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Männer, Macht und Frauenfunk

SWR zeigt einen Doku-Spielfilm zur umstrittenen Gründung Baden-Württembergs

Der Badener Leo Wohleb und der Stuttgarter Regierungschef Reinhold Maier waren die Streithähne vor der Gründung Baden-Württembergs. Vom Machtkampf, dem Leben in der Nachkriegszeit und einer Vorliebe für Maggi berichtet ein SWR-Film.

Dreilndertreffen auf dem Hohenneuffen am 02.08.1948 : Christian Ptzold als Reinhold Maier, Richard Sammel als Gebhard Mller und Stefan Preiss als Leo Wohleb.
( zweite Reihe: Statisten).

© SWR/Eikon Media GmbH/Till Beckert - Verwendung gem§ der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter SWR-Sendung bei Nennung "Bild: SWR/Eikon Media GmbH/Till Beckert" (S2). SWR-Pressestelle/Fotoredaktion, Baden-Baden, Tel: 07221/929-23876, Fax: -929-22059, foto@swr.de
Reinhold Maier, Gebhard Müller und Leo Wohleb (vordere Reihe von links) im SWR-Film vor der Gründung Baden-Württembergs hart miteinander. Im SWR-Film spielen Christian Pätzold, Richard Sammel und Stefan Preiss die Politiker. Foto: SWR/Eikon Media GmbH/Till Beckert

Der Kontrast dieser Filmszenen könnte kaum größer sein: Draußen schuften Frauen in den Trümmern der kriegszerstörten Städte – und drinnen kungeln Männer in gemütlich eingerichteten Salons schon wieder um Macht und Geld. Aus dem Radio ertönt eine weibliche Stimme: Der Stuttgarter Frauenfunk gibt überlebenswichtige Tipps.

Die Moderatorin warnt vor dem Verzehr von Nagetieren, auch wenn die Bäuche leer sind: „Ratten und Mäuse übertragen schlimme Krankheiten“, sagt sie eindringlich. „Sie verursachen Würmer, und ihr Fleisch kann im schlimmsten Fall zu ernsten Erkrankungen oder sogar zum Tode führen.“

Die Männer dagegen schlürfen Wein und schmauchen Zigarren. Sie sorgen sich nicht um die nächste Mahlzeit für die Kinder, sondern um die Frage: Wie können wir die Fusion zu einem Südweststaat einfädeln?

Filmemacher Andreas Köller hat zum 70. Geburtstag des Landes Baden-Württemberg für den Südwestrundfunk (SWR) eine Doku-Fiktion gedreht: „Baden gegen Württemberg. Männer, Macht und Frauenfunk.“ Ausgestrahlt wird der Film an Karfreitag. Er zeichnet den jahrelangen Macht-Poker vor der Landesgründung 1952 nach.

Abwechslungsreich mischt Köller dabei Spielfilmszenen, historische Radio-Beiträge des Stuttgarter Frauenfunks und alte Schwarz-Weiß-Filme aus der Nachkriegszeit mit aktuellen Interviews. Genüsslich inszeniert der Drehbuchautor und Regisseur ein Treffen der Schlüsselfiguren Leo Wohleb und Reinhold Maier – oder besser: ihr Aufeinanderprallen.

Maier legt Köder aus, doch Badener Wohleb bleibt unbestechlich

Der (süd-)badische Staatspräsident Wohleb ist strikt gegen eine Länderfusion und will das alte Baden wiederauferstehen lassen. Maier regiert von Stuttgart aus das provisorische Land Württemberg-Baden und will noch höher hinaus. Er versucht den kleineren Wohleb einzuwickeln.

