Auf die Weihnachtsbäume, fertig, los! Das nehmen manche Kunden ganz wörtlich. Sie kommen gleich am ersten Verkaufstag Ende November in der Christbaumplantage von Tillmann Wolfangel im Unterreichenbacher Ortsteil Dennjächt vorbei – in der Hoffnung, die schönste Nordmanntanne zu ergattern. Andere sind da lockerer und lassen sich Zeit bis Heiligabend.
Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Einmal verlangte ein Kunde den Christbaum, den garantiert niemand wollte. Er hat ihn bekommen. Ein Exemplar mit verbogenem Stamm.
Die Geschichten, die Wolfangel beim Baumverkauf erlebt und auch gern erzählt, sind so vielfältig wie die Nordmanntannen selbst. Geschätzte 1.000 Stück stehen auf dem Hang hinter seinem Haus in der Bergstraße. Große, kleine, wuchtige und grazile.
Bäume muss man pflegen wie Blumen.Tillmann Wolfangel, Leiter Christbaummanufaktur
Eines haben sie aber gemeinsam: Alle schmeicheln irgendwie dem Auge und wirken wie von Hand gepflegt. Wolfangel bestätigt das: „Bäume muss man pflegen wie Blumen“, sagt er beim Gang über das Gelände.
Manche der Bäumchen sind noch so klein, dass sie kaum von den Grashalmen zu unterscheiden sind. Es dauert lang, bis sie so richtig nach Weihnachtsbaum aussehen – fünf Jahre mindestens.
400 bis 600 Bäume werden jedes Jahr ab Februar auf der Plantage gepflanzt. Dabei hilft der örtliche Waldkindergarten. Aber nur zuschauen, wie die Bäume über Jahre wachsen und sie dann vor Weihnachten verkaufen – damit ist es nicht getan. Sie müssen gehegt und gepflegt werden. „Und das ist sehr zeitaufwändig“, weiß Wolfangel.
Er leitet die Weihnachtsbaumzucht in zweiter Generation mit seinem Bruder Matthias, der in der Pfalz lebt.
Gegründet wurde die Manufaktur von seinem Vater Emil und dessen Brüdern. Wann genau – das kann Tillmann Wolfangel gar nicht sagen. Er ist gelernter Schreiner und nimmt sich jedes Jahr den Dezember frei für den Weihnachtsbaumverkauf.
Zucht und Verkauf sind für ihn sowohl Nebenerwerb als auch Hobby – in das viel Herzblut fließt: „Der Weihnachtsbaumverkauf erinnert mich an meine Kindheit und ist für mich das Vermächtnis meines Vaters.“
Stammkunde fährt seinen Weihnachtsbaum aus Unterreichenbach-Dennjächt nach Jena
Erfahrungsgemäß nimmt das Weihnachtsgeschäft zwischen dem zweiten und dritten Advent richtig Fahrt auf. Die Kunden reisen aus der ganzen Region an – darunter viele Stammkunden wie Holger Schwarz aus Pforzheim-Büchenbronn, der mit seiner Tochter Charlotte am ersten Verkaufstag auf dem Gelände einen Baum aussucht und mit der Säge selbst schneidet.
Schwarz und seine Tochter werden schnell fündig: „Der ist perfekt“, sagt er und schleppt den Baum zum Auto. Ein anderer Stammkunde transportiert seinen Weihnachtsbaum aus Dennjächt immer zu seinem Eltern in Jena. „Das hat Tradition“, erzählt Tillmann Wolfangel. „Dann feiern sie Weihnachten mit einem Baum aus dem Schwarzwald.“
Trends sucht man beim perfekten Weihnachtsbaum vergebens
Der 41-Jährige sucht sich fürs eigene Wohnzimmer natürlich auch einen Baum aus seiner Manufaktur aus. In diesem Jahr einen „Wandbaum“, der auf einer Seite relativ flach ist, und so platzsparend an die Wand gerückt werden kann.
Dekoriert wird er ohne Lametta und viel Schnickschnack, sondern eher dezent mit Lichterkette und Glaskugeln. Trends beim Weihnachtsbaum gibt es für Wolfangel nicht, „weil jeder eine eigene Vorstellung vom perfekten Baum hat“, wie er sagt. Im Kopf verankert sei aber die typische Pyramidenform.
Der ideale Baum sollte „nicht zu dicht und nicht zu groß sein – 2,50 Meter höchstens“, sagt Wolfangel. Dennoch entscheidet das Auge und der individuelle Geschmack.
Auch hierzu gibt es eine Geschichte: Ein Kunde sei einmal auf der Suche nach einem kompakten Baum gewesen: 2,10 Meter hoch und 2,20 Meter breit. Gelöst hat Wolfangel das Problem, indem er einen großen Kirchenbaum um 2,50 Meter gekürzt hat.
Hitze und Trockenheit machen den Bäumen zu schaffen
Bei aller Liebe zum Weihnachtsbaum: „Der Verkauf ist ein umkämpftes Business“, weiß Wolfangel. Kopfzerbrechen bereiten ihm die „brutal trockenen Sommer“. 80 bis 90 Prozent der ganz jungen Zuchten seien in diesem Jahr eingegangen, erzählt der 41-Jährige, der auf Pestizide und Chemie verzichtet.
Ein weiteres Problem sind die Rehe aus dem angrenzenden Wald. Sie finden manchmal ein Schlupfloch im Zaun und knabbern die Spitzen der jungen Bäume – für sie eine Delikatesse. Einen Vorwurf macht Wolfangel den Tieren nicht: „Ich esse auch lieber Schokolade als Äpfel“, sagt er lachend.
Wie sich die Trockenheit auf die Haltbarkeit der Nordmanntannen ausgewirkt hat, müsse sich noch zeigen. Normalerweise halten sie gut einen Monat im heimischen Wohnzimmer.
Eine Patentidee, wie er seine Bäume künftig in ähnlich heißen und trockenen Sommern bewässern kann, hat Wolfangel derzeit nicht. „Ich suche noch nach einer Lösung, aber das wird in den nächsten Jahren ein Riesenproblem.“