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Meinung

von Rainer Haendle

Entlassung aus britischer Haft

Nach seinem tiefen Fall verdient Boris Becker eine zweite Chance

Kaum verlässt er den Knast, da kündigt Apple eine Boris-Becker-Dokumentation an: Sportfans sollten dem abgestürzten Idol zu Weihnachten einen Neuanfang wünschen.

ARCHIV - Der deutsche Tennisspieler Boris Becker hechtet am 30.06.1985 während des Turniers in Wimbledon nach einem Ball. Als jüngster Spieler und erster Deutscher überhaupt gewann der ungesetzte Boris Becker am 07.07.1985 gegen Curren in vier Sätzen das Wimbledon-Finale. Foto: Rüdiger Schrader/dpa (zu dpa-Meldung: «Vor 30 Jahren: Ein 17-Jähriger namens Becker verändert die Sportwelt» vom 05.07.2015) +++ dpa-Bildfunk +++
Der deutsche Tennisspieler Boris Becker hechtet während des Turniers in Wimbledon nach einem Ball. Jetzt wurde er aus dem Gefängnis in Großbritannien entlassen. Foto: Rüdiger Schrader picture alliance / dpa

Mit seiner Hechtrolle am Tennisnetz ist Boris Becker weltberühmt geworden. Ähnlich fulminant hat sich der Wimbledon-Sieger aus dem britischen Huntercombie-Gefängnis zurück in den Alltag gewuchtet.

Dass der Ende April zu zweieinhalb Jahren verurteilte Häftling Nr. A2923EV nach nicht einmal acht Monaten schlagartig in seine alte Heimat abgeschoben wird, wo er das Fest der Liebe auf freiem Fuß verbringen darf, ist für den juristischen Laien schwer nachvollziehbar.

Uli Hoeneß musste die Hälfte seiner Strafe verbüßen

Schließlich musste Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß die Hälfte seine Strafe verbüßen, ehe er vorzeitig entlassen wurde. Natürlich wird jetzt am Stammtisch wieder viel über einen möglichen Promi-Bonus diskutiert. Zumal der eigentlich insolvente Ex-Tennis-Profi bei seiner neuerlichen Hechtrolle finanziell weich fallen dürfte.

Unter anderem dank des amerikanischen Technologieunternehmens Apple, das für seinen Streamingdienst eine zweiteilige Dokumentation über das Leben des 55-jährigen produzierte und zeitgleich mit der Entlassung als Appetithappen einen Interview-Auszug mit dem tränenüberströmten Boris veröffentlichte.

Der tiefe Fall eines Helden hat schon in der Antike zur Unterhaltung der Menschenmassen beigetragen. Und Boris Becker ist auch international ein Paradebeispiel für extreme Fallhöhe. Als blonder Senkrechtstarter aus der badischen Provinz katapultierte er sich in den Tennis-Olymp, wurde jüngster Wimbledon-Sieger aller Zeiten und spielte als Bum-Bum-Boris über 25 Millionen US-Dollar an Preisgeldern ein. Hinzu kam geschätzt noch die vierfache Menge an Werbegeldern.

So sehr ihm das Glück auf dem Court hold war, so sehr fehlte es ihm im Privat- und Berufsleben. Eine Negativ-Schlagzeile reihte sich an die andere. Aus unserem Bobele wurde eine Lachnummer, die schließlich am Ende verzweifelt in obskure nigerianische Ölquellen investierte.

Und dann die Pleite. Becker ist von ganz oben nach ganz unten gefallen. Der Sturz hat heftige Spuren nicht nur in seinem Gesicht hinterlassen. Insofern ist es auch müßig, über seine Haftdauer zu diskutieren.

Eine größere Strafe als die Volldemontage ist nicht vorstellbar

Der Mensch Boris Becker hat schwer gelitten, eine größere Strafe als die öffentliche Volldemontage ist nicht vorstellbar. Und jetzt verdient er eine zweite Chance mit diesmal hoffentlich besseren Beratern. Boris Becker bleibt ein Sportidol auf dem Tennisplatz, das es so vermutlich nie wieder geben wird.

Es hat uns Sportfans so viele spannende Stunden beschert. Auch deshalb müssen wir uns als Publikum für ihn zum Weihnachtsfest wünschen, dass er endlich einen Ausweg aus seiner privaten Misere findet und die Negativ-Schlagzeilen mit einer Hechtrolle ein für allemal abschüttelt.

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