„Werre Se mein Kultusminister, Wohlleb!“, schlägt der Schwabe in breitem Dialekt vor. „Der Kultusminister eines neuen großen Landes!“ Und er malt dem früheren Gymnasiallehrer Wohleb die Vorzüge eines Ministeramtes aus: „Ein Haus in Stuttgart, ein Daimler mit Chauffeur, ein ordentliches Salär – und Pensionsbezüge, von denen Sie nie geträumt hätten.“

Doch Wohleb bleibt unbestechlich. „Bei uns in Baden sagt man: Lieber arm in Freiburg als reich in Stuttgart“, schmettert er Maier entgegen. Auch der Wein, den Maier ausschenkt, stimmt ihn keineswegs milde. „Wir wollen weder ihr Geld noch ihren edlen Tropfen, den Sie da anbieten“, schimpft er. „Saurer Essig ist das. Damit würden wir nicht einmal den Boden wischen!“

Christian Pätzold und Stefan Preiss spielen die Widersacher mit einer kräftigen Prise Satire. Als der Film-Wohleb die Pläne für die Länderfusion mit der Fremdbestimmung durch die Nationalsozialisten vergleicht, springt der Film-Maier wutschäumend auf und schreit: „Ich war schon Demokrat, da haben Sie noch in die Windeln geschissen!“

Zu Wort kommen auch Zeitzeugen und Historiker. Wohlebs Haushälterin Ilse Koch plaudert zum Beispiel aus, was ihr bescheidener Chef gerne zum Frühstück aß: „Ein Weckle mit Butter und Maggi obendrauf.“ Allen Mahlzeiten verpasste er gerne einige Spritzer Maggi-Würze.

Der Historiker Tobias Wöhrle erklärt im Film, dass die hochstrittige Südweststaatsfrage für viele Menschen im einfachen Volk in der Nachkriegszeit nebensächlich ist. „Es geht den Leuten darum, dass sie was auf dem Teller haben, dass sie es warm haben, dass sie ein Dach überm Kopf haben“, betont er. Denn, die Badener und Württemberger leben immer noch in einer „Mangelgesellschaft“, als 1948 die Diskussion über eine Neugliederung der Länder losgeht.

Schwierige Abhängigkeit von den französischen Besatzern in Südbaden

Der Anstoß zur Fusion kommt von den alliierten Siegermächten der Westzonen. Das alte Baden haben die Amerikaner und Franzosen schon vorher zerschlagen. Im Südwesten haben sie drei provisorische Länder zugeschnitten: Württemberg-Baden, (Süd-) Baden und Württemberg-Hohenzollern.

Regierungschefs auf Abruf sind Reinhold Maier in Stuttgart, Leo Wohleb in Freiburg und Gebhard Müller in Tübingen. Der Geburtstagsfilm des SWR beleuchtet auch das freundschaftliche Verhältnis zwischen Wohleb und Müller – und die zunehmenden Spannungen.

Nicht wenige haben Selbstmord begangen.
Gebhard Müller über die vergewaltigten Frauen

Es geht um die schwierige Abhängigkeit von den französischen Besatzern in Südbaden. Rund 90.000 Vergewaltigungen durch Soldaten hat die Erzdiözese Freiburg in den Nachkriegsjahren erfasst. „Nicht wenige haben Selbstmord begangen“, sagt Müller in einem alten Interview über die weiblichen Opfer.

Eine Belastungsprobe ist auch der Zustrom von Heimatvertriebenen in der Nachkriegszeit. Die SWR-Doku-Fiktion thematisiert unsentimental, wie gering die Solidarität mit den Schutzsuchenden war: Manche Alteingesessene zerschlagen Fenster in eigenen Gebäuden – damit die Räume unbewohnbar sind und keine Flüchtlinge einquartiert werden.

Das Schlusswort im Film hat der unbeugsame Badener Wohleb. Nach der verlorenen Volksabstimmung liegt er ermattet in den Armen seiner Frau und hört im Radio, wie Maier am 25. April 1952 die Gründung des Südweststaates verkündet. „Die Welt will betrogen sein“, sagt Wohleb bitter, „also wird sie betrogen“.

Sendetermin

„Baden gegen Württemberg. Männer, Macht und Frauenfunk“, der Film über die Gründung des Südwest-Bundeslandes, wird am Karfreitag, 15. April, 21 Uhr im SWR-Fernsehen gezeigt. Vom 13. April bis 15. Mai ist er unter www.ardmediathek.de abrufbar.

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