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Situation in den Kliniken der Region

Meldungen zu Corona-Impfdurchbrüchen sorgen für Unruhe – aber die allermeisten Kranken sind ungeimpft

Wer Angst vor der Corona-Impfung hat, der fühlt sich von Meldungen über sogenannte Impfdurchbrüche in seiner Haltung bestätigt. Doch Klinik-Ärzte in der Region stellen klar: Der Löwenanteil ihrer Patienten ist ungeimpft – und sie seien deutlich jünger als jene wenigen Covid-Kranken, bei denen der Impfschutz versagt.

Künftig soll die Zahl der Krankenhausaufnahmen für die Corona-Maßnahmen entscheidend sein.
Endstation Intensivstation: Ungeimpfte Covid-Patienten sind dort fast unter sich. Landesweit wurden im vergangenen Monat nur elf Intensiv-Fälle gemeldet, die trotz Schutzimpfung schwer erkrankten. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Impfskeptiker fühlen sich von solchen Meldungen bestätigt: Auch vollständig geimpfte Menschen erkranken an Covid-19 – oder sterben gar daran. Doch auf die Relation kommt es an, betonen die Mediziner in den Kliniken der Region. Und auf die körperliche Verfassung jedes Patienten. In Einzelfällen stehen auch Ärzte vor einem Rätsel, wenn eine Impfung nicht wirkt.

Die Wucht der Statistik ist eindeutig: „Die aktuellen Covid-19-Patienten sind zu über 90 Prozent ungeimpfte“, erklärt Christian Eggersglüß, Sprecher des Ortenau Klinikums, auf Anfrage. „Die Patienten sind im Durchschnitt deutlich jünger als vor Beginn der Impfkampagne und liegen in der Altersklasse 25 bis 70 Jahre.“ Und noch eines sei auffällig: „Es überwiegt der Risikofaktor Übergewicht.“

Aktuell steige die Zahl der Covid-Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, wieder leicht an: 14 Fälle sind es momentan. „Sollten die Zahlen weiter steigen, können wir die Kapazitäten für Covid-19-Patienten nach Stufenplänen innerhalb weniger Tage hochfahren“, sagt der Kliniksprecher. Ja, auch bei Geimpften komme es zu schweren Verläufen – aber „in seltenen Fällen, wenn zusätzliche Risikofaktoren wie hohes Alter oder eine Abwehrschwäche vorliegen“.

Ob das Team schon einen geimpften Patienten an den Tod verloren hat? Nein, erklärt Eggersglüß: „Am Ortenau Klinikum gibt es keinen verstorbenen Covid-19-Patienten, der zuvor eine Corona-Schutzimpfung erhalten hat.“

Fehlende Immunreaktion

Einmal hat der Leitende Oberarzt Cornelius Ehmann in Pforzheim einen solchen Fall in jüngerer Zeit erlebt. Seit Mitte August seien im Siloah Klinikum 50 Covid-Patienten behandelt worden, berichtet er, davon waren neun geimpft. „Die meisten Geimpften haben keinen schweren Verlauf“, sagt Ehmann. Auf der Intensivstation landeten insgesamt fünf der 50 Kranken. Drei davon seien gestorben – darunter auch ein Patient Anfang 60, der vollständig geimpft war.

Bei den Menschen, die trotz Corona-Schutzimpfung erkranken, fällt Ehmann zweierlei auf. Erstens: Sie sind zwischen 60 und gut 90 Jahren alt. Zweitens: Sie hätten meist keine Antikörperreaktion gezeigt. „Es liegt also nicht an der Unfähigkeit der Impfung, die Krankheit zu bekämpfen, sondern an der Unfähigkeit der Immunantwort“, sagt Ehmann. „Von daher scheint mir bei den Älteren eine Auffrischungsimpfung nützlich zu sein.“

Überwiegend seien Vorerkrankungen der Patienten die Ursache für die sogenannten Impfdurchbrüche – aber in Einzelfällen sei noch unklar, warum die körpereigene Abwehr nicht anspringe. „Unseren Mitarbeitern bieten wir Antikörpertests an“, berichtet der Oberarzt. „Sie zeigen eine gute Immunantwort auf die Impfung.“

Stark übergewichtige Patienten sieht Ehmann öfter unter den Covid-Patienten: „Adipöse sind stärker betroffen.“ Bei den Ungeimpften, die auch im Pforzheimer Siloah Klinikum zwischen 80 und 90 Prozent der Covid-Fälle ausmachen, ist der Altersdurchschnitt laut Ehmann niedriger als bei den geimpften: Die meisten seien 30 bis 60 Jahre alt. Ehmanns Rat an alle Zögerlichen lautet deshalb: „Impfen, impfen, impfen.“

Drei Covid-Todesfälle im Raum Pforzheim

Insgesamt drei Covid-Todesfälle von Geimpften meldete das Gesundheitsamt Pforzheim Anfang September. Auch eine Person über 90 war unter den Opfern. Schwere Erkrankungen und hohes Alter spielten bei diesen schweren Impfdurchbrüchen eine große Rolle, teilt eine Behördensprecherin mit.

