Manche Menschen beobachten gerne mit Webcams den Schiffsverkehr in Häfen. Andere schauen sich gerne in Echtzeit startende und landende Passagierflugzeuge auf Flughäfen an. Und dann gibt es noch Interessierte, die im Internet das Live-Geschehen auf den Autobahnen im Blick behalten, sei es aus Neugier oder weil sie sich davon für ihre Reiseplanung Erkenntnisse über die aktuelle Verkehrslage versprechen. Die Letzteren schauen in Deutschland seit Tagen in die Röhre. Der Grund dafür ist der Ukraine-Krieg.
Auf der Webseite der Verkehrsinfo BW findet man alleine auf der Übersicht für die A5 zwei Dutzend rot durchgestrichene Kamera-Symbole, eines pro abgeschaltete Webcam auf einem Autobahnkreuz oder -dreieck. Darunter steht: „Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage werden derzeit keine Bilder von Verkehrskameras angezeigt.“
Das vor allem bei den Autofahrern populäre Portal und die dazugehörige App generieren meist etwa eine Million Seitenaufrufe pro Monat. Jetzt aber nicht. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt das baden-württembergische Verkehrsministerium, dass die Live-Übertragung von den Autobahnen am 3. März abgeschaltet wurde, und zwar auf Bitte des Bundesverkehrsministeriums, das sich auf die „aktuelle sicherheitspolitische Lage“ berufe.
Kameras an Autobahnen abgeschaltet: Ministerien halten sich bedeckt
Demnach seien jetzt „vermehrt Aktivitäten von sicherheitspolitisch relevanten Akteuren im Straßenraum erforderlich“. Was dies genau bedeutet, wollen beide Ministerien nicht erläutern. Auch das Bundesverteidigungsministerium ließ eine entsprechende Anfrage der BNN unbeantwortet. Im Netz finden sich noch die Hinweise, dass der Service „bald“ wieder angeboten werden soll und dass die Kameras auf den Autobahnen wohl weiter die Live-Bilder liefern würden, nur momentan nicht für die Öffentlichkeit.
Vergangene Woche wurden auf der A6 bei Hockenheim Schwertransporte der Bundeswehr mit Kampfpanzern gesichtet. Insgesamt habe es in dem Bereich mindestens 20 solcher Transporte gegeben, berichtete der SWR und zitierte einen Bundeswehr-Sprecher mit der Mitteilung, die Truppe erhöhe derzeit ihre Bereitschaft.
Es könne, so der Sprecher weiter, zu Verkehrsbehinderungen kommen, da „Transportkapazitäten zu Lande, zu Wasser und in der Luft für militärische Zwecke vorgehalten werden müssen“.
Webcams in Österreich und Schweiz bleiben in Betrieb
Angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine trifft die Bundeswehr vorbereitende Maßnahmen für die mögliche Verlegung der Nato-Eingreiftruppe. Rollt nun die schwere Militärtechnik auf deutschen Straßen zu ihren neuen Standorten, ist sie natürlich für russische oder andere Spionagesatelliten weiterhin leicht sichtbar.
Zumindest sollen sich wohl die Generäle in Moskau jedoch über Verkehrsinfo BW keine Live-Bilder vom Autobahnkreuz Walldorf anzeigen können. Dafür haben sie aber den freien Blick auf die Autoströme in Österreich und der Schweiz: Beide Länder haben ihre Webcams auf Autobahnen nicht abgeschaltet.
„Im Prinzip entgeht den Autofahrern nicht viel“, beruhigt Alexa Sinz. Die Sprecherin des ADAC in Nordbaden sagt, dass die Verkehrsdaten von Autobahnen wie immer an die Staumelder oder Apps wie Google Maps fließen. „Dass die Webcams nicht senden dürfen, haben wir aber noch nie erlebt“, sagt Sinz.