Sie zeigte sich nicht zufrieden mit dem Beschluss und verwies auf Unterschiede zwischen städtischen Einkaufsstraßen wie der Königstraße und ländlichen Regionen und kleinen Städten, wo aus ihrer Sicht das Abholen von Waren im Einzelhandel durchaus erlaubt sein könnte. Andere Länder wie Hessen gingen auch einen anderen Weg als der Südwesten, sagte sie.

Wenn man aber regionale Unterschiede mache, sei die Verordnung rechtlich anfechtbar, betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und rechtfertigte das allgemeine Verbot. Man wolle das Signal senden, dass die Menschen zuhause blieben und nicht in die Städte gingen zum Einkaufen. Es dürfe keine Zusammenballung von Menschen geben. „Es macht keinen Sinn, das, was sich im Geschäft abspielt, dann vor das Geschäft zu verlagern.“

Der Handel fürchtet angesichts des Lockdowns eine Insolvenzwelle in noch viel größerem Umfang als bisher prognostiziert. Noch zuletzt war der Verband von rund 6000 coronabedingten Geschäftsschließungen und Insolvenzen in den nächsten zwei Jahren ausgegangen. Doch der neue Lockdown werde die Lage nochmals verschärfen. „Die Zahl wird sich auf jeden Fall deutlich erhöhen“, sagte Hagmann. Im schlimmsten Fall müsse man mit einer Verdopplung auf rund 12 000 Schließungen und Insolvenzen in den nächsten zwei Jahren rechnen. Das gelte vor allem dann, wenn die Händler nicht schnell ausreichende staatliche Hilfen bekämen.

Hagmann forderte für die Betriebe in ihrer Branche Zuschüsse nach dem Vorbild der außerordentlichen November- und Dezemberhilfen, von denen beispielsweise das bereits seit längerem weitgehend geschlossene Gastrogewerbe profitiert. Diese Betriebe erhalten in der Regel Bundes-Zuschüsse von 75 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes aus den jeweiligen Vorjahresmonaten.

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