Spritzen gefüllt mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Spritzen gefüllt mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer. Foto: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Wie viele geimpfte und ungeimpfte Patienten im Helios Klinikum in Pforzheim liegen oder gestorben sind? Dazu will die Sprecherin wegen der geringen Fallzahlen und aus Rücksicht auf den Datenschutz nichts sagen. Die Tendenz aber sei klar: „Es lässt sich grundsätzlich feststellen, dass wir viele junge Patienten unter 50 Jahren und nahezu ausschließlich ungeimpfte Patienten im Krankenhaus sehen“, erklärt Silke Bentner. „Wir behandeln Stand heute zwölf Corona Patienten, wovon drei auf der Intensivstation liegen.“

Nur zwei Geimpfte trifft vierte Welle

Im Klinikum Mittelbaden liegen aktuell 16 Covid-Patienten, davon vier auf der Intensivstation. Das Verhältnis zwischen Erkrankten mit und ohne Schutzimpfung sei eindeutig, berichtet Thomas Iber, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin in Baden-Baden: „Bis auf zwei Patienten waren bisher alle Patienten der vierten Welle ungeimpft.“ Und die Covid-Kranken seien deutlich jünger als bei den vorangegangenen Corona-Wellen: „Während das Durchschnittsalter bei letzteren bei 67 Jahren lag, ist dieses in der vierten Welle auf 54 Jahre gesunken. Immer häufiger sehen wir junge Patienten ohne Vorerkrankungen.“ Aus Ibers Sicht steht fest: „Ein Impfdurchbruch ist selten und nahezu nie mit einem schweren Krankheitsverlauf assoziiert. Das heißt, selbst wenn man trotz erfolgter Impfung an Covid erkrankt, hat man einen deutlich milderen Krankheitsverlauf.“

Was die Statistik im großen Städtischen Klinikum in Karlsruhe zu diesem Thema sagt? Da muss der Sprecher passen: „Ich habe die aufgeschlüsselten Zahlen noch nicht vorliegen.“ An diesem Freitag aber will die Klinik sie präsentieren.

Von 1.423 Covid-Kranken sind in Baden-Württemberg nur 199 geimpft

Die Zahlen des Landesgesundheitsamts zeigen ein klares Ungleichgewicht zwischen den Klinikpatienten ohne und mit Impf-Piks: Von den 1.423 Covid-Kranken, die in den vergangenen vier Wochen als Klinikpatienten gemeldet wurden, waren nur 199 geimpft. Von den 170 Männern und Frauen, die im selben Zeitraum auf der Intensivstation landeten, waren 159 nicht geimpft, elf hatten eine vollständige Corona-Schutzimpfung erhalten, aber einen Impfdurchbruch erlitten.

Unter den 57 Covid-Todesfällen, die in den vergangenen 28 Tagen aus Baden-Württemberg gemeldet wurden, waren 44 nicht geimpft, als die Krankheit sie ereilte und schließlich tötete.

Bundesweit registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) seit Anfang Februar dieses Jahres 20.293 Covid-Tote, darunter waren 449 Geimpfte – und von ihnen war nur ein Verstorbener jünger als 60 Jahre alt.

96-prozentiger Schutz vor Klinik-Einlieferung

Die „Impfeffektivität“ hat das RKI auch berechnet: Sie liegt demnach bei den Jüngeren zwischen 18 und 59 Jahren bei 87 Prozent in der Langzeitauswertung seit Februar und bei 85 Prozent in den vergangenen vier Wochen. Bei den Senioren über 60 beträgt die Quote demnach 86 bis 83 Prozent.

Vor einer Klinik-Einlieferung schützt die Corona-Impfung laut RKI sogar zu 96 Prozent bei den Jungen, zu 94 Prozent bei den Alten. Rein rechnerisch gerundet bewahre der Piks die Menschen bis 59 Jahre sogar zu „100 Prozent“ vor dem Tod – und die Betagteren zu 91 Prozent.

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