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Wirtschaftsministerin will „Überdenken“

Neue Ostasien-Strategie: Wie Baden-Württemberg mit China im Dialog bleiben will

Ministerpräsident Kretschmann sieht China als wirtschaftlichen Partner und Systemrivalen. Das Land erarbeitet derzeit eine neue Ostasien-Strategie – will sich von China aber nicht abschotten.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht am Promenadenabschnitt „Bund“ in Shanghai vor der Skyline der Stadt.
Mit Spannung erwartet: 2015 reiste Ministerpräsident Winfried Kretschmann unter anderem nach Shanghai. Foto: Reiner Pfisterer/dpa

China ist mit einem Exportanteil von 8,8 Prozent und einem Importanteil von 9,3 Prozent einer der wichtigsten Handelspartner Baden-Württembergs, wichtiger sogar als die USA.

Die Kooperationen zählen nicht nach Dutzenden, sondern Hunderten. Die seit 1979 bestehenden Verbindungen mündeten in Partnerschaftsverträge mit den Provinzen Liaoning und Jiangsu. In Nanjing unterhält das Land sogar eine Repräsentanz.

Jetzt verlangt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) „ein Überdenken und eine Neuordnung internationaler Handelsbeziehungen angesichts der aktuellen geopolitischen Herausforderungen und des zunehmend spannungsgeladenen und schwierigen Dialogs mit China“.

Eine Abschottung könne keine Antwort sein, sagt sie auf Anfrage unserer Redaktion, aber es brauche entschlossene Initiativen. Dementsprechend arbeite die Landesregierung an einer neuen Ostasien-Strategie, weil dort „erhebliche Potenziale liegen“.

Kretschmann besuchte China im Jahr 2015

21 Jahre lang war kein baden-württembergischen Ministerpräsident in China gewesen, als Winfried Kretschmann (Grüne) 2015 mit erheblichen Erwartungen und einer großen Delegation aus Wirtschaft und Wissenschaft ins Reich der Mitte aufbrach. Allein in Taicang in der Partnerprovinz Jiangsu hatten sich mehr als 200 Unternehmen aus Baden-Württemberg angesiedelt.

„Wir können mit unserer Kompetenz überall kooperieren und profitieren“, so der Grüne bei einem Firmenbesuch. Nach seiner Rückkehr zog er eine „überaus positive Bilanz“.

Er habe versucht, die Forderung nach Freiheit und einer besseren Achtung der Menschenrechte an die Frage der Innovation und der Zukunftsfähigkeit „anzudocken“, weil für Kreativität und Innovation Freiheit ohnehin unerlässlich sei.

Nicht erst seit dem jüngsten Parteitag der Kommunistischen Partei und der viel kritisierten Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Tonlage eine andere. Schon im baden-württembergischen Koalitionsvertrag („Jetzt für morgen“) 2021 versprechen Grüne und CDU, die bestehenden Partnerschaften mit China, Japan und Indien mit Blick auf die hohe Dynamik in Asien weiterzuentwickeln.

„Wir wollen die Expertise über Asien im Land verbessern und hierzu die Netzwerke aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ausbauen“, heißt es weiter. Vor wenigen Tagen legte Kretschmann nach. Über Jahre hätten heimische Unternehmen in China gute Geschäfte gemacht. Man bewege sich aber in einem Dreiklang: „China ist für uns wirtschaftlicher Partner, Wettbewerber und Systemrivale.“

Exakte Kopie einer dm-Filiale stand in China

Unternehmen drängen seit Jahren auf Verbesserungen bei Rechtssicherheit und Patentschutz. Ausgerechnet in der regelmäßig von baden-württembergischen Wirtschaftsministern besuchten Partnerstadt Shenyang in der Provinz Liaoning war in einem Shopping-Center die exakte Kopie einer dm-Filiale samt Logo nachgebaut worden – ohne jede Genehmigung.

Inzwischen floriert der Online-Handel. Laut Wirtschaftsministerium ist neben Konsumgütern auch High-Tech aus dem Südwesten besonders beliebt. Wer in den Branchen Mobilität, Leichtbau, Umwelttechnik und Ressourceneffizienz sowie Klimaschutz expandieren wolle, sagt eine Sprecherin, könne auf das Angebot entsprechender Landesagenturen setzen.

Ein Ergebnis der zu erarbeitenden Ostasien-Strategie steht für Hoffmeister-Kraut und die Fachleute in ihrem Haus ohnehin schon fest: Die Partnerschaften mit den chinesischen Provinzen wird das Land aufrechterhalten.

Denn gerade „in der aktuellen Phase, in der der direkte Austausch durch die coronabedingten Reisebeschränkungen Chinas nahezu unmöglich ist, zeigt sich, wie wichtig ein Ansprechpartner vor Ort ist, der Entwicklungen beobachten, bewerten und an uns weitergeben kann“.

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