Es sind gewaltige Bilder von der bislang größten Arktisexpedition, die Markus Rex dem Publikum im Baden-Badener Kongresshaus zeigt.„Wir haben dem Eis beim Sterben zugesehen“, sagt der Leiter der Mosaic-Expedition. Der Klimawandel sei dramatisch. „Die Arktis ist die Wetterküche für unser Wetter, wo wir leben“ – Hitzewellen im Sommer, Kaltluftausbrüche im Winter, regionaler Starkregen, all das hänge mit der Arktis zusammen.
Mergen: Freitags wird demonstriert, samstags online eingekauft
Wetter-Kapriolen in aller Welt und die Flutkatastrophe in Deutschland – der Sparkassenverband Baden-Württemberg weiß, dass auch Städte und Gemeinden das Thema Nachhaltigkeit umtreibt. Er thematisiert dies an diesem Mittwoch bei seinem Kommunalforum in Baden-Baden.
„Wir in den Kommunen spüren sehr schnell, wenn wir nicht nachhaltig handeln“, sagt die Oberbürgermeisterin der Stadt Baden-Baden, Margret Mergen (CDU). Sie stört dabei dieses „permanente Ja, aber“ in der politischen Diskussion. Demonstrieren bei „Fridays for Future – aber am Wochenende danach kaufen wir online und schicken Artikel wieder zurück“. Das könne es ebenso wenig sein wie permanente Grundsatzbedenken von Denkmalschützern gegen Photovoltaikanlagen – es müsse endlich langfristig gedacht werden.
„Nachhaltigkeit ist ja ein Bullshit-Wort geworden“, sagt der Soziologe Harald Welzer – für ziemlich alles werde es verwendet. Für ihn ist die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts die der Ökologie. Mit der Natur gebe es auch nichts zu verhandeln. Ingenieure und der Markt könnten die Herausforderungen nicht richten. Stattdessen müssten „wir alle uns in unserer Lebensweise neu erfinden“.
Künftige Historiker würden mit Blick auf den Klimawandel den Kopf schütteln und im Rückblick entsetzt feststellen: „Leute, die haben damals Stadtgeländewagen gehabt zur selben Zeit.“ Die Gesellschaft müsse die ökologische Frage anerkennen. Das sei, wie wenn man eine schwere Krankheit hat. „Sie müssen dann ihre Gewohnheiten verändern, sonst gehen Sie über den Jordan.“
Nachhaltigkeit kann auch optisch attraktiv sein
Aber was können Kommunen konkret tun? Wolfgang Dietz, OB der Stadt Weil am Rhein (CDU), lässt Bushaltestellen aufmöbeln, damit die Fahrgäste nicht im Regen stehen. Bus- und Tram-Linien werden verlängert, es gibt für klamme Familien das Ein-Euro-Ticket und sogar eine Duschmöglichkeit für Radfahrer im Rathaus – alles um den klimaschonenden Verkehr voranzutreiben. Die neue Nahwärme-Zentrale bekam sogar einen Architekturpreis, soll heißen: Nachhaltigkeit kann optisch attraktiv sein.
Die Stadt Staufen bezuschusst Photovoltaikanlagen ihrer Einwohner, so Bürgermeister Michael Benitz (Freie Wähler). Sie holte sich zudem Fachleute der Greenventory GmbH ins Haus, die Expertenwissen auch des KIT aus Karlsruhe haben.
Die decken, wie ein „Google Maps der Energie“ (Geschäftsführer Sven Killinger) Potenziale auf. Per Mausklick erfahren Bürger, wo sie Solaranlagen auf ihren Dächern installieren können, was das kostet und welche Energieausbeute sie hätten. Ergebnis: Auf Staufens Dächern sind 20 Prozent mehr Photovoltaikanlagen installiert als vor neun Monaten.
Digitalisierung sei bei der Nachhaltigkeit ohnehin sehr wichtig, so Konstanz OB Uli Burchardt (CDU). Die Bürgerinnen und Bürger müssten zum Mitwirken bewegt werden; es sei kein Bringservice. „Klimaschutz ist keine Pizza“, so Burchardt.
Sparkassenpräsident Schneider vermisst in der Debatte die Balance
Baden-Württembergs Sparkassenpräsident Peter Schneider ist gegen bürokratische Vorgaben und Verbote. „Was ich in der Nachhaltigkeitsdebatte vermisse, ist die Balance.“ Er warnt auch, Nachhaltigkeits-Label einzuführen, wie dies in der EU vorangetrieben werde. Schneider: „Wir als Finanzinstitute werden zu Aussagen über die Nachhaltigkeit von Finanzanlagen und Krediten gezwungen, deren Grundlagen wir letztendlich nicht überprüfen können.“